Der neue Müllschmelzofen in Berlin.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Berlin, Müll, Unrat, Abfälle, Asche, Epidemien, Krankheiten, Erreger,
In allen Großstädten, besonders aber in Berlin, wo man hauptsächlich mit Presskohlen feuert, sammelt sich der sogenannte Müll, das heißt Hausunrat und Asche, in ungeheuren Mengen an. Bisher wurde derselbe auf irgendeinen brachliegenden Acker der Vororte gefahren oder zur Aufschüttung niederen, feuchten Geländes benutzt, bis warnende Stimmen darauf hinwiesen, dass diese Müllhaufen unter Umständen eine Brutstätte für die Verbreitung von gefährlichen Epidemien seien.

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Jetzt erhoben die Berliner Vororte dagegen Einspruch, all den Unrat der Reichshauptstadt bei sich aufzunehmen, und so war man genötigt, an ein anderes Verfahren zu Denken, um sich desselben zu entledigen. Nach dem Vorbilde englischer Städte, in denen man mit der Vernichtung des Mülls durch Feuer die besten Erfahrungen gemacht hatte, wurde ein nach einem Patent des Ingenieurs Karl Wegener konstruierter Müllschmelzofen auf den Grundstück Gitschinerstraße 14/15 unmittelbar am Wasser erbaut (siehe das Bild auf S. 312). Er ist aus Eisen und feuerfestem Backstein errichtet und drei Stockwerke hoch! Der Müll welcher ihm in fest geschlossenen eisernen Kästen von etwa 1 Kubikmeter Inhalt teils auf dem Wasserwege, teils auf Lastwagen zugeführt wird, gelangt mittels elektrisch betriebenen Aufzugs zunächst in den dritten Stock, wo er durch trichterartige Öffnungen eingeschüttet (siehe die Eckvignette oben rechts) und in dem darunter liegenden zweiten Stockwerk durch große rotierende, in einer geneigten Ebene liegende Trommeln (welche die Eckvignette unten links darstellt) weiterbewegt wird.

Der Ofen, in dem oberen Teil nunmehr der Müll fällt, wird durch Kohlentaub geheizt, indem ihm ebenfalls am oberen Ende, durch eine besondere Vorrichtung (Patent Wegener) ein mit Kohlentaub vermischter heißer Luftstrom zugeführt wird, in dessen Flammengluten von 1500 Grad Celsius der Müll vergast und schmilzt. Dieser geschmolzene Müll bildet am Boden des Ofens eine flüssige Glasschlacke, welche in Wasserbecken tropft und dadurch erhärtet. Sie kann in der Industrie weitere Verwendung finden, und so wird ein Teil der Betriebskosten durch ihren Verkauf gedeckt.

In gesundheitlicher Hinsicht ist eine beere Lösung der Müllfrage wohl kaum möglich, und seit dem Frühling 1899 vernichtet der Berliner Müllschmelzofen unter Aufsicht der Stadt ungeheure Mengen Unrats, da er am Tage durchschnittlich 1.000 bis 1.200 Zentner Müll verbrennt. Es ist zu hoffen, dass andere deutsche Großstädte, in denen die „Müllfrage“ ebenfalls eine wichtige Rolle spielt, dem Beispiel Berlins bald folgen und das hier geschilderte

Der neue Müllschmelzofen in Berlin

Der neue Müllschmelzofen in Berlin

Der neue Müllschmelzofen in Berlin EG

Der neue Müllschmelzofen in Berlin EG

Der neue Müllschmelzofen in Berlin OG

Der neue Müllschmelzofen in Berlin OG