Die Cholera-Epidemie auf der Rostocker Altstadt 1859
Aus: Die Choleraepidemie des Jahres 1859 im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin
Autor: Ackermann, Hans Konrad Karl Theodor (1825-1896) deutscher Pathologe, Professor an der Rostocker Universität
Neuaufgelegt: 1860
Neuaufgelegt: 1860
Themenbereiche
Mecklenburg-Vorpommern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft Gesundheit, Medizin, Homöopathie Hansestadt Rostock
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Rostock, Medizingeschichte, Landesgeschichte, Sitten- und Sozialgeschichte, Stadtgeschichte, epidemische Ausbreitung, Seuchen, Epidemie
Auf die erste Erkrankung an der Cholera, welche in der Faulenstraße 14 vorkam, am 3. Juli begann und zwei Tage später mit dem Tode endigte, folgte schon am 4. Juli eine neue Erkrankung im Hause Nr. 4 derselben Straße und in eben diesem Hause wurde am 8. Juli wiederum ein neuer Fall beobachtet. Diese beiden Fälle nahmen einen günstigen Ausgang und die weitere Verbreitung der Epidemie in der Faulenstraße geriet nun allmählich etwas ins Stocken und erreichte ihre Höhe erst zu einer Zeit, wo die Krankheit am alten Markt, der Lohgerber- und Gärtnerstraße und zum Teil auch an den Brüchen bereits eine weite Verbreitung gefunden hatte.
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Die Faulestraße hat 24 Häuser, welche von Handwerkern und Arbeitsleuten bewohnt werden, die nicht eben der ärmeren Klasse angehören. Unter den dort wohnenden Handwerkern befinden sich nicht weniger, als sechs Schlachter. Die Häuser dieser Straße sind nicht besonders dicht bevölkert und machen außen und innen den Eindruck von Wohlstand und Reinlichkeit. Die Straße senkt sich vom Amberge aus gegen den Strand, die Senkung kommt aber ihrem größten Teile nach auf die obere Strecke vom Amberg bis zur Kohlgärtnerstraße, während der untere Abschnitt beinahe eben ist und mit dem Strande fast in gleichem Niveau liegt. Die Höhe über dem Spiegel der Ober-Warnow beträgt in der Nähe der Einmündungsstelle am Amberg 13 ¾ Fuß, gegenüber der Einmündung der Kohlgärtnerstraße 4 1/3 Fuß, und beim Hause Nr. 14 nur ¼ Fuß.*)
Als Folge dieses Terrainverhältnisses stagnieren in den unteren Teilen der Straße die Abflüsse aus einzelnen höher gelegenen Gegenden der Altstadt, namentlich in der Nähe des Tores sind die Rinnsteine überfüllt und verbreiten üblen Gerüche.
Das an dem Strandende der Straße gelegene Haus Nr. 14, in welchem der mehrfach erwähnte erste Cholerafall verlief, steht auf einem den angrenzenden Boden um mehrere Fuß überragenden Fundament, ist reinlich und geräumig und hat einen zwar kleinen Hof, der aber tiefer liegt, als das Haus und weder eine Schwindgrube unter der Latrine, noch ein Dunglager enthält.
Das Haus Faulestraße Nr. 10, in welchem drei Todesfälle vorkamen, ist schon etwas dichter bewohnt, als No. 14 und hat einen Flügel, welcher in seiner ganzen Länge auf den schmalen Hof des Hauses sieht. Das Terrain des Hofes steigt gegen Westen, also in der Richtung vom Hause ab etwas empor und am Ende des Hofes befindet sich eine Reihe von Latrinen über einer seitlich mit Brettern, am Boden gar nicht bedeckten Schwindgrube, welche etwa alle drei bis vier Monate ausgefahren wird. Die Zahl der aus dieser Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 27, die Zahl der Todesfälle 12.**) Letztere verteilen sich auf 9 Häuser und von diesen 9 Häusern kommen 3 mit 3 Todesfällen auf den oberen größeren Abschnitt der Straße, welcher im Ganzen 15 Häuser umfasst, während 6 Häuser mit 9 Todesfällen auf den unteren kleineren, im Ganzen nur 9 Häuser umfassenden Abschnitt der Straße fallen. Zwischen dem ersten und zweiten Todesfall in der Straße lag eine freie Zeit von 14 Tagen, in den dann folgenden 10 Tagen häuften die Fälle sich mehr und mehr und die Epidemie erreichte in der Straße am 27—28. August mit 4 Todesfällen ihren Gipfel. Vom 31. Juli bis 26. August kamen nur noch 3 und später keine Todesfälle mehr vor.
*) Zu den Höhenangaben vgl. die vom Herrn Landesrevisor und Kammeringenieur Saniter angefertigte Tab. 2 des Anhanges.
**) Tab. 1 im Anhange enthalt eine übersichtliche Darstellung sämtlicher tödlicher Cholerafälle in Rostock nach Tagen, Straßen und Hausnummern.
In der Zeit vom 8. bis 22. Juli, wo in der faulen Straße nur ein einziger Todesfall beobachtet wurde, hatte die Epidemie sich in einem der höchsten und luftigsten Teile der Stadt, am alten Markt, zu einer ziemlich bedeutenden Höhe entwickelt. Die epidemische Verbreitung zeigte sich an diesem Platze und in einigen ebenfalls hoch gelegenen Nachbarstraßen früher, als in irgend einem andern Teile der Stadt, und es müssen daher diese höchstgelegenen Gegenden der Altstadt als diejenigen Punkte angesehen werden, in welchen die Bedingungen für die Entwicklung der Krankheit am frühesten in ausgedehntem Maße vorhanden waren.
Der höchste Punkt am alten Markt liegt in der Nähe des Hauses Nr. 19 und befindet sich 41 ½ Fuß über dem Nullpunkt der Warnow, also 27 ¾ Fuß über dem höchsten und 41 ¼ Fuß über dem tiefsten Punkte der Faulenstraße, welche vor dem Beginne der Epidemie am alten Markt allein und zwar an ihrem tiefsten Punkt einen Todesfall gehabt hatte. Das Terrain des Platzes stellt eine fast ebene Fläche dar mit einem geringen Gefälle gegen NW., dergestalt, dass der niedrigste Punkt des Platzes an seiner nordwestlichen Ecke beim Hause Nr. 19 eine Höhe von 32 Fuß hat. Die südlich und östlich von der Petri-Kirche gelegenen Häuser werden am passendsten zum alten Markt gerechnet, obwohl sie offiziell unter dem Namen „bei der Petri-Kirche“ zusammengefasst werden. Die östliche Häuserreihe bei der Petri-Kirche liegt noch etwas höher, als ihre zum alten Markt gerechnete Fortsetzung. Die nördliche Ecke derselben, das Haus Nr. 3, hat nämlich eine Höhe von 44 1/4 über der Ober-Warnow.
Der alte Markt ist größtenteils mit Arbeitsleuten und Gewerbetreibenden bevölkert; unter letzteren finden sich viele Gerber; das Haus Nr. 16 ist ein Asyl für bejahrte Frauen und wird von etwa 300 Personen bewohnt.
Aus den Häusern, welche an der Ostseite des alten Marktes und der Lohgerberstraße bis zum Küterbruch und südöstlich von der Petri-Kirche liegen, fließen der Küchenspülicht und andere Auswurfsstoffe in etwa 7 offene unausgemauerte Gruben, die sich am äußeren Rande der Stadtmauer auf der Höhe des hier sehr steil abfallenden Terrains befinden. Aus dem Hause bei der Petri-Kirche, Nr. 9, soll sogar der Inhalt der Latrinen auf demselben Wege fortgeschafft werden.
Die ersten Cholerafälle am alten Markt kamen in dem auf der Westseite des Platzes gelegenen Hause Nr. 27 vor, einem großen Gebände, welches von 9 Familien bewohnt wird. Die Wohnlokalitäten befinden sich zum Teil in dem kaum einige Fuß unter dem Niveau des anliegenden Territoriums gelegenen Keller, zum Teil in dem etwa 10 Fuß höher gelegenen Parterreraum, ferner im ersten Stock und in einem Hofgebäude. Hinter dem Hause senkt das Terrain sich allmählich in einer Strecke von etwa 20 Fuß gegen die Stadtmauer zu. Der Platz zwischen Haus und Stadtmauer wird von Hof und Garten eingenommen. Ersterer enthält einen Viehstall, ein Dunglager und eine Latrine mit darunter befindlicher und an ihren Seitenwänden mit Brettern ausgekleideter Schwindgrube. Die einzelnen Wohnlokalitäten im Hause sind geräumig, nicht mit Menschen überfüllt. Die in diesem Hause vorgekommenen 6 Todesfälle verteilen sich auf die Zeit vom 9—18. Juli. Von denselben kommt auf die Kellerwohnung, die erste Etage und die Hofwohnung je einer, auf die Parterrewohnung kommen 3.
Gleichzeitig mit diesen Todesfällen kamen auch in zwei Nachbarhäusern tödliche Erkrankungen vor, nämlich in Nr. 22 am 13—14 Juli, in Nr. 1 am 18. Juli. In dem letzteren Hause, dem Garnisonslazarett, war am 17. Juli ein Krankenbestand von etwa 32 Mann, darunter 12 Diarrhoekranke, welche wegen anderer Affektionen rezipiert waren. In der Nacht zum 18. Juli erkrankten gleichzeitig an Cholera 3 Mann, darunter die beiden Diarrhoekranken; von diesen starb einer nach 10 Stunden, während die beiden anderen genasen. Ein vierter Mann, welcher wegen einer Kontusion im Hospital lag, wurde am 18ten Morgens entlassen und begab sich in seine Wohnung, Kuhstraße 21, kehrte aber schon am folgenden Tage cholerakrank ins Lazarett zurück. Unmittelbar nach dem Eintritt der ersten Erkrankungen wurden alle anderen Kranken aus dem Lazarett in ein entlegenes Hilfslazarett gebracht und das Militärhospital lediglich für die Aufnahme cholerakranker Soldaten bestimmt. Von den translozierten Leuten wurde später noch einer ergriffen. Im Hospital selbst kamen leichte Cholerafälle unter der Familie des Oberkrankenwärters vor; von den sukzessive verwandten 9 Wärtern erkrankte dagegen Niemand.
Der alte Markt umfasst mit Einschluss des Häuserkomplexes „bei der Petri-Kirche“ 38 Häuser. An dem ganzen Platze sind 38 Erkrankungen vorgekommen, von denen 20 ein tödliches Ende hatten. Diese 20 Todesfälle verteilen sich, nach Abrechnung zweier, bei denen die Wohnung nicht mehr nachweisbar war, auf 11 Häuser, und zwar kommen auf die, 15 Häuser der Ostseite des Platzes 6 Häuser mit 11 Todesfällen, auf die 8 Häuser der Südseite 2 Häuser mit 2 Todesfällen, auf die 10 Häuser der Westseite 2 Häuser mit 3 Todesfällen, auf die 3 Häuser der Nordseite 2 Häuser mit 2 Todesfällen.
Die Lohgerberstraße verbindet die südöstliche Ecke des alten Marktes mit dem Platze bei der Nicolaikirche. Ihr Terrain senkt sich vom alten Markt bis zu der Stelle, wo die große Goldstraße und der Gerberbruch in sie einmünden; dann steigt es allmählich bis in die Nähe des Nicolaikirchhofes. Ihr höchster Punkt liegt beim Hause Nr. 1 (35 Fuß hoch), ihr tiefster Punkt bei der Einmündungsstelle des Gerberbruches (25 ½ Fuß hoch). Die Bevölkerung hat ähnliche Beschäftigungen, wie am alten Markt, namentlich wohnen auch hier viele Gerber.
