Kapitel 06 - Danckelmann - nach Vehse.

Der Kurfürst Friedrich von Brandenburg und spätere erste König von Preußen überließ sich am Anfang seiner Regierung völlig der Leitung Danckelmanns, seines ehemaligen Hofmeisters. Eberhard Danckelmann war 1643 geboren; er war ein Fremder, ein Westfale aus der damals noch nassau-oranischen Stadt Lingen, wo sein Vater, der berühmte gelehrte Sylvester, Landrichter war. Die Familie war bürgerlich, hatte aber die Tradition, daß einer ihrer Vorfahren einem deutschen Kaiser durch treue Wachsamkeit das Leben gerettet und dieser ihm mit den Worten:

„Danke, Mann“,


den Ritterschlag erteilt habe. Das Wappen, das dieser Tradition Wahrscheinlichkeit geben sollte, war ein Kranich.

Der junge Danckelmann war eine Art Wunderkind gewesen; er hatte in Utrecht studiert, hatte hier schon in seinem zwölften Jahr eine Disputation gehalten und dann die europäische Turnee durch England, Frankreich und Italien gemacht. Er war zwanzig Jahr alt, als ihn der Große Kurfürst auf einer Reise nach Holland kennen lernte und zum Lehrer des damals fünfjährigen Prinzen Friedrich Wilhelm annahm. Zwei Jahre später, 1665, wurde er Titularrat, 1669 Halberstädtischer, 1676 kurmärkischer Regierungsrat, und noch unter dem Großen Kurfürsten Kammer- und Lehnsrat. Zweimal vor Friedrichs Regierungsantritt rettete er dem Prinzen das Leben, 1680 bei dem angeblichen Vergiftungsversuch durch die Stiefmutter, und sieben Jahre darauf bei einem Stickfluss, wo er ihm gegen den Rat der Ärzte eine Ader schlagen ließ und ihn so wieder zum Bewusstsein brachte. Kurz nach seiner Thronbesteigung ernannte ihn Kurfürst Friedrich zum Regierungspräsidenten in Cleve, und am 2. Juli 1695, bei der Zusammenkunft der sieben Brüder Danckelmann, die alle hohe Ämter im Brandenburgischen bekleideten, bei offener Tafel zum Premierminister mit dem ersten Rang am Hofe. Friedrich setzte die Bestallung eigenhändig auf. Es heißt darin, daß Danckelmann ein vollständiges Exempel ungefärbter Treue, unablässiger Applikation in der Beförderung der Gloire des Kurfürsten und aller andern, dem Diener eines großen Herrn wohlanständigen Tugenden und Qualitäten sei. In demselben Jahre ließ ihn der Kurfürst mit seinen sechs Brüdern von Kaiser Leopold in den Reichsfreiherrenstand erheben, und der Kaiser gab ihnen zu dem bisher im Wappen geführten Kranich sieben mit einem Ring zusammengehaltene Zepter, „damit deren Posterität aus denen sieben Zeptern die Urheber dieser unserer ihnen erteilten Gnad und Würde als sieben Brüder, welche gleichsamb an einem Ring beisammen halten umbsomehr abnehmen und vermerken können“. So das Diplom; und es besagte auch, daß Eberhard Danckelmann den ihm angetragenen Grafenstand abgebeten habe, um mit seinen Brüdern im gleichen Stand zu bleiben. Der Kurfürst verlieh ihm noch die Erbpostmeisterwürde, die Hauptmannschaft zu Neufeld an der Dosse und ansehnliche Lehne und Güter.

Er leitete die Finanzen und alle Hauptgeschäfte. Man nannte ihn den Colbert der brandenburgischen Staaten. Er vermehrte die Jahreseinkünfte aus den Domänen um hundertfünfzigtausend Taler. Er regierte mit seinen sechs Brüdern, von denen er der mittelste war. Man nannte diese Regierung der sieben Brüder Danckelmann, die als rechtschaffene Männer im Volk beliebt waren, die Herrschaft der Plejaden oder des Siebengestirns. Der älteste Bruder war Resident im westfälischen Kreis. Der zweite außerordentlicher Gesandter beim König von England, der dritte Kammergerichts- und Konsistorialpräsident, der vierte Generalkriegskommissär, der fünfte Kanzler zu Halle und außerordentlicher Gesandter am kaiserlichen Hof und der sechste Kanzler zu Minden.

