Deutsche Volkstrachten vom XVI. bis zum XIX. Jahrhundert - Band 1 - Süd und Südwest-Deutschland - 02 Die Bauerntrachten vom 16. bis 19. Jahrhundert - Die männliche Tracht - Mützen, Kapuze, Barett, Bauernhut, Zylinder, Haar, Bart, Perücke

Mit 80 Textabbildungen und 48 handkolorierten Tafeln
Autor: Hottenroth, Friedrich (1840-1917) Trachten- und Brauchtumsforscher, Lithograph, Maler und Autor, Erscheinungsjahr: 1923
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Volkstrachten, Mittelalter, Mode, Kostüme, Bekleidung, Reichststädte, Reichsdörfer, Reichsklöster, Reichsritterschaften, Landstriche, Regionen, Christentum, Reformationszeit, Bürgertum, politische Zustände, Bauern
Im frühen Mittelalter gingen die Bauern gewöhnlich barhäuptig einher; wird doch von den alten Germanen berichtet, dass sie selbst in der Schlacht ihren Kopf unbedeckt ließen. Eine der ältesten Kopfhüllen muss die Kapuze gewesen sein; schon die Körner brachten die Kapuze in das Land und die mönchischen Klosterleute, die ihnen folgten, trugen sie allerwärts an ihrer Kutte. Nach dem römischen Worte „Cuculus“ bezeichnete man die Kapuze mit „Gugel“ Sie war ein viel zu zweckmäßiges Gewandstück, als dass die Leute, die viel im Freien verkehren mussten, sich solche nicht hätten aneignen sollen; und so war schon im 13. Jahrhundert die Kapuze unter den tagewerkenden und reisigen Leuten ein alltäglicher Kopfschutz. Die Kapuze war spitz (14. 4) und umschloss, das Gesicht freilassend, nur Kopf und Hals, oder mit einem Kragen zugleich den nächsten Teil des Oberkörpers. Nicht selten war sie über die Brust herauf und selbst über das Gesicht bis zu den Augen verknöpf bar; nach den kugeligen Knöpfen oder „Knäufen“ nannte man solche Knopf Kapuzen „geknäufte Gugeln“ Sie waren geeignet, ihren Träger unkenntlich zu machen, und es ist deshalb anzunehmen, dass unter der „Tarnkappe“, von welcher das Nibelungenlied spricht, eine geknäufte Gugel zu verstehen sei. Von den Bauern ging die Gugel auf die begüterten Stände über; sie war hier im 14. und namentlich im 15. Jahrhundert die am meisten verbreitete Kopfhülle (6. 4. 5), im 16. aber nur noch bei Jägern, Bauern und reisigen Leuten zu finden. Ohne Spitze zugeschnitten passte sie nun rund auf den Kopf und war seitwärts am Halse mit Knöpfen verschließbar (14. 6. 14).

Die ältesten Mützen, die wir kennen, haben sich bei Vamdrup auf Jütland in einem vorrömischen Baumsarge gefunden; es waren zwei Mützen, die eine halbkugelig, die andere höher, mehr zylindrisch, oben flach und etwas enger als unten, beide von dickem gewalktem Wollstoffe. Die zylindrische Mütze glich so ziemlich den fesähnlichen Mützen, die uns die Antoninssäule auf den Köpfen der Donauvölker vorführt (14. 7). Daneben lässt sie uns noch eine Mütze in phrygischer Form erblicken, die mit ihrer Kuppe über den Wirbel vorfällt und dem Oberteile einer Kapuze gleicht (14. 7). Diese Zipfelmütze muss sehr verbreitet gewesen sein, denn in den frühesten klösterlichen Buchmalereien bildet sie neben der einfachen Rundkappe die gewöhnlichste Kopfbedeckung (14.2). Mützen in den erwähnten Formen, halbrund, zylindrisch oder zipfelig, gehörten das ganze Mittelalter hindurch zur Bauerntracht.

                                        Fig. 14.
1. 7 Mützen der Ostgermanen im 2. Jahrhundert (von der Antoninssäule); 2 Mütze im 9. Jahrhundert; 38 Strohhüte im 13. Jahrhundert (nach dem Sachsenspiegel und der Manessischen Liederhandschrift); 4 Schnitt zu einem Kapuzenrocke im 13. Jahrhundert; 5 Kapuzenschnitt vom 13. — 15. Jahrhundert; 6 Kapuzenschnitt im 16. Jahrhundert; 9 Mütze im 14. Jahrhundert (nach einem Kalendarium); 11 — 13 Bauernmützen und -hüte aus Fell im 16. Jahrhundert; 10 Sackmütze im 16. Jahrhundert.