Die ersten Todesfälle kamen in den zwischen altem Markt und Küterbruch auf der Ostseite gelegenen Häusern vor, welche in unmittelbarem Zusammenhange mit der östlichen Häuserreihe des alten Marktes stehen. Die Zahl der aus dieser Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 22, die Häuserzahl 37. Von den Erkrankten sind 11 gestorben und von diesen Todesfällen kommen 6 auf drei unter den 6 Häusern, welche auf der Ostseite der Straße zwischen altem Markt und Küterbruch liegen, während die übrigen 5 Todesfälle in 4 Häusern der südlichen Hälfte der Straße vorkamen, welche eine Anzahl von 30 Häusern umfasst. Das Haus Nr. 18, auf der Ostseite des nördlichen Straßenabschnittes gelegen, hat 4 Todesfälle gehabt, welche sich auf den Zeitraum vom 15. Juli — 16. August verteilen. Zwei dieser Fälle kommen auf eine kleine, hofwärts in einem Flügel gelegene Wohnung. Der Hof ist geräumig und grenzt an einen bis zur Stadtmauer reichenden Garten, enthält aber eine ebenfalls nur an den Seitenwänden mit Brettern bekleidete Schwindgrube unter der Latrine. Das Terrain senkt sich vom Hause gegen die Stadtmauer.
Die mit der Südseite des alten Marktes parallel laufende kleine Goldstraße senkt sich in geringem Grade von Westen gegen Osten. Ihr höchster Punkt liegt 36 1/4, ihr tiefster 34 ¼ Fuß über der Ober-Warnow. Sie hat 8 Häuser; die Zahl der aus der Straße gemeldeten Erkrankungen beträgt ebenfalls 8. Von den 5 Todesfällen, welche in der Straße vorkamen, fallen 4 auf 4 Häuser; von einem konnte das Haus nicht mehr konstatiert werden.
Der erste Todesfall kam in der dem alten Markt zunächst gelegenen Häuserreihe vor. Das Haus Nr. 6 hat 4 Cholerafälle gehabt. Dasselbe ist zahlreich bewohnt, hat dumpfige, niedrige, kalte, mit wenigen Fenstern versehene Stuben und auf dem Hofe einen offenen Rinnstein, welcher die Abflüsse aus der Latrine und dem Viehstall frei in den Rinnstein der Straße führt.
Am Küterbruch, welcher die östliche Fortsetzung der kleinen Goldstraße bildet, senkt das Terrain sich anfangs sehr bedeutend, um dann ziemlich plötzlich eine fast vollkommen horizontale Beschaffenheit anzunehmen. Wohnungen befinden sich nur in dem unteren, wenige Fuß über der Ober-Warnow gelegenen Teil der Straße, welcher mit seinem östlichen Ende an einen die Ober-Warnow mit der kleinen Unter-Warnow verbindenden schmalen Kanal stößt; mit diesem Kanal stehen teils in direkter, teils in indirekter Communication ähnliche Kanäle, welche in der Mitte des Fischer- und Gerberbruches und zwischen den beiden einander zugekehrten Häuserreihen dieser Straßen verlaufen. Oberhalb dieses Grabens, am unteren Ende des Küterbruches befindet sich ein umfängliches Bassin, welches die Abflüsse aus einem Teil der Lohgerberstraße, kleinen Goldstraße und des Küterbruches aufnimmt. In dem Bassin lagern sich dann die festeren Teile der Abfallstoffe ab, während die flüssigen durch vielfache Öffnungen in das vorbeifließende Wasser sickern. Das Bassin ist nur so weit bedeckt, um einen Übergang zu der, unmittelbar neben ihm befindlichen Abwaschstelle herzustellen. Zu beiden Seiten dieser Stelle stehen Latrinen über dem Wasser, aus denen die Entleerungen direkt in das Wasser gelangen. Vom Küterbruch sind 8 Erkrankungen mit 5 Todesfällen angemeldet. Die Straße hat 9 Häuser und wird fast nur von Arbeiterfamilien bewohnt.
Am Gerberbruch kam der erste tödliche Cholerafall an demselben Tage vor, wie am alten Markt. Die Straße liegt tief, wenige Fuß über dem Flussspiegel und am Fuße des von der Lohgerberstraße her ziemlich steil abfallenden Hügels der Altstadt. Ihr Boden ist locker und so feucht, dass man in der Regel schon in einer Tiefe von 2—3 Fuß auf Wasser stößt; deshalb sind die Häuser größtenteils auf Pfählen erbaut und haben keine Keller. Nach Südost öffnet die Straße sich gegen die Warnow und in ihrer Mitte verläuft ein mit der Warnow kommunizierender Graben, dessen Wasser von den hier in großer Zahl wohnenden Gerbern für technische Zwecke benutzt wird. Die erste Erkrankung an der Cholera, welche auch ein tödliches Ende nahm, ereignete sich in Nr. 30, einem kleinen, tief liegenden Hause mit sehr engen und niedrigen Zimmern und einem unmittelbar angrenzenden Hofraum, auf dem mehrere Viehställe, eine Latrine mit Schwindgrube und ein Dunglager befindlich sind. In diesem und in dem benachbarten Hause, welches zwar geräumiger ist, aber auf dem Hofe ähnliche Verhältnisse zeigt, kamen nicht weniger, als 6 Todesfälle vor, welche sich auf die Zeit vom 10. Juli bis zum 2. August verteilten. In derselben Zeit verlief die Epidemie auch in den übrigen infizierten Häusern des Gerberbruches mit Ausnahme eines Todesfalles in Nr. 8, welcher erst am 5 August eintrat. Der Gerberbruch hat 43 Häuser, von denen 18 auf seine nördliche, 25, auf seine südliche Seite kommen. Die Zahl der aus der Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 14, die Zahl der Todesfälle 13. Von diesen kommen auf 3 Häuser der nördlichen Seite 3, auf 4 Häuser der südlichen Seite 8, während bei 2 die Wohnung nicht mehr genau zu bestimmen war.
Oberhalb des Gerberbruchs befindet sich, noch auf der südöstlichen Abdachung des Hügels der Altstadt liegend, eine in gleicher Linie mit dem Gerberbruche verlaufende kurze Straße, welche von jenem durch den am Ostende des Küterbruches befindlichen Graben getrennt wird. Die Straße hat eine Länge von etwa 14 Ruthen und senkt sich in dieser kurzen Strecke von 25 1/2 auf 15 ½ Fuß. Die 6 Häuser, aus welchen sie besteht, blieben anfangs vollkommen verschont. Erst am 12. September, zu einer Zeit, wo die Epidemie in diesen Gegenden längst ihr Ende erreicht hatte, kam in dem Hause Nr. 3 ein vereinzelter Todesfall vor.
Parallel mit dem Gerberbruch verläuft in derselben Ebene und auf gleichem Terrain der Fischerbruch, welcher in der Mitte ebenfalls von einem Kanal durchschnitten wird und vom Gerberbruch durch Gärten, Höfe und einen schmalen Graben getrennt wird, der zunächst mit jenem Kanal, durch diesen aber auch mit den übrigen Gräben jener Gegend in Verbindung steht. In diesen, zwischen Fischer- und Gerberbruch befindlichen Graben entleert sich eine große Menge des Abflusses aus Ställen und Dunghaufen der anliegenden Höfe und über ihm ist eine Reihe von Latrinen in der Weise errichtet, dass die Ausleerungen von denselben direkt in den Graben gelangen. Wenn es wahr ist, und glaubwürdige Mitteilungen lassen kaum daran zweifeln, dass aus diesem und dem in der Mitte der Straße gelegenen Graben von den Anwohnern desselben das Wasser zum Kochen und selbst zum Getränk benutzt wird, so liegt hierin wahrscheinlich einer der Gründe, welche das heftige Auftreten der Cholera bei allen drei Epidemien in diesen Gegenden und besonders am Fischerbruch begünstigt haben.
Aus den 46 Häusern dieser Straße sind nämlich 51 Erkrankungen angemeldet und von diesen haben 32 ein tödliches Ende genommen. Die Todesfälle verteilen sich in der Weise, dass auf die 23 Häuser der Nordseite 15 fallen, welche in 11 Häusern vorgekommen sind. Auf die 19 Häuser der Südseite fallen nur 7 Todesfälle in 5 Häusern und die vier Häuser endlich, welche, etwas separiert von den übrigen mit der Fronte gegen NW. liegen, hatten je einen tödlichen Cholerafall. Von 6 Verstorbenen konnte die Wohnung nicht mehr genau nachgewiesen werden.
Die Epidemie begann am Fischerbruch am 21. Juli und schloss am 28 August. Am 9. September kam indes noch ein isolierter Todesfall vor.
Während nun so in diesen südlich und südöstlich vom alten Markt gelegenen Gegenden die Epidemie eine sehr ergiebige Verbreitung fand, zeigten die westlich und südwestlich von der Lohgerberstraße und vom alten Markt gelegenen Gegenden eine weit geringere Zahl von Todesfällen.
In der großen Goldstraße, welche südlich von der kleinen Goldstraße, parallel mit ihr und in gleicher Linie mit dem Gerberbruch verläuft und 9 kleine und gedrängt stehende Häuser umfasst, aus welchen die Auswurfsstoffe vielfach auf die Straße stießen, kam nur ein einziger Todesfall (Nr. 5) vor; weitere Erkrankungen wurden hier ebenfalls nicht beobachtet. Die Straße liegt noch etwas tiefer, als die kleine Goldstraße. Ihr höchster Punkt befindet sich nämlich 30 3/3 Fuß, ihr tiefster Punkt 29 ½ Fuß über der Ober-Warnow.
Am Nicolaikirchhof, auf welchen die Lohgerberstraße nach Süden ausmündet, kam je ein Todesfall in 3 unter den 11 Häusern vor, welche unter jenem Namen zusammengefasst werden. Die südlich vom Nicolaikirchhofe in einem Bogen sich hinziehende Reihe von 8 Häusern führt den Namen „beim Schwibbogen“. In ihnen kam nur ein einziger Todesfall vor. Der ganze Straßenkomplex endlich, welcher vom Bagehl, dem unteren Ende der neuen Wallstraße von Nr. 9—7, dem oberen Abschnitte der Grubenstraße bis Nr. 60, den kleinen von dort in die Wollenweber- und Altschmiedestraße führenden Quergässchen und den nordwestlich und westlich von der Nicolaikirche gelegenen Häusern begrenzt wird, hatte nur zwei Todesfälle aufzuweisen. Beide ereigneten sich in einer Kellerwohnung des Hauses Mühlenstraße II. Dies Haus ist das Eckhaus der Grubenstraße; der Eingang zu der Kellerwohnung, in welcher die Todesfälle vorkamen, öffnet sich gegen diese Straße und deshalb sind diese beiden Todesfälle mit zur Grubenstraße gerechnet.
Hier mögen auch die am Beguinenberg, hinter der Mauer und am Herrenstall vorgekommenen Todesfälle ihre Erwähnung finden. Die Straßen, in welchen sie vorkamen, gehören freilich der Neustadt an, find aber von dem eigentlichen Herde der Neustädter Epidemie so weit entlegen, dass ihre Betrachtung im Zusammenhange mit der Epidemie auf der Altstadt natürlicher erscheint.
