Der St. Valentintag

Autor: Aus: Der Sammler: Ein Unterhaltungsblatt, Band 23, 1831, Erscheinungsjahr: 1831
Themenbereiche
Enthaltene Themen: St. Valentintag, Valentinstag, Liebespaare, Braut, Liebe, Verlobung, Verlobte, Geschenke, süße Wünsche, Gebräuche, Valentine, Valentin
In England gilt der dem Märtyrer Valentin geweihte Tag, der 14. Februar, mehr als jeder andere. Jeder, der ein Mädchen hat, sendet ihr da süße Worte in niedlichen Briefen, so dass auf dem Londoner Penny-Postamte besondere Briefträger angenommen werden müssen. Die Sitte ist uralt daselbst. Schon Shakspeare konnte seine Ophelia in einer zu seiner Zeit alten Ballade singen lassen:

Auf morgen ist Valentintag,
Wohl an der Zeit noch früh,
Und ich, eine Maid am Fensterschlag,
Will sein dein Valentin.
Aber woher die Sitte, an diesem Tage gerade dem Liebchen süße Wünsche zuzuflüstern, ihr zu schreiben und Geschenke zu geben? — Heidnischen Festen wurden bei Einführung des Christentums gern christliche Gebräuche untergeschoben, um, weil die meisten nicht zu verdrängen waren, ihnen wenigstens eine andere Bedeutung zu geben. Den meisten christlichen Festen entspricht auch eines bei den alten Deutschen, als sie noch Heiden waren. So wurde also sehr früh, in Frankreich wenigstens, auf diesen Tag jede Verlobung junger Leute verlegt. Die Braut hieß von nun an Valentine und er der Valentin. Er war verbunden, ihr ein Geschenk zu machen. Durch die Normannen kam dies Fest nach England. Später fiel nun zwar die Sitte weg, sich an diesem Tage zu verloben, aber kecker und dreister wagte doch auch der Schüchternste unter dem Schutze des Heiligen gleichsam seine Liebe zu gestehen. Wer keine Valentine hatte, ließ unter seinen weiblichen Bekannten das Los entscheiden.

„Sprich mir von Wahl nicht!“ — ruft einer in einem alten englischen Lustspiele. — „Wenn ich ein mahl ans Heiraten denken sollte, so nehme ich mir ein Weib blindlings, wie eine Valentine. Ich lasse das Los darüber entscheiden; so darf ich doch nicht fürchten, durch die Wahl betrogen zu werden.“

Warum gilt dieser Tag so viel in England und nicht unter uns? —Auf diese Frage zu antworten ist uns nicht möglich, wir müssten denn den Gemeinspruch geltend machen:

„Ländlich, sittlich!“