Das Barett, jene flache Mütze mit breitem Boden, die das 16. Jahrhundert brachte, machte sich wohl unter den Handwerkern heimisch (7. 4), niemals aber unter den Bauern. Die Bauernmütze war damals ein Mittelding zwischen Hut und Barett, entweder im Kopfe ziemlich hoch, stumpfkegelig oder zylindrisch oder auch etwas niedriger, flach im Boden und rundum völlig geschlossen; sie hatte keinen besonders angesetzten Rand, sondern wurde unten in die Höhe geklappt, bald rundum, bald nur hinten oder vorn ( 8 . 3 . 4 ; 14. 11-13 ). Der umgeschlagene Teil wurde im ganzen belassen oder auch an den Schläfenseiten aufgeschlitzt, so dass Hinter- wie Vorderteil ein eigenes Stück bildeten (14. 14). Hinten in die Höhe geschlagen und vorn zum Schutz gegen Sonne und Regen schirmartig über das Gesicht vorgestellt, war die Mütze besonders unter Jägern und reisigen Leuten zu finden, die sie über ihre Kapuze aufsetzten (8.4; 11. 1; 14. 11.14). Und so blieb sie bis tief in das achtzehnte Jahrhundert hinein die bevorzugte Kopfhülle der Bauern in ganz Deutschland; ja selbst die Bäuerinnen bedienten sich ihrer und setzten sie über ihr Kopftuch auf (Taf. 1. 2 ). Die Mütze bestand aus derbem Tuche, Filz oder weichem Leder und selbst aus Pelz; häufig war sie im Kopfe aus Tuch, im Schirme aber, der in diesem Falle besonders angesetzt wurde, aus Fell oder Leder. Handwerkende Leute aber trugen diese Mütze nicht, wenigstens nicht in ihrer Werkstätte; sie behielten hier die alten Mützen bei, das einfache Rundkäppchen (12. 3 ) oder die höhere Mütze mit ringsum aufgestelltem Rande oder besonders angesetztem Bräme (12. 4. es. 11 . 12). Die Mode schien die Mütze überhaupt ganz vergessen zu haben; erst am Anfänge des 19. Jahrhunderts erinnerte sie sich ihrer wieder und stellte sie in vielfachen Umwandlungen her; im allgemeinen machte sie den Kopf sehr flach, unten enger als oben, fasste sie unten mit einem Bunde und besetzte sie vorn mit einem Schirme von Leder. So geformt kam die Mütze auch in die Bauerntracht, wo sie unter dem Namen „Kappe“ sich bis heute behauptet hat.

                                        Fig. 15.
Zylinderhüte. 1 Anfang des 16. Jahrhunderts; 2 zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts; 3 Anfang des 17. Jahrhunderts; 4 Mitte des 17. Jahrhunderts; 5 um 1820; 6 seit Ausgang der zwanziger Jahre.

Von dem Bauernhute werden uns in den Handschriften des13. Jahrhunderts die ersten Muster überliefert (14. 3 . 8); sie haben einen flachen oder rundlichen Kopf und eine schräg nach unten gestellte Krempe; ihre gelbe oder grüne Farbe scheint auf Stroh oder Binsen zu deuten. Die Chronik spricht von dem spitzen Bauernhute, den Rudolf von Habsburg getragen habe. Der Hut scheint seitdem ein stehender Teil der Bauerntracht geblieben zu sein. In den Handschriften des ausgehenden Mittelalters sind vielfach zylindrische Hüte zu bemerken, die dem Anscheine nach aus Filz, zottigem Fries oder Pelz hergestellt wurden (7. 1). Zu Augsburg waren im 16. Jahrhundert unter den Handwerkern Zylinderhüte üblich, die sich von unsern heutigen nicht viel in der Form unterschieden (15. 2 ; Taf. 42. 1). Während nun in der modischen Garderobe der spanische Hut mit seinem hohen etwas gespitzten Kopfe und seiner schmalen Krempe sich einnistete, beharrte der eigentliche Zylinderhut unentwegt auf den Köpfen der Bauern (15. 3 . 4 ), nahm aber seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts die Formen an, welche die Mode für den neu aufkommenden bürgerlichen Zylinderhut vorschrieb (15.5.6). Die heutigen Bauernzylinder sind nur verspätete Modeformen.