Für die ersten Fälle am Beguinenberg ist dieser Zusammenhang sogar mit Bestimmtheit nachweisbar. Hier erkrankte nämlich am 19. Juli in den, Hause Nr. 5 eine auf der Altstadt stark beschäftigt gewesene Leichenkleiderin, Sie verstarb nach 26 Stunden und ihre Leiche blieb ohne genügende Desinfektion in einem kleinen, neben dem einzigen Wohnzimmer der zahlreichen Familie gelegenen Alkoven vier Tage lang stehen. Am 22. Abends 6 Uhr, erkrankte und starb nach 9 Stunden die 5jährige Tochter der Verstorbenen, dann starb am 24. Abends 9 Uhr nach 24stündiger Krankheit eine zweite Tochter von 11 Jahren. Nun räumte die Familie das inzwischen von den anderen Bewohnern schon verlassene Haus und hat seitdem keinen Erkrankungsfall mehr gehabt. Der im Parterre wohnende Besitzer des Hauses war kurz nach dem Ausbruch der Cholera in der Wohnung des ersten Stockes mit seiner Familie nach Nr. 28 derselben Straße gezogen. Er selbst und seine Angehörigen blieben gesund; aber am 19. Und 20. August (vier Wochen nach dem letzten Todesfalle in Nr. 5) verstarben in Nr. 28 zwei Personen. Weitere tödliche Erkrankungen sind in dieser Straße nicht vorgekommen. Die beiden Häuser, auf welche die Todesfälle beschränkt blieben, sind geräumig, mit großen Höfen und anscheinend frei von den die Verbreitung der Cholera in der Regel begünstigenden Einflüssen. Das Terrain der Straße senkt sich von der Steinstraße bis zur Wasserstraße in einer Strecke von 40 Ruthen um 29 ½ Fuß. Die Ausmündungsstelle in die Steinstraße hat nämlich eine Höhe von 49 ¾ Fuß, die Ausmündungsstelle in die Wasserstraße von 20 ¼ Fuß.
In der Zeit, welche zwischen der ersten und zweiten Gruppe der Todesfälle am Beguinenberg lag, kam in dem Hause Nr. 5 hinter der Mauer beim Steintor eine heftige Hausepidemie vor, welcher in der kurzen Zeit vom 25. Juli — 1. August nicht weniger, als 4 Personen erlagen. Die Straße hat nur auf einer Seite Häuser und wird durchweg von armen Leuten bewohnt. Das infizierte Haus ist klein, eng und, wie die Mehrzahl der Nachbarhäuser, ohne Hofraum. Alle Abfälle werden daher aus den Wohnungen auf die Straße geschüttet, in deren Mitte ein breiter Rinnstein verläuft. Den Häusern gegenüber an der Innenwand der Stadtmauer erblickt man eine Reihe von Latrinen mit Kübeln, welche zweimal wöchentlich ausgeräumt werden.
Am Fuße des Beguinenberges, dessen Terrain namentlich in seiner unteren Hälfte ziemlich rasch abfällt, liegt in fast gleicher Ebene mit der Grubenstraße ein Komplex von 9 Häusern mit dem Namen „am Herrenstall“. In Nr. 8 derselben kam am 25. Juli ein Todesfall vor, dem weitere Erkrankungen nicht folgten.
Eine etwas größere Verbreitung, als in den am südwestlichen Ende der Altstadt gelegenen Gegenden, zeigte die Cholera in demjenigen Straßenkomplex, welcher eingeschlossen wird von der Westseite des alten Marktes, der Altschmiedestraße, den kleinen Verbindungsgassen dieser mit der Wollenweberstraße und der Grubenstraße, dem mittleren Teil dieser letzteren, der Straße beim Katharinen-Stift und dem Amberg. Doch kam es auch hier, wenn man die Nordseite der Straße beim Katharinen-Stift ausnimmt, kaum Irgendwo zu einer eigentlichen Straßenepidemie.
Die Altschmiedestraße hatte in dieser Gegend noch relativ am heftigsten zu leiden. Sie verläuft parallel der Lohgerberstraße, wird mit dieser durch die beiden Goldstraßen verbunden und liegt in ihrem höchsten, bei der Einmündungsstelle in den alten Markt gelegenen Punkte 38 ½ Fuß, in ihrem tiefsten, beim Hause Nr. 32 befindlichen Punkte 29 ¼ Fuß über dem Niveau der Unter-Warnow, also durchweg etwas höher, als die Lohgerberstraße. Die Zahl der aus der Altschmiedestraße angemeldeten Erkrankungen beträgt nur 6 mit 4 Todesfällen bei einer Häuserzahl von 36. Von den Todesfällen kommen 2 auf die Westseite mit 17 Häusern, 1 auf die Ostseite mit 19 Häusern und bei einem Todesfall war die Wohnung nicht mehr genau zu bestimmen.
Mit der Altschmiedestraße verläuft, etwa 8—12 Fuß tiefer, als diese, die Wollenweberstraße. Zwischen beiden ist die Senkung des Terrains eine so bedeutende, dass man in einzelnen auf der Ostseite der Wollenweberstraße gelegenen Häusern aus dem ersten Stock auf die Höfe gelangt. In dieser ganzen östlichen Häuserreihe liegen also die Höfe höher, als die Erdgeschosse der Häuser. Die Straße hat eine Länge von etwa 75 Ruthen und eine Anzahl von 58 Häusern. Im Verhältnis zu dieser bedeutenden Ausdehnung ist sie nur in geringem Grade von der Cholera ergriffen worden. Es sind nämlich zwar 20 Erkrankungen, aber nur 8 Todesfälle aus derselben angemeldet, welche im Allgemeinen nicht in einem kleineren Teil der Straße, sondern meistens in weiter von einander entlegenen Punkten derselben vorgekommen sind. Nur zwei Todesfälle, von denen der eine bereits am 12. Juli eintrat, der andere am 20. folgte, ereigneten sich in demselben Hause, Nr. 31, welches wenige enge und kleine Zimmer, einen sehr kleinen Hofraum hat und von einer sehr zahlreichen und dürftigen Familie bewohnt wird. Gleichzeitig mit dem ersten Todesfall in diesem Hause erkrankte und verstarb gegenüber in Nr. 28 der Lichthaak S. Dieser war am 9. Juli nach Striesenow bei Laage (vergl. unten Striesenow) gereist, um mit seiner Frau und seinem Kinde seine dort wohnenden Schwiegereltern zu besuchen. Er kehrte am 10. gegen Abend von dort zurück, fühlte sich bald nach dem Genuss eines Glases Bier in Laage sehr unwohl, erkrankte in der Nacht mit heftigem Brechdurchfall und verstarb am 12. Juli. An demselben Tage erkrankte auch sein einjähriges Kind und zwei Tage später die Witwe, beide mit Ausgang in Genesung. Von den übrigen 5 Fällen sind 4 an weiter von einander entlegenen Punkten der Straße vorgekommen, bei einem konnte die Wohnung nicht mehr nachgewiesen werden. In dem Hause Nr. 1 ereignete sich der letzte Todesfall der ganzen Rostocker Epidemie. Es verstarb nämlich hier am 6. Oktober, nachdem bereits seit 14 Tagen eine tödliche Erkrankung nicht mehr vorgekommen war, die Frau eines Arbeitsmannes, welche am Tage vorher erkrankt war. Sie war in dem Hause Krämerstraße 19 häufig als Wäscherin beschäftigt gewesen und soll einige Tage vor ihrer Erkrankung die Wäsche eines dort am 2. September Verstorbenen gereinigt haben. Die Annahme, dass hierdurch ihre Krankheit veranlasst worden, erscheint indessen höchst zweifelhaft in Berücksichtigung der sicher konstatierten Tatsache, dass der Sohn dieser Frau, nachdem er an der Fischbank Nr. 5, wo schon früher 2 Cholerafälle vorgekommen waren, verkehrt hatte, am 29. September krank in das Haus seiner Eltern kam und hier mehrere Tage, freilich nicht an ausgebildeter Cholera, doch an ziemlich heftiger Cholerine behandelt wurde.
An der von Westen her in rechtem Winkel auf die Wollenweberstraße stoßenden Fischbank kam in dem Hause Nr. 7 am 21. August eine heftige Hausepidemie zur Entwicklung, welche bis zum 25. August dauerte und in dieser Zeit drei Todesfälle herbeiführte. Das auf der Südseite der Straße gelegene Haus Nr. 7 ist klein, mit Menschen überfüllt und liegt am Fuße eines, unmittelbar hinter ihm ziemlich stark gegen Südost ansteigenden Hügels. Der Hof liegt aus diesem Grunde um einige Fuß höher, als das Haus, und es ist nicht zu verkennen, dass die in großer Menge auf dem Hofe angesammelten menschlichen und tierischen Auswurfsstoffe sich gegen das Haus zu senken. Ein Teil dieser Stoffe wird freilich durch eine unter dem Hause verlaufende Rinne auf die Straße geleitet, eine auf dem Hofe befindliche Dunggrube, welche den Abfluss aus mehreren Viehställen aufnimmt, gibt aber hinreichende Gelegenheit zur Infiltration der flüssigen Teile dieser Auswurfsstoffe in das umgebende Erdreich.
Die Zahl der von der Fischbank angemeldeten Erkrankungen beträgt 11. Von diesen endete mit Ausnahme der erwähnten 3 Fälle in Nr. 7 nur noch ein einziger tödlich. Derselbe kam vor in Nr. 29, dem Eckhause des oberen, neustädtischen Teiles der Fischbank und der Grube.
Zwei Erkrankungen, von denen die eine ein tödliches Ende nahm, kamen um diese Zeit auch noch in der Diebsstraße vor, einer kleinen Verbindungsgasse zwischen der Wollenweberstraße und dem alten Markt.
Dagegen zeigte die Cholera am Amberg und in der Straße beim Katharinen-Stift, besonders in dem Stifte selbst, eine weit größere Ausbreitung, als in den südlich von dort gelegenen Gegenden der Altstadt.
Die Irrenheilanstalt St. Katharinen-Stift liegt an einer etwa 50 Fuß breiten Erweiterung der Straße. Während der Dauer der Krankheit, welche in der Anstalt sich über die Zeit vom 23. Juli bis 12. August ausdehnte, sind von den etwa 100 in ungefähr 50 Zimmern verteilten Bewohnern derselben 20 geisteskranke Männer, 6 geisteskranke Frauen, 2 Irrenwärter und 2 Irrenwärterinnen erkrankt und von diesen gestorben 7 geisteskranke Männer und 2 Irrenwärter. Auch im Jahr 1850 hat die Anstalt 4 ihrer Kranken an der Cholera verloren.
