Die Bankauflösungsbestrebungen in Preußen. - Berlin, 4. Januar. 1860.

Aus: Bremer Handelsblatt: Wochenschrift für Handel, Volkswirtschaft und Statistik. Jahrgang 1860. Nr. 430-481
Autor: Redaktion - Bremer Handelsblatt, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Volkswirtschaft, Banken, Krisis, Krise, Bankenkrise, Finanzwirtschaft, Kreditwesen, Aktionäre, Gewinne, Rendite, Rente, Börse, Kurse, Spekulanten
Wenn man an die Hast und die hochfliegenden Hoffnungen zurückdenkt, mit welchen man im Jahre 1856 die zahlreichen Bankgründungen vornahm, so bildet der Eifer, mit welchem man jene Schöpfungen wieder vom Angesicht der Erde zu tilgen bemüht ist, einen sehr grellen Gegensatz. Wenn es sich hierbei nur um die Banken handelte, welche an abgelegenen Orten begründet wurden, um fern von ihrem Sitze einen Geschäftskreis zu finden, so könnte uns dies nicht Wunder nehmen; denn seit 1856 haben sich die Verhältnisse, welche jenen Banken ihre Existenz gaben, haben sich namentlich die Anschauungen von Grund aus geändert. Aber auffallend ist es doch, dass es gerade die preußischen Privatbanken sind, gegen welche ihre Aktionäre mit Auflösungsbestrebungen ins Feld rücken.

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Es ist die eigentümliche Natur einer Bank, dass sie ihr Kapital so wenig fest anlegt, dass sich dasselbe stets leicht realisieren lässt. Der Kurs der Bankaktien richtet sich aber, so lange eine Liquidation außer Frage liegt, nicht nach dem Betrage, in welchem das Aktienkapital leicht realisierbar vorhanden ist, sondern nach der Rente, welche das Bankgeschäft abwirft. So lange diese gering ist, der Kurs also, im Verhältnis zu dem realisierbaren Kapital, welches die Aktien repräsentieren, niedrig steht, wird bei den Aktionären leicht die Lust entstehen, durch Liquidation des Vermögens der Bank einen artigen Gewinn zu machen, und diese Operation wird um so näher liegen, je gewissenhafter die Direktion das Kapital nur in leicht und sicher realisierbaren Krediten angelegt hat, und je mehr die Aktionäre außerhalb des Bezirks der Tätigkeit der Bank wohnen, je weniger sie also darauf angewiesen sind, die Leistungen der Bank in Anspruch zu nehmen. Alle diese Verhältnisse treffen nun bei den preußischen Privatbanken zu. Die Kurse derselben stehen zwischen 70 und 80: was Wunder, dass sich viele Aktionäre finden, welche durch Liquidation derselben einen Profit von, 20—30 zu machen wünschen?

Parteien, welche die Auflösung anstreben, finden sich fast für alle preußischen Privatbanken, mit Ausnahme der hiesigen Kassenvereinsbank, deren hohe Dividende und hoher Kurs ihr Sicherheit gegen solche Bestrebungen gewähren. Die Gegner dieser Bestrebungen finden sich an den Plätzen der Banken selber unter den Kaufleuten und Gewerbetreibenden, welche unmittelbar oder mittelbar die Leistungen der Banken genießen. Da für den Auflösungsbeschluss immer eine Majorität von 3/4 oder 2/3, der versammelten Aktionäre nötig ist, so haben natürlich die lokalpatriotischen Bestrebungen für Erhaltung der Banken, eine günstigere Stellung, die sich in Danzig, wo der Auflösungsantrag bekanntlich abgewiesen wurde, bewährt hat. Aber je mehr die Spekulation des Gründungszinses die Aktien an den großen Markt und damit in die Hände der Banken gebracht hat, welche dem Banksitz und den Vorteilen der Banken fern stehen, um so größer ist die Gefahr, dass die Auflösungsanträge dennoch die nötige Majorität gewinnen. Namentlich scheint jetzt die Königsberger-Privatbank, über deren Auflösung in einer am 6. d. M. anstehenden Generalversammlung entschieden wird, sehr gefährdet zu sein. Und wenn es dort gelingt, den Auflösungsbeschluss durchzusetzen, so wird ohne Zweifel ein neuer Sturm gegen die übrigen Privatbanken eröffnet werden. Die endgültige Entscheidung behält allerdings immer die Regierung in der Hand, welche zu den Auflösungsbeschlüssen ihre Zustimmung geben muss, um dieselben rechtskräftig zu machen.

