Abschnitt 2

Der Soldat und das Feuerzeug


Ganz mißmuthig und zerzweifelt ging er in seinen Gasthof zurück und legte sich zu Bett. Er konnte kein Auge zuthun und wälzte sich voll Unruhe von einer Seite auf die andere. Endlich, weil ers im Bette gar nicht aushalten konnte, stand er auf und ging im Zimmer auf und ab. Da fiel ihm mit einem Male die Pfeife und das Feuerzeug ein, das er mit aus dem verwünschten Schlosse gebracht hatte, und weil ihm seine trüben Gedanken gar keine Ruhe ließen, so dachte er zu seiner Zerstreuung eine Pfeife zu rauchen, nahm das Feuerzeug und pinkte, daß die Funken flogen. So wie er aber den ersten Schlag that, stand plötzlich ein allmächtig großer Riese vor ihm, der war einer von den dreien, die in dem verwünschten Schlosse das Geld bewachten. „Was befiehlt der Herr?“ fragte der Riese. „Bringe mir einen Sack voll Geld!“ sprach der Soldat. Kaum hatte er das Wort gesagt, so war der Riese auch schon wieder fort, und kam bald zurück und schleppte einen großen Maltersack voll Geld herein. „So!“ sprach der Soldat; „nun hole mir auch die jüngste Prinzessin her.“ Der Riese lief fort und brachte die Prinzessin mit sammt der Bettstelle. Nachdem nun der Soldat die Prinzessin tüchtig abgeküßt hatte, mußte sie der Riese wieder forttragen.


Den andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrer Mutter: „Ach liebe Mutter, diese Nacht wars mir doch gerade, als hätte mich ein Riese mit der Bettstelle zu einem schönen Prinzen getragen und der hätte mich geküßt.“ „Liebes Kind“, sprach die Mutter, „das sind Träume, denke nicht mehr daran.“

In der folgenden Nacht nahm der Soldat wieder sein Feuerzeug und schlug Feuer. Sogleich erschien der Riese und fragte: „Was befiehlt der Herr?“ „Hole mir die Prinzessin her“, sprach der Soldat. Der Riese lief fort und brachte sie mit sammt der Bettstelle. Nachdem nun der Soldat die schöne Prinzessin wieder tüchtig abgeküßt hatte, mußte sie der Riese wieder forttragen.

Den andern Morgen sprach die Prinzessin zu ihrer Mutter: „Ach liebe Mutter, diese Nacht war mir’s doch grade so wieder wie vorige Nacht; ein Riese trug mich zu dem schönen Prinzen und der hat mich geküßt.“ „Liebes Kind“, sprach die Mutter, „das sind Träume; denke nicht mehr daran.“ Es kam der Königin aber doch sonderbar vor, daß das Mädchen zwei Nächte hinter einander immer denselben Traum gehabt hatte, und weil sie gern gewußt hätte, ob etwas Wahres daran sei, so nähte sie einen Beutel, füllte ihn mit Erbsen, schnitt ein kleines Loch hinein, daß die Erbsen allmählich herauslaufen könnten, und hängte ihn an der Prinzessin ihr Bett. In der Nacht kam der Riese auch richtig wieder an; während er aber die Prinzessin forttrug, fielen, ohne daß er etwas merkte, die Erbsen nach und nach aus dem Beutel heraus auf den Boden den ganzen Weg entlang, und als nun die Königin am andern Morgen nachsah, merkte sie wohl, daß ihres Töchterleins Träume nicht ohne Grund waren. Die ausgestreuten Erbsen verriethen ihr den Weg, den der Riese gegangen war, nach dem Gasthause bis vor des Soldaten Zimmerthür. Da nahm sie den Wirth heimlich beiseite und befragte ihn, wes Standes und Herkommens der Gast wäre, der da bei ihm im Hause wohnte. Der Wirth sprach, er wüßte es selber nicht so recht, aber es müßte wohl ein abgedankter Soldat sein, der plötzlich zu vielem Gelde gekommen sei; als er angekommen, hätte er eine alte schmutzige Soldatenuniform getragen. Da lief die Königin schnell hin und holte die Wache, die nahm den Soldaten, ehe er sich’s versah, gefangen und brachte ihn in einen festgemauerten Gefängnißthurm. Der König, da er die Sache erfuhr, verurtheilte den Soldaten zum Tode.

Nun hätte sich der Soldat leicht befreien können, wenn er nur sein Feuerzeug gehabt hätte, das hatte er aber in der Eile in seinem Gasthofe liegen lassen. Den andern Tag sollte er hingerichtet werden. Da saß er nun schon des Morgens ganz früh, da eben der Tag anbrach, ganz traurig vor dem Gefängnißgitter, und wie er so auf die Straße hinaussah, ging da gerade seines Wirthes Dienstmagd vorbei und hatte Milch geholt. Da rief er das Mädchen an und versprach ihr viel Geld, wenn sie ihm sein Feuerzeug holen wollte, das er auf seinem Zimmer vergessen hätte. Das Mädchen lief auch schnell hin und brachte es ihm. Da schlug der Soldat Feuer und sogleich stand der Riese vor ihm und fragte: „Was befiehlt der Herr?“ „Befreie mich aus diesem Gefängnisse“, sprach der Soldat. Da lief der Riese fort und holte seine beiden Kameraden, und nun brachen sie die Mauer entzwei, daß der Soldat glücklich in Freiheit kam. Als das geschehen war, sprachen die Riesen: „Wir haben dir nun so viele Dienste geleistet, daß du uns auch wohl den Gefallen thun kannst, uns zu erlösen. In dem verwünschten Schlosse hängt in dem ersten Zimmer ein Schwert an der Wand, damit mußt du uns und den wilden Thieren die Köpfe abschlagen, dann hört die Verwünschung auf.“ „Ja,“ sagte der Soldat, „so schwer es mir auch wird, an euch meinen Wohlthätern so zu handeln, wenn es nicht anders sein kann, will ich es doch gerne thun. Nur müßt ihr mir aber noch zu guter Letzt die jüngste Prinzessin holen, denn ohne die kann ich nicht leben.“ Da liefen die Riesen fort und brachten sie ihm. Der Soldat nahm sie nun mit nach dem verwünschten Schlosse. Dort setzte er sich wieder auf den großen Stein bis die Glocke zwölf schlug, ging dann in das Schloß, fand das Schwert und hieb damit den Riesen und den wilden Thieren, die das Schloß bewachten, die Köpfe ab. Da ertönte auf einmal die schönste Musik und entstand ein Gewühl fröhlicher Menschen, die huldigten dem Soldaten als ihrem König. Der Soldat aber hielt bald darnach Hochzeit mit seiner schönen Prinzessin.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Soldat und das Feuerzeug