Ein direkter Verkehr der Bewohner der Anstalt mit den damals infizierten Häusern der Umgegend ist, soviel bekannt geworden, nicht vorgekommen. Die Kranken stehen überhaupt in der Regel nicht in freier Kommunikation mit der Stadt, der Verkehr der Wärter soll sich auf Angehörige der Anstalt beschränkt haben. Einige leichte Diarrhöen waren bei Wärtern und Kranken vorgekommen und bereits geheilt, eine nahrhafte und leicht verdauliche Diät war seit längerer Zeit angeordnet und pünktlich befolgt, als am 23. Juli die Cholera plötzlich bei einem jungen, kräftigen Frauenzimmer ausbrach, welches seit mehreren Jahren an Manie gelitten hatte und deshalb stets strenge isoliert gehalten war. Außer unvermeidlicher Unreinlichkeit waren begünstigende Einflüsse für den Ausbruch der Krankheit bei ihr nicht nachweisbar und Diätfehler fast unmöglich. Die Kranke wurde schwer ergriffen, erholte sich indessen und überstand sogar mehrere Rückfälle mit glücklichem Ausgange. Sie bewohnte ein Zimmer in der ersten, für weibliche Kranke bestimmten Etage der Anstalt. Auf ihre Nachbarschaft verbreitete sich die Cholera zunächst nicht, sondern ergriff am 26. Juli mit Überschlagung der zweiten, für männliche Kranke erster und zweiter Klasse bestimmten Etage, die dritte, mit männlichen Kranken dritter Klasse besetzte Etage. Ein Verkehr zwischen diesen Etagen fand durchaus nicht statt. Diese zweite Erkrankung betraf einen seit Jahren an Blödsinn leidenden, abgemagerten, aber körperlich ziemlich kräftigen Kranken, welcher am 28. Juli der Krankheit erlag. Hier in der dritten Etage machte die Cholera schnelle und bösartige Fortschritte. Erst später ergriff sie auch die zweite Etage, wo die Zahl der Befallenen aber sehr beschränkt blieb, obgleich deren Bewohner, sowohl Irre wie Wärter, stets in ununterbrochener Verbindung mit der dritten Etage standen.
Vom 28. Juli ab zeigten sich in längeren Zwischenzeiten noch einige fernere Choleraerkrankungen unter den weiblichen Irren, doch blieben sie auch hier auf die dritte Klasse allein beschränkt, obgleich diese mit der ersten und zweiten weiblichen Klasse in einer Etage liegt und die Wärterinnen mit Gesunden und Kranken aller Klassen verkehrten.
In allen drei Etagen bot die Weiterverbreitung der Cholera in Beziehung auf Nachbarschaft und Verkehr keine festen Anhaltspunkte dar, sondern erfolgte in entgegengesetzten Richtungen und anscheinend unter den verschiedenartigsten Verhältnissen. Eine Wärterin erkrankte und genas. Ein Wärter wurde unter augenscheinlichem Einfluss deprimierenden Gemütsaffektes, ein anderer, neu adhibierter, nach einem von ihm begangenen Exzess befallen; beide starben.
Bis zum 6. August fuhr die Krankheit fort, sich in der dritten Etage unter den männlichen Irren 3. Klasse mit bösartigem Charakter zu verbreiten. Da die Krankenlokale hier etwas dichter bewohnt sind, so wurde einen, ansehnlichen Teil der Patienten ein entfernt liegendes geräumiges Lokal als Schlafstelle angewiesen, während des Tags wurden dagegen die bisherigen Wohn- und Gesellschaftszimmer der 3. Klasse beibehalten. Von diesem Augenblick, dem 6—7. August an, kamen überhaupt nur noch bis zum 9. August zwei schwere Erkrankungen vor; die ferner noch bis zum 19. August erfolgten waren entschieden leichteren Charakters und endigten mit Genesung.
Von den nächtlich ausquartierten, am Tage aber unter unveränderten Verhältnissen die 3. Etage bewohnenden Irren erkrankte kein Einziger und auch in den dem neuen Schlaflokal zunächst liegenden, bewohnten Räumlichkeiten kam keine Choleraerkrankung vor. Von den mit Reinigung der Wäsche beauftragten Personen und Anderen, die mit ähnlichen Gegenständen in unvermeidlicher, teilweise selbst dauernder Berührung standen, erkrankte kein Einziger, weder während des Auftretens der Cholera in der Anstalt selbst, noch nachdem sie hier aufgehört hatte, aber noch im westlichen Teile der Stadt fortbestand.
In der näheren Nachbarschaft des Katharinen-Stifts ist nur ein einziger Todesfall vorgekommen, nämlich in dem der Anstalt gegenüber liegenden Hause Nr. 2. Dagegen hat die Fortsetzung dieser Straße gegen Osten, der Amberg, ziemlich heftig gelitten. Die Straße senkt sich in einer Strecke von etwa 30 Fuß um ungefähr 20 Fuß vom alten Markt her gegen das obere Ende der Faulenstraße und das Katharinen-Stift. Sie hat 17 Häuser und von den 4 in ihr vorgekommenen Todesfällen ereignete sich je einer in dreien von den 10 Häusern der Nordseite, während nur ein einziger in dem am tiefsten gelegenen von den 7 Häusern der Südseite vorkam.
Parallel mit der Faulenstraße verläuft östlich von derselben die gleichfalls gegen den Strand ausmündende Wendenstraße mit 3 Häusern auf ihrer westlichen und mit 8 Häusern auf ihrer östlichen Seite. Sämtliche 5 in der Straße vorgekommenen Todesfälle verteilen sich, mit Ausnahme eines einzigen, bei dem die Wohnung nicht mehr zu erfahren war, auf 4 Häuser der Ostseite. Ihr höchster Punkt befindet sich bei dem Eckhause Nr. 1, 21 ¾ Fuß, und ihr tiefster beim
Tor, 1 ¾ Fuß über dem Spiegel der Ober-Warnow. Die Einmündungsstelle der Kohlgärtnerstraße liegt 5 ½ Fuß hoch.
Die Wendenstraße wird mit der Faulenstraße durch eine Quergasse, die Kohlgärtnerstraße, verbunden, welche auf feuchtem Terrain und am Fuße der nördlichen Abdachung des Hügels der Altstadt liegt. Von ihren 12 Häusern gehören 10 der nördlichen Seite an und in diesen 10 Häusern sind 9 Todesfälle vorgekommen, während einer sich in dem auf der Südseite gelegenen Hause Nr. 2 ereignete. Die Zahl der im Ganzen angemeldeten Erkrankungen beträgt 15. Die 9 Todesfälle der Nordseite verteilen sich auf 5 in ununterbrochener Reihe von Nr. 4—8 neben einander liegende Häuser. Sie werden fast durchweg von Arbeitsleuten und einzelnen kleinen Handwerkern bewohnt und sind zum Teil stark mit Menschen überfüllt. So wohnen in dem keineswegs besonders geräumigen Hause Nr. 7, welches 2 Todesfälle hatte, nicht weniger als 7 Familien. Das Haus Nr. 8, mit 3 Todesfällen, ist ebenfalls eng bewohnt und hat einen sehr kleinen, fast ringsherum bebauten Hof, auf dem aber weder eine Dunggruben, noch sonstige Anhäufungen von Fäulnisprodukten vorkommen. Ein in der Mitte des Hofes befindlicher Brunnen enthält trübes Wasser und wird aus diesem Grunde angeblich nur zu Reinigungszwecken benutzt. Der Wassergehalt des Brunnens war schon lange Zeit vor dem Ausbruch der Epidemie ein sehr sparsamer gewesen, auch ein niedriger Keller, welcher sonst in der Regel voll Wasser stand, hatte eben so lange trocken gelegen. Sämtliche 3 Todesfälle und die Mehrzahl der Erkrankungen kamen in der Hofwohnung vor.
In der südlich von der Petri-Kirche gelegenen Häuserreihe, gegen welche das Terrain vom alten Markt und vom Petri-Kirchhofe aus bedeutend sinkt, sind 5 Erkrankungen vorgekommen. Zwei derselben endeten tödlich; doch ließ sich für beide Fälle die Wohnung nicht mehr auffinden.
Eine relativ sehr geringe Zahl von Erkrankungen ist in den vor dem Petri- und Mühlentor gelegenen Vorstädten vorgekommen, obgleich die Häuser hier größtenteils tief und in der Nähe der Warnow oder der, ihre Ufer hie und da begrenzenden Wiesen gelegen sind. Am Petri-Damm, dessen Anwohner meistens kleinere Ackerwirtschaften betreiben, kamen nur zwei Erkrankungen und ein Todesfall vor. Am Mühlendamm, dessen 13 Häuser der Mehrzahl nach auf allen Seiten von dem Wasser der Warnow umflossen sind und durchweg auf einem feuchten und lockeren Boden stehen, ereigneten sich drei Todesfälle.
Großes Interesse gewährt ein Vergleich zwischen der Ausdehnung der beiden früheren Choleraepidemien an der Grubenstraße mit der Epidemie von 1859, Während in den Jahren 1832 und 1850 die Krankheit in dieser Straße eine sehr bedeutende Verbreitung zeigte, blieb sie in der letzten Epidemie auf einige wenige Fälle beschränkt. Der günstige Einfluss einer mit faulenden Stoffen geschwängerten Atmosphäre und einer Durchtränkung des Bodens mit ähnlichen Substanzen auf die Entwicklung der Krankheit tritt hier recht deutlich zu Tage. Durch die Straße verläuft ein Kanal, der einen Seitenzweig der Ober-Warnow mit der Unter-Warnow verbindet. Zur Zeit der beiden ersten Epidemien diente dieser, häufig sehr wasserarme Kanal zur Aufnahme der Straßenabflüsse aus einem großen Teil der Alt- und Neustadt; die faulenden Stoffe stagnierten in seinem offenen Bette, verdarben die Luft und sickerten durch die nur lose und lückenhaft mit Steinen bekleideten Wandungen in das benachbarte Erdreich. Jetzt ist bereits seit 6 Jahren das Wasser in einen gemauerten Tunnel eingeengt. Die Ausdünstung und Infiltration des in denselben fließenden Straßenwassers wird nun verhütet und die letzte Epidemie scheint den Beweis zu liefern, dass die Straße durch diese Verbesserung von einer der mächtigsten Hilfsbedingungen für die Verbreitung der Cholera befreit worden ist.
Die beiden, an ihrem südlichen Ende (Mühlenstraße 1) vorgekommenen Todesfälle sind bereits oben erwähnt. Außer diesen kamen in den 63 Häusern, welche die Straße umfasst, nur noch drei tödliche Erkrankungen vor, die eine in Nr. 21, die zwei anderen in Nr. 27, demselben Hause, in welchem die vom 10. Juni bis Anfang Juli in Rostock verweilende Reitergesellschaft häufig verkehrt hatte, in welchem ferner die Eltern des in der Faulenstraße 14 verstorbenen Kindes (erster Todesfall der Epidemie) wohnten. Zwischen diesem Todesfalle und den späteren im Hause Nr. 27 lag eine Zeit von 5—7 Wochen.
So verlief die Epidemie in den einzelnen Straßen der Altstadt. Ein Überblick über ihren Gang und ihre Ausbreitung im Großen und Ganzen führt zu dem nachfolgenden Ergebnis.
Nachdem am 5. Juli in der Faulen-Straße, an einem der tiefst-gelegenen Punkte der Stadt, der erste tödliche Fall vorgekommen war, zeigten sich wenige Tage später in der am höchsten gelegenen Gegend der Altstadt, am alten Markt, die nächsten Fälle (10. Juli). Hier erreichte die Epidemie schnell eine bedeutende Höhe und war bereits im Sinken, als die Anzahl der Fälle in der Faulen-Straße sich mehr und mehr steigerte (25—28. Juli). Fast gleichzeitig mit dem Beginn der Todesfälle am alten Markt traten auch am Gerberbruch (10. Juli)und etwas später in der Wollenweberstraße (12. Juli) und kleinen Goldstraße (12. Juli) die ersten tödlichen Erkrankungen auf, dann wurden, etwa eine halbe Woche später, ebenfalls fast gleichzeitig der Amberg (16. Juli), die Wenden- (15. Juli), Lohgerber- (15. Juli), Gärtnerstraße (16. Juli) und der Küterbruch (16. Juli) ergriffen. Einige Tage später ereignete sich die erste Gruppe der Erkrankungen am Beguinenberg (20. Juli) und es kam der erste Todesfall in der Altschmiedestraße (20. Juli) und in der Häuserreihe am Petri-Tor vor (19. Juli). Dann begann die sehr heftige Epidemie am Fischerbruch (21. Juli) und einige Tage, bevor dieselbe ihr erstes Maximum erreichte, traten die ersten Todesfälle am Nicolai-Kirchhofe (25. Juli), hinter der Mauer (25. Juli), am Mühlendamm (27. Juli), im Katharinen-Stift (28. Juli) auf. Überall auf der Altstadt war die Krankheit entweder erloschen oder doch bedeutend im Sinken begriffen, als die ersten Fälle in der Grubenstraße (10. August) beobachtet wurden, und, als endlich die Hausepidemie an der Fischbank Nr. 7 ihren Anfang nahm (22. August), hatte die epidemische Verbreitung bereits überall auf der Altstadt, mit Ausnahme des Fischerbruches, aufgehört. Vereinzelte Fälle kamen später noch vor in der Faulen-Straße, (25. August), am alten Markt (24. August), beim Katharinen-Stift (1. Septbr.), oben am Gerberdruch (12. Septbr.) und endlich beschloss am 6. Oktbr. der Fall Wollenweberstraße 1 die Epidemie in der ganzen Stadt.