Danckelmann war ein tüchtiger und verdienstvoller, ein sehr selbstbewusster und gegen den alten Adel sehr stolzer Mann. Er war von tiefmelancholischem Temperament; man hat ihn niemals lachen gesehen. Sein Unglück schwebte dunkel vor seiner Seele, als er noch im höchsten Glücke war. Eines Tages gab er dem Hof zur Einweihung seines neuen Hauses ein Fest. Die Gesellschaft tanzte im großen Saal, Danckelmann befand sich mit dem Kurfürsten in seinem Arbeitskabinett. Mit dem Wohlgefallen eines Kenners betrachtete Friedrich einige Gemälde, die dort an den Wänden hingen. „Das sind schöne Bilder,“ meinte der Kurfürst. „Ach,“ erwiderte Danckelmann mit bitterem Lächeln, „die Bilder und was ich sonst noch Kostbares besitze, wird ja doch einst, bald vielleicht, das Eigentum von Eurer kurfürstlichen Gnaden sein, wenn meinen Feinden gelingt, wonach sie so eifrig trachten, mir die Liebe meines Herrn zu entfremden.“ Da legte der Kurfürst die Hand auf die Bibel und antwortete, der Fall könne sich nie ereignen.

Der Fall ereignete sich aber doch, und zwar nicht ohne Danckelmanns Verschulden. Das Zeremoniell war in jenen Tagen, wo sich alles um die Hofherrlichkeit drehte, die Schlange, die die gescheitesten Köpfe verführte. Danckelmann bezeigte sich gegen seine altadeligen Kollegen hochfahrend, rauh und unfügsam. Er mochte freilich zu tun haben, sich in Positur gegen sie zu setzen. Er verlangte von sämtlichen Ministern der auswärtigen Höfe den ersten Besuch; selbst den regierenden Reichsgrafen wollte er nicht weichen. In die Kirche zu Königsberg, wo der ganze Hof versammelt war, kam er einst zu spät, die Predigt hatte schon begonnen. Sein Nachfolger, der spätere Premier Wartenberg und der Feldmarschall Barfuß sprachen miteinander; Danckelmann fuhr zwischen sie mit den Worten: „Meine Herren, warum heben Sie mir kein Platz auf?“ Wartenberg erhob sich und sagte: „Hier ist Platz.“ Kalt entgegnete Danckelmann: „Es ist Ihre Schuldigkeit, mir Platz zu machen.“

[Illustration: Eberhard Danckelmann, nach einem Stich von G. P. Busch.]

Dergleichen gab böses Blut. Im Gefühl seiner Vorzüge nahm Danckelmann auch gegen den Kurfürsten einen feierlichen Ton an, der dem hohen Herrn natürlich zu hoch vorkommen mußte. Er verdarb es auch mit den Damen und brachte die ganze kurfürstliche Familie gegen sich auf. Sein Sturz erfolgte auf echt orientalische Weise. Im Vorgefühl seines Schicksals hatte er seinen Abschied erbeten. Der Kurfürst, der fünfunddreißig Jahre lang um ihn gewesen war, bewilligte den Abschied. Danckelmann blieb in Berlin; noch am Abend des 10. Dezember 1697 erschien er bei Hof, und der Kurfürst unterhielt sich mit ihm aufs freundlichste. In der Nacht darauf erschien der Gardeoberst von Tettau in Danckelmanns Haus in der alten Friedrichstraße, dem sogenannten Fürstenhaus. Er wurde arretiert, seine Effekten wurden versiegelt, und man brachte ihn nach Spandau, später nach Peitz. Erst zehn Jahre darauf wurde er nebst vielen andern Staatsgefangenen pardonniert; da er Preußen nicht verlassen durfte, begab er sich nach Kottbus, wo er eine halbe Freiheit genoss und zweitausend Taler Pension. Seine sämtlichen Güter wurden ohne Prozess konfisziert; das Fürstenhaus, Marzahne, Zimmerbude, Groß- und Klein-Quittainen in Preußen, Biesenbruch in der Uckermark, Umelingen und Schönebeck in der Altmark und die Kohlenbergwerke bei Wettin. Die Familie hat die Güter niemals zurück erhalten. Während der ganzen Zeit seiner Gefangenschaft war nur seine Frau um ihn, die sich ausgebeten hatte, seine Haft teilen zu dürfen. Erst nach Friedrichs Tode erhielt der siebzigjährige Greis eine Ehrenerklärung: König Friedrich Wilhelm ging öffentlich mit ihm zur Kirche.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Deutsche Charaktere und Begebenheiten