                                        Fig. 16.
Spitz- und Schlapphüte von 1600 an bis zur Gegenwart. 1. 6 um 1600; 2. 7 Mitte des 17. Jahrhunderts; 3. 4. 8 um 1700; 5 noch jetzt üblich; 9 um 1800.

Neben dem Zylinderhüte behauptete sich ein Hut mit mehr oder minder gespitztem hohem Kopfe und breiter Krempe (16. 1-5). Im allgemeinen kann man sagen, je niedriger der Kopf war, desto breiter war die Krempe; Hüte in dieser Form (16. 6 . 7 ), aus weichem, aber dickem Filze hergestellt. Wuchsen sich nach und nach zu eigentlichen Bauernhüten aus. Während des dreißigjährigen Krieges wanderte der Hut auf die Köpfe der Soldaten hinüber und nahm immer verwegenere Formen an; man kennt die damaligen Soldatenhüte unter dem Namen „Wallensteiner“. Es wurde Brauch, den breiten Rand durch Schnüre, die um den Hutkopf liefen, in der Schwebe zu halten (16. 4); einmal so weit, zog man die Schnüre immer fester an, erst auf einer Seite, dann auf zwei und schließlich auf drei Seiten (17. 6-9). So entstand der dreieckige Hut oder „Dreimaster“, der um 1740 allgemein war. Obgleich längst aus der modischen Tracht verschwunden, ist er heute noch in der ländlichen nicht selten und ebenso ist der zweikrempige Hut noch unter dem Scherznamen „Nebelspalter“ anzutreffen (17. y).

                                        Fig. 17.
Hüte von 1600 an bis zur Gegenwart. 1. 2 um 1600; 3. 6. 9 noch jetzt üblich; 4 um 1760; 5 um 1830.

Was nun Haar und Bart anbelangt, so richtete sieh der Bauer im allgemeinen nach der Mode. In der letzten Hälfte des Mittelalters, da man fast nur glatte Gesichter sah, gehörte auch unter den Bauern der Bart zu den Seltenheiten. Je mehr man den Bart verschwinden ließ, desto länger ließ man das Haar wachsen; die Handwerker und Bauern des 15. Jahrhunderts hielten wenigstens den Nacken damit bedeckt. Im 16. Jahrhundert wurde gleichmäßig unter allen Ständen eine Frisur üblich, die man „Kolbe“ nannte; das Haar wurde rings um den Kopf gerade und schlicht herabgekämmt und mit einem waagerechten Schnitte verkürzt, vorn in der halben Stirnhöhe von einem Ohre zum andern, hinten etwa zwei Finger breit tiefer. Zu dieser Frisur gehörte ein voller Bart, der gleichfalls ziemlich kurz und gerade verschnitten war. In der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschien die spanische Mode, welche die Frisur gleichmäßig um den ganzen Kopf herum kurz, ja ganz kurz, und ebenso den Bart zu einem Knebel- oder Kinnbarte verschnitt. Indes waren es weniger die Bauern, als die Handwerker, die mit den vornehmen Ständen verkehren mussten, wie Schneider und Friseure, welche dieser Mode folgten. Während des dreißigjährigen Krieges kam das lange Haar wieder auf, das ungekämmt und verwildert auf die Schultern fiel. Je länger das Haar wurde, desto mehr verschwand der Knebelbart; und als das natürliche Haar durch die wallende Perücke ersetzt wurde, gab es noch Bauern genug, die es in urväterlicher Weise als Kolbe trugen. Her Bart aber war fast nur noch bei den Juden zu finden, denn auch die Bauern beliebten ihn nicht mehr; doch bedienten sich diese niemals der Perücke, die ihnen schon durch ihren hohen Preis verwehrt blieb. Und so gingen sie noch mit langem Haar und gänzlich rasiertem Gesichte einher, als die Perücke sich verkleinerte und als Stutzperücke mit Zopf oder Haarbeutel auch unter den Handwerkern Eingang fand. Als die französische Nation den Zopf abschaffte und das natürliche Haar wieder zu Ehren brachte, was in Deutschland erst im folgenden Jahrhunderte wirksam wurde, blieb der Schnitt des Haares immer mehr dem persönlichen Willen überlassen, der es meist in soldatischer Kürze beliebte. Aber erst das bewegte Jahr 1848 führte den Bart wieder in die bürgerlichen und bäuerlichen Kreise zurück.

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Taf. 01

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Taf. 01

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Taf. 42

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Taf. 42

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 014

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 014

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 015

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 015

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 016

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 016

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 017

Deutsche Volkstrachten 16. bis zum 19. Jahrhundert Fig. 017