Als Folge dieses Terrainverhältnisses stagnieren in den unteren Teilen der Straße die Abflüsse aus einzelnen höher gelegenen Gegenden der Altstadt, namentlich in der Nähe des Tores sind die Rinnsteine überfüllt und verbreiten üblen Gerüche.
Das an dem Strandende der Straße gelegene Haus Nr. 14, in welchem der mehrfach erwähnte erste Cholerafall verlief, steht auf einem den angrenzenden Boden um mehrere Fuß überragenden Fundament, ist reinlich und geräumig und hat einen zwar kleinen Hof, der aber tiefer liegt, als das Haus und weder eine Schwindgrube unter der Latrine, noch ein Dunglager enthält.
Das Haus Faulestraße Nr. 10, in welchem drei Todesfälle vorkamen, ist schon etwas dichter bewohnt, als No. 14 und hat einen Flügel, welcher in seiner ganzen Länge auf den schmalen Hof des Hauses sieht. Das Terrain des Hofes steigt gegen Westen, also in der Richtung vom Hause ab etwas empor und am Ende des Hofes befindet sich eine Reihe von Latrinen über einer seitlich mit Brettern, am Boden gar nicht bedeckten Schwindgrube, welche etwa alle drei bis vier Monate ausgefahren wird. Die Zahl der aus dieser Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 27, die Zahl der Todesfälle 12.**) Letztere verteilen sich auf 9 Häuser und von diesen 9 Häusern kommen 3 mit 3 Todesfällen auf den oberen größeren Abschnitt der Straße, welcher im Ganzen 15 Häuser umfasst, während 6 Häuser mit 9 Todesfällen auf den unteren kleineren, im Ganzen nur 9 Häuser umfassenden Abschnitt der Straße fallen. Zwischen dem ersten und zweiten Todesfall in der Straße lag eine freie Zeit von 14 Tagen, in den dann folgenden 10 Tagen häuften die Fälle sich mehr und mehr und die Epidemie erreichte in der Straße am 27—28. August mit 4 Todesfällen ihren Gipfel. Vom 31. Juli bis 26. August kamen nur noch 3 und später keine Todesfälle mehr vor.
*) Zu den Höhenangaben vgl. die vom Herrn Landesrevisor und Kammeringenieur Saniter angefertigte Tab. 2 des Anhanges.
**) Tab. 1 im Anhange enthalt eine übersichtliche Darstellung sämtlicher tödlicher Cholerafälle in Rostock nach Tagen, Straßen und Hausnummern.
In der Zeit vom 8. bis 22. Juli, wo in der faulen Straße nur ein einziger Todesfall beobachtet wurde, hatte die Epidemie sich in einem der höchsten und luftigsten Teile der Stadt, am alten Markt, zu einer ziemlich bedeutenden Höhe entwickelt. Die epidemische Verbreitung zeigte sich an diesem Platze und in einigen ebenfalls hoch gelegenen Nachbarstraßen früher, als in irgend einem andern Teile der Stadt, und es müssen daher diese höchstgelegenen Gegenden der Altstadt als diejenigen Punkte angesehen werden, in welchen die Bedingungen für die Entwicklung der Krankheit am frühesten in ausgedehntem Maße vorhanden waren.
Der höchste Punkt am alten Markt liegt in der Nähe des Hauses Nr. 19 und befindet sich 41 ½ Fuß über dem Nullpunkt der Warnow, also 27 ¾ Fuß über dem höchsten und 41 ¼ Fuß über dem tiefsten Punkte der Faulenstraße, welche vor dem Beginne der Epidemie am alten Markt allein und zwar an ihrem tiefsten Punkt einen Todesfall gehabt hatte. Das Terrain des Platzes stellt eine fast ebene Fläche dar mit einem geringen Gefälle gegen NW., dergestalt, dass der niedrigste Punkt des Platzes an seiner nordwestlichen Ecke beim Hause Nr. 19 eine Höhe von 32 Fuß hat. Die südlich und östlich von der Petri-Kirche gelegenen Häuser werden am passendsten zum alten Markt gerechnet, obwohl sie offiziell unter dem Namen „bei der Petri-Kirche“ zusammengefasst werden. Die östliche Häuserreihe bei der Petri-Kirche liegt noch etwas höher, als ihre zum alten Markt gerechnete Fortsetzung. Die nördliche Ecke derselben, das Haus Nr. 3, hat nämlich eine Höhe von 44 1/4 über der Ober-Warnow.
Der alte Markt ist größtenteils mit Arbeitsleuten und Gewerbetreibenden bevölkert; unter letzteren finden sich viele Gerber; das Haus Nr. 16 ist ein Asyl für bejahrte Frauen und wird von etwa 300 Personen bewohnt.
Aus den Häusern, welche an der Ostseite des alten Marktes und der Lohgerberstraße bis zum Küterbruch und südöstlich von der Petri-Kirche liegen, fließen der Küchenspülicht und andere Auswurfsstoffe in etwa 7 offene unausgemauerte Gruben, die sich am äußeren Rande der Stadtmauer auf der Höhe des hier sehr steil abfallenden Terrains befinden. Aus dem Hause bei der Petri-Kirche, Nr. 9, soll sogar der Inhalt der Latrinen auf demselben Wege fortgeschafft werden.
Die ersten Cholerafälle am alten Markt kamen in dem auf der Westseite des Platzes gelegenen Hause Nr. 27 vor, einem großen Gebände, welches von 9 Familien bewohnt wird. Die Wohnlokalitäten befinden sich zum Teil in dem kaum einige Fuß unter dem Niveau des anliegenden Territoriums gelegenen Keller, zum Teil in dem etwa 10 Fuß höher gelegenen Parterreraum, ferner im ersten Stock und in einem Hofgebäude. Hinter dem Hause senkt das Terrain sich allmählich in einer Strecke von etwa 20 Fuß gegen die Stadtmauer zu. Der Platz zwischen Haus und Stadtmauer wird von Hof und Garten eingenommen. Ersterer enthält einen Viehstall, ein Dunglager und eine Latrine mit darunter befindlicher und an ihren Seitenwänden mit Brettern ausgekleideter Schwindgrube. Die einzelnen Wohnlokalitäten im Hause sind geräumig, nicht mit Menschen überfüllt. Die in diesem Hause vorgekommenen 6 Todesfälle verteilen sich auf die Zeit vom 9—18. Juli. Von denselben kommt auf die Kellerwohnung, die erste Etage und die Hofwohnung je einer, auf die Parterrewohnung kommen 3.
Gleichzeitig mit diesen Todesfällen kamen auch in zwei Nachbarhäusern tödliche Erkrankungen vor, nämlich in Nr. 22 am 13—14 Juli, in Nr. 1 am 18. Juli. In dem letzteren Hause, dem Garnisonslazarett, war am 17. Juli ein Krankenbestand von etwa 32 Mann, darunter 12 Diarrhoekranke, welche wegen anderer Affektionen rezipiert waren. In der Nacht zum 18. Juli erkrankten gleichzeitig an Cholera 3 Mann, darunter die beiden Diarrhoekranken; von diesen starb einer nach 10 Stunden, während die beiden anderen genasen. Ein vierter Mann, welcher wegen einer Kontusion im Hospital lag, wurde am 18ten Morgens entlassen und begab sich in seine Wohnung, Kuhstraße 21, kehrte aber schon am folgenden Tage cholerakrank ins Lazarett zurück. Unmittelbar nach dem Eintritt der ersten Erkrankungen wurden alle anderen Kranken aus dem Lazarett in ein entlegenes Hilfslazarett gebracht und das Militärhospital lediglich für die Aufnahme cholerakranker Soldaten bestimmt. Von den translozierten Leuten wurde später noch einer ergriffen. Im Hospital selbst kamen leichte Cholerafälle unter der Familie des Oberkrankenwärters vor; von den sukzessive verwandten 9 Wärtern erkrankte dagegen Niemand.
Der alte Markt umfasst mit Einschluss des Häuserkomplexes „bei der Petri-Kirche“ 38 Häuser. An dem ganzen Platze sind 38 Erkrankungen vorgekommen, von denen 20 ein tödliches Ende hatten. Diese 20 Todesfälle verteilen sich, nach Abrechnung zweier, bei denen die Wohnung nicht mehr nachweisbar war, auf 11 Häuser, und zwar kommen auf die, 15 Häuser der Ostseite des Platzes 6 Häuser mit 11 Todesfällen, auf die 8 Häuser der Südseite 2 Häuser mit 2 Todesfällen, auf die 10 Häuser der Westseite 2 Häuser mit 3 Todesfällen, auf die 3 Häuser der Nordseite 2 Häuser mit 2 Todesfällen.
Die Lohgerberstraße verbindet die südöstliche Ecke des alten Marktes mit dem Platze bei der Nicolaikirche. Ihr Terrain senkt sich vom alten Markt bis zu der Stelle, wo die große Goldstraße und der Gerberbruch in sie einmünden; dann steigt es allmählich bis in die Nähe des Nicolaikirchhofes. Ihr höchster Punkt liegt beim Hause Nr. 1 (35 Fuß hoch), ihr tiefster Punkt bei der Einmündungsstelle des Gerberbruches (25 ½ Fuß hoch). Die Bevölkerung hat ähnliche Beschäftigungen, wie am alten Markt, namentlich wohnen auch hier viele Gerber.
Die ersten Todesfälle kamen in den zwischen altem Markt und Küterbruch auf der Ostseite gelegenen Häusern vor, welche in unmittelbarem Zusammenhange mit der östlichen Häuserreihe des alten Marktes stehen. Die Zahl der aus dieser Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 22, die Häuserzahl 37. Von den Erkrankten sind 11 gestorben und von diesen Todesfällen kommen 6 auf drei unter den 6 Häusern, welche auf der Ostseite der Straße zwischen altem Markt und Küterbruch liegen, während die übrigen 5 Todesfälle in 4 Häusern der südlichen Hälfte der Straße vorkamen, welche eine Anzahl von 30 Häusern umfasst. Das Haus Nr. 18, auf der Ostseite des nördlichen Straßenabschnittes gelegen, hat 4 Todesfälle gehabt, welche sich auf den Zeitraum vom 15. Juli — 16. August verteilen. Zwei dieser Fälle kommen auf eine kleine, hofwärts in einem Flügel gelegene Wohnung. Der Hof ist geräumig und grenzt an einen bis zur Stadtmauer reichenden Garten, enthält aber eine ebenfalls nur an den Seitenwänden mit Brettern bekleidete Schwindgrube unter der Latrine. Das Terrain senkt sich vom Hause gegen die Stadtmauer.