Die Regierung aber trägt einen wesentlichen Teil der Schuld an der schwachen Entwicklung, welche unsere Privatbanken genommen haben. Allerdings waren die Zeiten denselben bis jetzt sehr ungünstig. Die Handelskrisis unterwarf die Privatbanken einer hatten Probe? noch ehe sie Zeit gewonnen hatten, ihr Geschäft zu organisieren. Allerdings bestanden sie diese Probe glänzend, aber sie wurden durch die Krise und durch die langen Nachwirkungen derselben doch verhindert, ihr Geschäft so auszubilden, dass es zu einer angemessenen Rente führen konnte. Noch mehr da sie den Geschäftskreis nicht zu entwickeln vermochten, sie machten ihre Rentabilität von der Ausnutzung ihrer Notenemission abhängig, und gerade dieser war durch den mangelhaften Umfang des Geschäfts der Boden unter den Füßen weggezogen, so dass zu einer Last wurde, was ihre Stütze sein sollte. Als der Himmel sich kaum wieder aufzuhellen begann, da zog plötzlich das Kriegsgewitter herauf und vereitelte die kaum wieder begonnenen Bemühungen zur Ausbildung der Geschäftszweige, er drückte die Möglichkeit der Notenemission auf das allergeringste Maß und brachte eine solche Schwachlebigkeit des Geschäfts, einen so ärmlichen Diskontsatz, dass an eine angemessene Rentabilität des Bankgeschäfts nicht zu denken war. Zu dieser Ungunst der Zeiten kam die Engherzigkeit der preußischen Bankpolitik. Die preußische Bank wurde mit einer alle Konkurrenz niederdrückenden Ausdehnung ihrer Notenemissionsbefugnisse bedacht, da Privatbanken aber die zur Entwicklung eines regelmäßigen Geschäfts unbedingt nötigen Erweiterungen ihrer statutarischen Befugnisse so karg zugeteilt, und die Erteilung derselben so zähe hingezögert, dass die Epoche, in welcher eine angemessene Geschäftsentwicklung überhaupt möglich gewesen wäre, ungenutzt verstrich, und dass auch jetzt noch die „Normativbedingungen“ hinter dem Maße der freien Bewegung welches für ein gesundes Bankgeschäft nötig ist, weit zurückstehen.

Die Direktionen der Banken endlich haben es ebenfalls vielfach, wenn auch nicht an rühriger, so doch an richtig dirigierter Tätigkeit fehlen lassen. Sie haben viel zu sehr den Akzent auf die Notenemission gelegt, während diese doch erst das Resultat eines reich entwickelten Geschäfts bilden kann. Sie sind viel zu säumig gewesen in der Ausbildung des Depositen- und Girogeschäfts und in dem Aufsuchen einer Kundschaft in denjenigen soliden Verkehrskreisen, für welche die preußische Bank unzugänglich ist.

Trotz dieser widrigen Verhältnisse ist es den Privatbanken seit dem Frieden gelungen, ihre Tätigkeit zu entfalten und auszudehnen. Sie haben ihren Notenumlauf seit dem 1. Juli ansehnlich erhöht, sie haben ihr Wechsel-Portefeuille in derselben Zeit, in welcher das Wechselgeschäft der preußischen Bank sich von Monat zu Monat einschränkte, ansehnlich gesteigert. Sie haben damit ihre Existenzfähigkeit und die Notwendigkeit ihrer Existenz bewiesen, und wenn das neue Jahr ruhigere politische Verhältnisse bringt, so werden vielleicht am Ende desselben alle Aktionäre zufrieden gestellt sein.

Eine Auflösung unserer Privatbanken wäre ein herber Schlag für unsere gesamte Verkehrsentwicklung, das Monopol der preußischen Bank würde dadurch zu einem unumschränkten, die Geschäftswelt ganz von dem Belieben der Bankverwaltung abhängig. Es würden die Keime einer Entwicklung erstickt, welche jedenfalls in Preußen noch eine große Zukunft hat. Die Bildung neuer Privatbanken an Stelle der eingegangenen, welche wir doch nur eine glückliche Konstellation verdankt haben, würde großen Schwierigkeiten unterliegen und voraussichtlich lange auf sich warten lassen. Auch für die preußische Bank würde die Rückwirkung eine üble sein. Sie wird nachgerade zu der Einsicht gekommen sein, dass eine Reizung des Kredits, wie sie sie durch „liberales“ Diskontieren und ungeheure Ausdehnung des Notenumlaufs 1850 versucht hat, dem Verkehr und ihr selbst schadet, dass für sie eine Art von Reservestellung, während lokale Institute die vorgeschobenen Posten einnehmen, die einzig richtige ist. Sobald sie dieses aber einsieht, und die ihr gebührende Stellung einnehmen will, bedarf sie dringend der lokalen Banken. Hat sie dieselben nicht, so kann sie sich nicht auf das bescheidene Maß der Tätigkeit zurückziehen, welches zu einer gesunderen Gestaltung unserer Kredit- und Geldverhältnisse dringend notwendig ist. Hoffen wir daher im Interesse des gesamten Verkehrs und des Wirtschaftszustandes, dass unsere Privatbanken diese ernste Krise überdauern. —