Die mit der Südseite des alten Marktes parallel laufende kleine Goldstraße senkt sich in geringem Grade von Westen gegen Osten. Ihr höchster Punkt liegt 36 1/4, ihr tiefster 34 ¼ Fuß über der Ober-Warnow. Sie hat 8 Häuser; die Zahl der aus der Straße gemeldeten Erkrankungen beträgt ebenfalls 8. Von den 5 Todesfällen, welche in der Straße vorkamen, fallen 4 auf 4 Häuser; von einem konnte das Haus nicht mehr konstatiert werden.
Der erste Todesfall kam in der dem alten Markt zunächst gelegenen Häuserreihe vor. Das Haus Nr. 6 hat 4 Cholerafälle gehabt. Dasselbe ist zahlreich bewohnt, hat dumpfige, niedrige, kalte, mit wenigen Fenstern versehene Stuben und auf dem Hofe einen offenen Rinnstein, welcher die Abflüsse aus der Latrine und dem Viehstall frei in den Rinnstein der Straße führt.
Am Küterbruch, welcher die östliche Fortsetzung der kleinen Goldstraße bildet, senkt das Terrain sich anfangs sehr bedeutend, um dann ziemlich plötzlich eine fast vollkommen horizontale Beschaffenheit anzunehmen. Wohnungen befinden sich nur in dem unteren, wenige Fuß über der Ober-Warnow gelegenen Teil der Straße, welcher mit seinem östlichen Ende an einen die Ober-Warnow mit der kleinen Unter-Warnow verbindenden schmalen Kanal stößt; mit diesem Kanal stehen teils in direkter, teils in indirekter Communication ähnliche Kanäle, welche in der Mitte des Fischer- und Gerberbruches und zwischen den beiden einander zugekehrten Häuserreihen dieser Straßen verlaufen. Oberhalb dieses Grabens, am unteren Ende des Küterbruches befindet sich ein umfängliches Bassin, welches die Abflüsse aus einem Teil der Lohgerberstraße, kleinen Goldstraße und des Küterbruches aufnimmt. In dem Bassin lagern sich dann die festeren Teile der Abfallstoffe ab, während die flüssigen durch vielfache Öffnungen in das vorbeifließende Wasser sickern. Das Bassin ist nur so weit bedeckt, um einen Übergang zu der, unmittelbar neben ihm befindlichen Abwaschstelle herzustellen. Zu beiden Seiten dieser Stelle stehen Latrinen über dem Wasser, aus denen die Entleerungen direkt in das Wasser gelangen. Vom Küterbruch sind 8 Erkrankungen mit 5 Todesfällen angemeldet. Die Straße hat 9 Häuser und wird fast nur von Arbeiterfamilien bewohnt.
Am Gerberbruch kam der erste tödliche Cholerafall an demselben Tage vor, wie am alten Markt. Die Straße liegt tief, wenige Fuß über dem Flussspiegel und am Fuße des von der Lohgerberstraße her ziemlich steil abfallenden Hügels der Altstadt. Ihr Boden ist locker und so feucht, dass man in der Regel schon in einer Tiefe von 2—3 Fuß auf Wasser stößt; deshalb sind die Häuser größtenteils auf Pfählen erbaut und haben keine Keller. Nach Südost öffnet die Straße sich gegen die Warnow und in ihrer Mitte verläuft ein mit der Warnow kommunizierender Graben, dessen Wasser von den hier in großer Zahl wohnenden Gerbern für technische Zwecke benutzt wird. Die erste Erkrankung an der Cholera, welche auch ein tödliches Ende nahm, ereignete sich in Nr. 30, einem kleinen, tief liegenden Hause mit sehr engen und niedrigen Zimmern und einem unmittelbar angrenzenden Hofraum, auf dem mehrere Viehställe, eine Latrine mit Schwindgrube und ein Dunglager befindlich sind. In diesem und in dem benachbarten Hause, welches zwar geräumiger ist, aber auf dem Hofe ähnliche Verhältnisse zeigt, kamen nicht weniger, als 6 Todesfälle vor, welche sich auf die Zeit vom 10. Juli bis zum 2. August verteilten. In derselben Zeit verlief die Epidemie auch in den übrigen infizierten Häusern des Gerberbruches mit Ausnahme eines Todesfalles in Nr. 8, welcher erst am 5 August eintrat. Der Gerberbruch hat 43 Häuser, von denen 18 auf seine nördliche, 25, auf seine südliche Seite kommen. Die Zahl der aus der Straße angemeldeten Erkrankungen beträgt 14, die Zahl der Todesfälle 13. Von diesen kommen auf 3 Häuser der nördlichen Seite 3, auf 4 Häuser der südlichen Seite 8, während bei 2 die Wohnung nicht mehr genau zu bestimmen war.
Oberhalb des Gerberbruchs befindet sich, noch auf der südöstlichen Abdachung des Hügels der Altstadt liegend, eine in gleicher Linie mit dem Gerberbruche verlaufende kurze Straße, welche von jenem durch den am Ostende des Küterbruches befindlichen Graben getrennt wird. Die Straße hat eine Länge von etwa 14 Ruthen und senkt sich in dieser kurzen Strecke von 25 1/2 auf 15 ½ Fuß. Die 6 Häuser, aus welchen sie besteht, blieben anfangs vollkommen verschont. Erst am 12. September, zu einer Zeit, wo die Epidemie in diesen Gegenden längst ihr Ende erreicht hatte, kam in dem Hause Nr. 3 ein vereinzelter Todesfall vor.
Parallel mit dem Gerberbruch verläuft in derselben Ebene und auf gleichem Terrain der Fischerbruch, welcher in der Mitte ebenfalls von einem Kanal durchschnitten wird und vom Gerberbruch durch Gärten, Höfe und einen schmalen Graben getrennt wird, der zunächst mit jenem Kanal, durch diesen aber auch mit den übrigen Gräben jener Gegend in Verbindung steht. In diesen, zwischen Fischer- und Gerberbruch befindlichen Graben entleert sich eine große Menge des Abflusses aus Ställen und Dunghaufen der anliegenden Höfe und über ihm ist eine Reihe von Latrinen in der Weise errichtet, dass die Ausleerungen von denselben direkt in den Graben gelangen. Wenn es wahr ist, und glaubwürdige Mitteilungen lassen kaum daran zweifeln, dass aus diesem und dem in der Mitte der Straße gelegenen Graben von den Anwohnern desselben das Wasser zum Kochen und selbst zum Getränk benutzt wird, so liegt hierin wahrscheinlich einer der Gründe, welche das heftige Auftreten der Cholera bei allen drei Epidemien in diesen Gegenden und besonders am Fischerbruch begünstigt haben.
Aus den 46 Häusern dieser Straße sind nämlich 51 Erkrankungen angemeldet und von diesen haben 32 ein tödliches Ende genommen. Die Todesfälle verteilen sich in der Weise, dass auf die 23 Häuser der Nordseite 15 fallen, welche in 11 Häusern vorgekommen sind. Auf die 19 Häuser der Südseite fallen nur 7 Todesfälle in 5 Häusern und die vier Häuser endlich, welche, etwas separiert von den übrigen mit der Fronte gegen NW. liegen, hatten je einen tödlichen Cholerafall. Von 6 Verstorbenen konnte die Wohnung nicht mehr genau nachgewiesen werden.
Die Epidemie begann am Fischerbruch am 21. Juli und schloss am 28 August. Am 9. September kam indes noch ein isolierter Todesfall vor.
Während nun so in diesen südlich und südöstlich vom alten Markt gelegenen Gegenden die Epidemie eine sehr ergiebige Verbreitung fand, zeigten die westlich und südwestlich von der Lohgerberstraße und vom alten Markt gelegenen Gegenden eine weit geringere Zahl von Todesfällen.
In der großen Goldstraße, welche südlich von der kleinen Goldstraße, parallel mit ihr und in gleicher Linie mit dem Gerberbruch verläuft und 9 kleine und gedrängt stehende Häuser umfasst, aus welchen die Auswurfsstoffe vielfach auf die Straße stießen, kam nur ein einziger Todesfall (Nr. 5) vor; weitere Erkrankungen wurden hier ebenfalls nicht beobachtet. Die Straße liegt noch etwas tiefer, als die kleine Goldstraße. Ihr höchster Punkt befindet sich nämlich 30 3/3 Fuß, ihr tiefster Punkt 29 ½ Fuß über der Ober-Warnow.
Am Nicolaikirchhof, auf welchen die Lohgerberstraße nach Süden ausmündet, kam je ein Todesfall in 3 unter den 11 Häusern vor, welche unter jenem Namen zusammengefasst werden. Die südlich vom Nicolaikirchhofe in einem Bogen sich hinziehende Reihe von 8 Häusern führt den Namen „beim Schwibbogen“. In ihnen kam nur ein einziger Todesfall vor. Der ganze Straßenkomplex endlich, welcher vom Bagehl, dem unteren Ende der neuen Wallstraße von Nr. 9—7, dem oberen Abschnitte der Grubenstraße bis Nr. 60, den kleinen von dort in die Wollenweber- und Altschmiedestraße führenden Quergässchen und den nordwestlich und westlich von der Nicolaikirche gelegenen Häusern begrenzt wird, hatte nur zwei Todesfälle aufzuweisen. Beide ereigneten sich in einer Kellerwohnung des Hauses Mühlenstraße II. Dies Haus ist das Eckhaus der Grubenstraße; der Eingang zu der Kellerwohnung, in welcher die Todesfälle vorkamen, öffnet sich gegen diese Straße und deshalb sind diese beiden Todesfälle mit zur Grubenstraße gerechnet.
Hier mögen auch die am Beguinenberg, hinter der Mauer und am Herrenstall vorgekommenen Todesfälle ihre Erwähnung finden. Die Straßen, in welchen sie vorkamen, gehören freilich der Neustadt an, find aber von dem eigentlichen Herde der Neustädter Epidemie so weit entlegen, dass ihre Betrachtung im Zusammenhange mit der Epidemie auf der Altstadt natürlicher erscheint.
Für die ersten Fälle am Beguinenberg ist dieser Zusammenhang sogar mit Bestimmtheit nachweisbar. Hier erkrankte nämlich am 19. Juli in den, Hause Nr. 5 eine auf der Altstadt stark beschäftigt gewesene Leichenkleiderin, Sie verstarb nach 26 Stunden und ihre Leiche blieb ohne genügende Desinfektion in einem kleinen, neben dem einzigen Wohnzimmer der zahlreichen Familie gelegenen Alkoven vier Tage lang stehen. Am 22. Abends 6 Uhr, erkrankte und starb nach 9 Stunden die 5jährige Tochter der Verstorbenen, dann starb am 24. Abends 9 Uhr nach 24stündiger Krankheit eine zweite Tochter von 11 Jahren. Nun räumte die Familie das inzwischen von den anderen Bewohnern schon verlassene Haus und hat seitdem keinen Erkrankungsfall mehr gehabt. Der im Parterre wohnende Besitzer des Hauses war kurz nach dem Ausbruch der Cholera in der Wohnung des ersten Stockes mit seiner Familie nach Nr. 28 derselben Straße gezogen. Er selbst und seine Angehörigen blieben gesund; aber am 19. Und 20. August (vier Wochen nach dem letzten Todesfalle in Nr. 5) verstarben in Nr. 28 zwei Personen. Weitere tödliche Erkrankungen sind in dieser Straße nicht vorgekommen. Die beiden Häuser, auf welche die Todesfälle beschränkt blieben, sind geräumig, mit großen Höfen und anscheinend frei von den die Verbreitung der Cholera in der Regel begünstigenden Einflüssen. Das Terrain der Straße senkt sich von der Steinstraße bis zur Wasserstraße in einer Strecke von 40 Ruthen um 29 ½ Fuß. Die Ausmündungsstelle in die Steinstraße hat nämlich eine Höhe von 49 ¾ Fuß, die Ausmündungsstelle in die Wasserstraße von 20 ¼ Fuß.
In der Zeit, welche zwischen der ersten und zweiten Gruppe der Todesfälle am Beguinenberg lag, kam in dem Hause Nr. 5 hinter der Mauer beim Steintor eine heftige Hausepidemie vor, welcher in der kurzen Zeit vom 25. Juli — 1. August nicht weniger, als 4 Personen erlagen. Die Straße hat nur auf einer Seite Häuser und wird durchweg von armen Leuten bewohnt. Das infizierte Haus ist klein, eng und, wie die Mehrzahl der Nachbarhäuser, ohne Hofraum. Alle Abfälle werden daher aus den Wohnungen auf die Straße geschüttet, in deren Mitte ein breiter Rinnstein verläuft. Den Häusern gegenüber an der Innenwand der Stadtmauer erblickt man eine Reihe von Latrinen mit Kübeln, welche zweimal wöchentlich ausgeräumt werden.
Am Fuße des Beguinenberges, dessen Terrain namentlich in seiner unteren Hälfte ziemlich rasch abfällt, liegt in fast gleicher Ebene mit der Grubenstraße ein Komplex von 9 Häusern mit dem Namen „am Herrenstall“. In Nr. 8 derselben kam am 25. Juli ein Todesfall vor, dem weitere Erkrankungen nicht folgten.
Eine etwas größere Verbreitung, als in den am südwestlichen Ende der Altstadt gelegenen Gegenden, zeigte die Cholera in demjenigen Straßenkomplex, welcher eingeschlossen wird von der Westseite des alten Marktes, der Altschmiedestraße, den kleinen Verbindungsgassen dieser mit der Wollenweberstraße und der Grubenstraße, dem mittleren Teil dieser letzteren, der Straße beim Katharinen-Stift und dem Amberg. Doch kam es auch hier, wenn man die Nordseite der Straße beim Katharinen-Stift ausnimmt, kaum Irgendwo zu einer eigentlichen Straßenepidemie.
Die Altschmiedestraße hatte in dieser Gegend noch relativ am heftigsten zu leiden. Sie verläuft parallel der Lohgerberstraße, wird mit dieser durch die beiden Goldstraßen verbunden und liegt in ihrem höchsten, bei der Einmündungsstelle in den alten Markt gelegenen Punkte 38 ½ Fuß, in ihrem tiefsten, beim Hause Nr. 32 befindlichen Punkte 29 ¼ Fuß über dem Niveau der Unter-Warnow, also durchweg etwas höher, als die Lohgerberstraße. Die Zahl der aus der Altschmiedestraße angemeldeten Erkrankungen beträgt nur 6 mit 4 Todesfällen bei einer Häuserzahl von 36. Von den Todesfällen kommen 2 auf die Westseite mit 17 Häusern, 1 auf die Ostseite mit 19 Häusern und bei einem Todesfall war die Wohnung nicht mehr genau zu bestimmen.
Mit der Altschmiedestraße verläuft, etwa 8—12 Fuß tiefer, als diese, die Wollenweberstraße. Zwischen beiden ist die Senkung des Terrains eine so bedeutende, dass man in einzelnen auf der Ostseite der Wollenweberstraße gelegenen Häusern aus dem ersten Stock auf die Höfe gelangt. In dieser ganzen östlichen Häuserreihe liegen also die Höfe höher, als die Erdgeschosse der Häuser. Die Straße hat eine Länge von etwa 75 Ruthen und eine Anzahl von 58 Häusern. Im Verhältnis zu dieser bedeutenden Ausdehnung ist sie nur in geringem Grade von der Cholera ergriffen worden. Es sind nämlich zwar 20 Erkrankungen, aber nur 8 Todesfälle aus derselben angemeldet, welche im Allgemeinen nicht in einem kleineren Teil der Straße, sondern meistens in weiter von einander entlegenen Punkten derselben vorgekommen sind. Nur zwei Todesfälle, von denen der eine bereits am 12. Juli eintrat, der andere am 20. folgte, ereigneten sich in demselben Hause, Nr. 31, welches wenige enge und kleine Zimmer, einen sehr kleinen Hofraum hat und von einer sehr zahlreichen und dürftigen Familie bewohnt wird. Gleichzeitig mit dem ersten Todesfall in diesem Hause erkrankte und verstarb gegenüber in Nr. 28 der Lichthaak S. Dieser war am 9. Juli nach Striesenow bei Laage (vergl. unten Striesenow) gereist, um mit seiner Frau und seinem Kinde seine dort wohnenden Schwiegereltern zu besuchen. Er kehrte am 10. gegen Abend von dort zurück, fühlte sich bald nach dem Genuss eines Glases Bier in Laage sehr unwohl, erkrankte in der Nacht mit heftigem Brechdurchfall und verstarb am 12. Juli. An demselben Tage erkrankte auch sein einjähriges Kind und zwei Tage später die Witwe, beide mit Ausgang in Genesung. Von den übrigen 5 Fällen sind 4 an weiter von einander entlegenen Punkten der Straße vorgekommen, bei einem konnte die Wohnung nicht mehr nachgewiesen werden. In dem Hause Nr. 1 ereignete sich der letzte Todesfall der ganzen Rostocker Epidemie. Es verstarb nämlich hier am 6. Oktober, nachdem bereits seit 14 Tagen eine tödliche Erkrankung nicht mehr vorgekommen war, die Frau eines Arbeitsmannes, welche am Tage vorher erkrankt war. Sie war in dem Hause Krämerstraße 19 häufig als Wäscherin beschäftigt gewesen und soll einige Tage vor ihrer Erkrankung die Wäsche eines dort am 2. September Verstorbenen gereinigt haben. Die Annahme, dass hierdurch ihre Krankheit veranlasst worden, erscheint indessen höchst zweifelhaft in Berücksichtigung der sicher konstatierten Tatsache, dass der Sohn dieser Frau, nachdem er an der Fischbank Nr. 5, wo schon früher 2 Cholerafälle vorgekommen waren, verkehrt hatte, am 29. September krank in das Haus seiner Eltern kam und hier mehrere Tage, freilich nicht an ausgebildeter Cholera, doch an ziemlich heftiger Cholerine behandelt wurde.
An der von Westen her in rechtem Winkel auf die Wollenweberstraße stoßenden Fischbank kam in dem Hause Nr. 7 am 21. August eine heftige Hausepidemie zur Entwicklung, welche bis zum 25. August dauerte und in dieser Zeit drei Todesfälle herbeiführte. Das auf der Südseite der Straße gelegene Haus Nr. 7 ist klein, mit Menschen überfüllt und liegt am Fuße eines, unmittelbar hinter ihm ziemlich stark gegen Südost ansteigenden Hügels. Der Hof liegt aus diesem Grunde um einige Fuß höher, als das Haus, und es ist nicht zu verkennen, dass die in großer Menge auf dem Hofe angesammelten menschlichen und tierischen Auswurfsstoffe sich gegen das Haus zu senken. Ein Teil dieser Stoffe wird freilich durch eine unter dem Hause verlaufende Rinne auf die Straße geleitet, eine auf dem Hofe befindliche Dunggrube, welche den Abfluss aus mehreren Viehställen aufnimmt, gibt aber hinreichende Gelegenheit zur Infiltration der flüssigen Teile dieser Auswurfsstoffe in das umgebende Erdreich.
Die Zahl der von der Fischbank angemeldeten Erkrankungen beträgt 11. Von diesen endete mit Ausnahme der erwähnten 3 Fälle in Nr. 7 nur noch ein einziger tödlich. Derselbe kam vor in Nr. 29, dem Eckhause des oberen, neustädtischen Teiles der Fischbank und der Grube.
Zwei Erkrankungen, von denen die eine ein tödliches Ende nahm, kamen um diese Zeit auch noch in der Diebsstraße vor, einer kleinen Verbindungsgasse zwischen der Wollenweberstraße und dem alten Markt.
Dagegen zeigte die Cholera am Amberg und in der Straße beim Katharinen-Stift, besonders in dem Stifte selbst, eine weit größere Ausbreitung, als in den südlich von dort gelegenen Gegenden der Altstadt.
Die Irrenheilanstalt St. Katharinen-Stift liegt an einer etwa 50 Fuß breiten Erweiterung der Straße. Während der Dauer der Krankheit, welche in der Anstalt sich über die Zeit vom 23. Juli bis 12. August ausdehnte, sind von den etwa 100 in ungefähr 50 Zimmern verteilten Bewohnern derselben 20 geisteskranke Männer, 6 geisteskranke Frauen, 2 Irrenwärter und 2 Irrenwärterinnen erkrankt und von diesen gestorben 7 geisteskranke Männer und 2 Irrenwärter. Auch im Jahr 1850 hat die Anstalt 4 ihrer Kranken an der Cholera verloren.
Ein direkter Verkehr der Bewohner der Anstalt mit den damals infizierten Häusern der Umgegend ist, soviel bekannt geworden, nicht vorgekommen. Die Kranken stehen überhaupt in der Regel nicht in freier Kommunikation mit der Stadt, der Verkehr der Wärter soll sich auf Angehörige der Anstalt beschränkt haben. Einige leichte Diarrhöen waren bei Wärtern und Kranken vorgekommen und bereits geheilt, eine nahrhafte und leicht verdauliche Diät war seit längerer Zeit angeordnet und pünktlich befolgt, als am 23. Juli die Cholera plötzlich bei einem jungen, kräftigen Frauenzimmer ausbrach, welches seit mehreren Jahren an Manie gelitten hatte und deshalb stets strenge isoliert gehalten war. Außer unvermeidlicher Unreinlichkeit waren begünstigende Einflüsse für den Ausbruch der Krankheit bei ihr nicht nachweisbar und Diätfehler fast unmöglich. Die Kranke wurde schwer ergriffen, erholte sich indessen und überstand sogar mehrere Rückfälle mit glücklichem Ausgange. Sie bewohnte ein Zimmer in der ersten, für weibliche Kranke bestimmten Etage der Anstalt. Auf ihre Nachbarschaft verbreitete sich die Cholera zunächst nicht, sondern ergriff am 26. Juli mit Überschlagung der zweiten, für männliche Kranke erster und zweiter Klasse bestimmten Etage, die dritte, mit männlichen Kranken dritter Klasse besetzte Etage. Ein Verkehr zwischen diesen Etagen fand durchaus nicht statt. Diese zweite Erkrankung betraf einen seit Jahren an Blödsinn leidenden, abgemagerten, aber körperlich ziemlich kräftigen Kranken, welcher am 28. Juli der Krankheit erlag. Hier in der dritten Etage machte die Cholera schnelle und bösartige Fortschritte. Erst später ergriff sie auch die zweite Etage, wo die Zahl der Befallenen aber sehr beschränkt blieb, obgleich deren Bewohner, sowohl Irre wie Wärter, stets in ununterbrochener Verbindung mit der dritten Etage standen.
Vom 28. Juli ab zeigten sich in längeren Zwischenzeiten noch einige fernere Choleraerkrankungen unter den weiblichen Irren, doch blieben sie auch hier auf die dritte Klasse allein beschränkt, obgleich diese mit der ersten und zweiten weiblichen Klasse in einer Etage liegt und die Wärterinnen mit Gesunden und Kranken aller Klassen verkehrten.
In allen drei Etagen bot die Weiterverbreitung der Cholera in Beziehung auf Nachbarschaft und Verkehr keine festen Anhaltspunkte dar, sondern erfolgte in entgegengesetzten Richtungen und anscheinend unter den verschiedenartigsten Verhältnissen. Eine Wärterin erkrankte und genas. Ein Wärter wurde unter augenscheinlichem Einfluss deprimierenden Gemütsaffektes, ein anderer, neu adhibierter, nach einem von ihm begangenen Exzess befallen; beide starben.
Bis zum 6. August fuhr die Krankheit fort, sich in der dritten Etage unter den männlichen Irren 3. Klasse mit bösartigem Charakter zu verbreiten. Da die Krankenlokale hier etwas dichter bewohnt sind, so wurde einen, ansehnlichen Teil der Patienten ein entfernt liegendes geräumiges Lokal als Schlafstelle angewiesen, während des Tags wurden dagegen die bisherigen Wohn- und Gesellschaftszimmer der 3. Klasse beibehalten. Von diesem Augenblick, dem 6—7. August an, kamen überhaupt nur noch bis zum 9. August zwei schwere Erkrankungen vor; die ferner noch bis zum 19. August erfolgten waren entschieden leichteren Charakters und endigten mit Genesung.
Von den nächtlich ausquartierten, am Tage aber unter unveränderten Verhältnissen die 3. Etage bewohnenden Irren erkrankte kein Einziger und auch in den dem neuen Schlaflokal zunächst liegenden, bewohnten Räumlichkeiten kam keine Choleraerkrankung vor. Von den mit Reinigung der Wäsche beauftragten Personen und Anderen, die mit ähnlichen Gegenständen in unvermeidlicher, teilweise selbst dauernder Berührung standen, erkrankte kein Einziger, weder während des Auftretens der Cholera in der Anstalt selbst, noch nachdem sie hier aufgehört hatte, aber noch im westlichen Teile der Stadt fortbestand.
In der näheren Nachbarschaft des Katharinen-Stifts ist nur ein einziger Todesfall vorgekommen, nämlich in dem der Anstalt gegenüber liegenden Hause Nr. 2. Dagegen hat die Fortsetzung dieser Straße gegen Osten, der Amberg, ziemlich heftig gelitten. Die Straße senkt sich in einer Strecke von etwa 30 Fuß um ungefähr 20 Fuß vom alten Markt her gegen das obere Ende der Faulenstraße und das Katharinen-Stift. Sie hat 17 Häuser und von den 4 in ihr vorgekommenen Todesfällen ereignete sich je einer in dreien von den 10 Häusern der Nordseite, während nur ein einziger in dem am tiefsten gelegenen von den 7 Häusern der Südseite vorkam.
Parallel mit der Faulenstraße verläuft östlich von derselben die gleichfalls gegen den Strand ausmündende Wendenstraße mit 3 Häusern auf ihrer westlichen und mit 8 Häusern auf ihrer östlichen Seite. Sämtliche 5 in der Straße vorgekommenen Todesfälle verteilen sich, mit Ausnahme eines einzigen, bei dem die Wohnung nicht mehr zu erfahren war, auf 4 Häuser der Ostseite. Ihr höchster Punkt befindet sich bei dem Eckhause Nr. 1, 21 ¾ Fuß, und ihr tiefster beim
Tor, 1 ¾ Fuß über dem Spiegel der Ober-Warnow. Die Einmündungsstelle der Kohlgärtnerstraße liegt 5 ½ Fuß hoch.
Die Wendenstraße wird mit der Faulenstraße durch eine Quergasse, die Kohlgärtnerstraße, verbunden, welche auf feuchtem Terrain und am Fuße der nördlichen Abdachung des Hügels der Altstadt liegt. Von ihren 12 Häusern gehören 10 der nördlichen Seite an und in diesen 10 Häusern sind 9 Todesfälle vorgekommen, während einer sich in dem auf der Südseite gelegenen Hause Nr. 2 ereignete. Die Zahl der im Ganzen angemeldeten Erkrankungen beträgt 15. Die 9 Todesfälle der Nordseite verteilen sich auf 5 in ununterbrochener Reihe von Nr. 4—8 neben einander liegende Häuser. Sie werden fast durchweg von Arbeitsleuten und einzelnen kleinen Handwerkern bewohnt und sind zum Teil stark mit Menschen überfüllt. So wohnen in dem keineswegs besonders geräumigen Hause Nr. 7, welches 2 Todesfälle hatte, nicht weniger als 7 Familien. Das Haus Nr. 8, mit 3 Todesfällen, ist ebenfalls eng bewohnt und hat einen sehr kleinen, fast ringsherum bebauten Hof, auf dem aber weder eine Dunggruben, noch sonstige Anhäufungen von Fäulnisprodukten vorkommen. Ein in der Mitte des Hofes befindlicher Brunnen enthält trübes Wasser und wird aus diesem Grunde angeblich nur zu Reinigungszwecken benutzt. Der Wassergehalt des Brunnens war schon lange Zeit vor dem Ausbruch der Epidemie ein sehr sparsamer gewesen, auch ein niedriger Keller, welcher sonst in der Regel voll Wasser stand, hatte eben so lange trocken gelegen. Sämtliche 3 Todesfälle und die Mehrzahl der Erkrankungen kamen in der Hofwohnung vor.
In der südlich von der Petri-Kirche gelegenen Häuserreihe, gegen welche das Terrain vom alten Markt und vom Petri-Kirchhofe aus bedeutend sinkt, sind 5 Erkrankungen vorgekommen. Zwei derselben endeten tödlich; doch ließ sich für beide Fälle die Wohnung nicht mehr auffinden.
Eine relativ sehr geringe Zahl von Erkrankungen ist in den vor dem Petri- und Mühlentor gelegenen Vorstädten vorgekommen, obgleich die Häuser hier größtenteils tief und in der Nähe der Warnow oder der, ihre Ufer hie und da begrenzenden Wiesen gelegen sind. Am Petri-Damm, dessen Anwohner meistens kleinere Ackerwirtschaften betreiben, kamen nur zwei Erkrankungen und ein Todesfall vor. Am Mühlendamm, dessen 13 Häuser der Mehrzahl nach auf allen Seiten von dem Wasser der Warnow umflossen sind und durchweg auf einem feuchten und lockeren Boden stehen, ereigneten sich drei Todesfälle.
Großes Interesse gewährt ein Vergleich zwischen der Ausdehnung der beiden früheren Choleraepidemien an der Grubenstraße mit der Epidemie von 1859, Während in den Jahren 1832 und 1850 die Krankheit in dieser Straße eine sehr bedeutende Verbreitung zeigte, blieb sie in der letzten Epidemie auf einige wenige Fälle beschränkt. Der günstige Einfluss einer mit faulenden Stoffen geschwängerten Atmosphäre und einer Durchtränkung des Bodens mit ähnlichen Substanzen auf die Entwicklung der Krankheit tritt hier recht deutlich zu Tage. Durch die Straße verläuft ein Kanal, der einen Seitenzweig der Ober-Warnow mit der Unter-Warnow verbindet. Zur Zeit der beiden ersten Epidemien diente dieser, häufig sehr wasserarme Kanal zur Aufnahme der Straßenabflüsse aus einem großen Teil der Alt- und Neustadt; die faulenden Stoffe stagnierten in seinem offenen Bette, verdarben die Luft und sickerten durch die nur lose und lückenhaft mit Steinen bekleideten Wandungen in das benachbarte Erdreich. Jetzt ist bereits seit 6 Jahren das Wasser in einen gemauerten Tunnel eingeengt. Die Ausdünstung und Infiltration des in denselben fließenden Straßenwassers wird nun verhütet und die letzte Epidemie scheint den Beweis zu liefern, dass die Straße durch diese Verbesserung von einer der mächtigsten Hilfsbedingungen für die Verbreitung der Cholera befreit worden ist.
Die beiden, an ihrem südlichen Ende (Mühlenstraße 1) vorgekommenen Todesfälle sind bereits oben erwähnt. Außer diesen kamen in den 63 Häusern, welche die Straße umfasst, nur noch drei tödliche Erkrankungen vor, die eine in Nr. 21, die zwei anderen in Nr. 27, demselben Hause, in welchem die vom 10. Juni bis Anfang Juli in Rostock verweilende Reitergesellschaft häufig verkehrt hatte, in welchem ferner die Eltern des in der Faulenstraße 14 verstorbenen Kindes (erster Todesfall der Epidemie) wohnten. Zwischen diesem Todesfalle und den späteren im Hause Nr. 27 lag eine Zeit von 5—7 Wochen.
So verlief die Epidemie in den einzelnen Straßen der Altstadt. Ein Überblick über ihren Gang und ihre Ausbreitung im Großen und Ganzen führt zu dem nachfolgenden Ergebnis.
Nachdem am 5. Juli in der Faulen-Straße, an einem der tiefst-gelegenen Punkte der Stadt, der erste tödliche Fall vorgekommen war, zeigten sich wenige Tage später in der am höchsten gelegenen Gegend der Altstadt, am alten Markt, die nächsten Fälle (10. Juli). Hier erreichte die Epidemie schnell eine bedeutende Höhe und war bereits im Sinken, als die Anzahl der Fälle in der Faulen-Straße sich mehr und mehr steigerte (25—28. Juli). Fast gleichzeitig mit dem Beginn der Todesfälle am alten Markt traten auch am Gerberbruch (10. Juli)und etwas später in der Wollenweberstraße (12. Juli) und kleinen Goldstraße (12. Juli) die ersten tödlichen Erkrankungen auf, dann wurden, etwa eine halbe Woche später, ebenfalls fast gleichzeitig der Amberg (16. Juli), die Wenden- (15. Juli), Lohgerber- (15. Juli), Gärtnerstraße (16. Juli) und der Küterbruch (16. Juli) ergriffen. Einige Tage später ereignete sich die erste Gruppe der Erkrankungen am Beguinenberg (20. Juli) und es kam der erste Todesfall in der Altschmiedestraße (20. Juli) und in der Häuserreihe am Petri-Tor vor (19. Juli). Dann begann die sehr heftige Epidemie am Fischerbruch (21. Juli) und einige Tage, bevor dieselbe ihr erstes Maximum erreichte, traten die ersten Todesfälle am Nicolai-Kirchhofe (25. Juli), hinter der Mauer (25. Juli), am Mühlendamm (27. Juli), im Katharinen-Stift (28. Juli) auf. Überall auf der Altstadt war die Krankheit entweder erloschen oder doch bedeutend im Sinken begriffen, als die ersten Fälle in der Grubenstraße (10. August) beobachtet wurden, und, als endlich die Hausepidemie an der Fischbank Nr. 7 ihren Anfang nahm (22. August), hatte die epidemische Verbreitung bereits überall auf der Altstadt, mit Ausnahme des Fischerbruches, aufgehört. Vereinzelte Fälle kamen später noch vor in der Faulen-Straße, (25. August), am alten Markt (24. August), beim Katharinen-Stift (1. Septbr.), oben am Gerberdruch (12. Septbr.) und endlich beschloss am 6. Oktbr. der Fall Wollenweberstraße 1 die Epidemie in der ganzen Stadt.