Der Hammeltanz in Hornberg

Aus: Deutsche Volksfeste im 19. Jahrhundert
Autor: Reimann, Friedrich August (?) Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1839
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Sittengeschichte, Gebräuche, Volksfeste
Nationaltänze finden sich bei allen Völkern, selbst bei den rohesten, die noch nicht einmal feste Wohnsitze gewonnen haben. Es ist dem Menschen natürlich, seine Fröhlichkeit durch mancherlei angemessene Bewegungen auszudrücken und auch das Maß für diese verschiedenen Sprünge und Stellungen, oder den Takt musste er zugleich in sich selbst entdecken. Die Vereinigung von Musik und Tanz ist daher eine der frühesten Erscheinungen zum gesellschaftlichen Leben und da jene schon ursprünglich bei der gottesdienstlichen Feier gebraucht wurde, so gesellte sich nun auch bald dieser hinzu.

Ohne Zweifel nahm der Tanz schon in den ältesten Zeiten einen mimischen Charakter an, wie aus ihm dann auch wohl die ersten theatralischen Darstellungen hervorgingen. Dies bestätigt sich historisch durch die Uranfänge der Tragödie bei den Griechen und die störrischen Spiele bei den Römern.

Die nationale Eigentümlichkeit eines Volkes musste sich notwendig auch seinen Tänzen mitteilen. Sie nahmen daher einen rein plastischen Charakter an bei den Hellenen und wurden bloßes Spiel in Rom, wo die bildende Kunst nur eingewandert war aus der Fremde und nie, bis auf die spätere Zeit, sich ganz heimisch machen konnte. Kriegerisch war der Tanz in Sparta und im allen Germanien, wie es die Bewohner selbst waren, und immer scheint er, in Form und Bedeutung, gleichen Schritt mit den Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen der Völker gehalten zu haben, bis er sich, wie alles öffentliche Leben, zuletzt überall in den engen Bezirk geselliger Kreise zurückziehen musste.

Zu dem Wenigen, was sich von früheren Volksbelustigungen und Volksfesten in den Bergen und Tälern Badens erhalten, gehören auch verschiedene Tänze, unter denen der Hammeltanz zu Hornberg begangen wird, aber auch in andern Gegenden noch vorkommt.

Das Städtchen Hornberg liegt an der Gutag, in einem der schönsten Täler des Schwarzwaldes, wo sich dem Landschafter herrliche Partien zu seinen Studien darbieten. Das Schloss, welches freundlich von seiner waldigen Höhe herabschaut, wurde bereits im elften Jahrhunderte von den Freien von Hornberg bewohnt, unter denen Arnold, im zwölften Jahrhundert, das Kloster Enz stiftete. Sie waren Herren der ganzen Umgegend, aber nach dem Erlöschen ihres Geschlechts, fiel ihr Besitztum an das Kloster St. Georg und später an Württemberg, bis es durch den Pariser Vertrag, im Jahr 1810, an Baden abgetreten wurde. Das Tal ist nicht unfruchtbar und eine vielbesuchte Heerstraße nach Oberschwaben und der Schweiz zieht durch dasselbe hin.

Der Hornberger Hammeltanz unterscheidet sich wenig von den andern ähnlichen Tänzen. Ein Tuch an einem Stabe, der Preis der Tänzerin, bezeichnet den Schauplatz. Ein stattlicher Hammel, mit Bändern und Kränzen geziert, wird von Knaben herbeigeführt. Im Sonntagsputze sammeln sich die jungen Burschen mit ihren Mädchen und der Tanz beginnt im Freien nach der ländlichen Musik. Ein Pärchen walzt im Kreise herum, dann ein zweites, dann ein drittes, bis die Reihe durch ist, und nun beginnt sie wieder von vorn. In einem doppelten Reifen, der an einer brennenden Lunte befestigt ist, hängt ein mit Wein gefülltes Glas, und dem Tänzer, welcher eben an der Reihe ist, da das Glas fällt, wird der Hammel als Preis zu Teil. Der Sieger muss dann die übrige Gesellschaft in der Schenke bewirten, weswegen es immer so eingerichtet wird, dass das Los des Tags auf einen Reichen falle.

Man sieht auch hier die uralte germanische Sitte, jedes Fest und jede öffentliche Handlung mit einem Trinkgelage zu beschließen, eine Sitte, die sich nicht bloß unter dem Volk erhalten hat. Andere Völker, welche uns die Neigung zum Trunk, als eine der Nation eigentümliche sittliche Unart, vorwerfen, mögen hierin eine Bestätigung ihrer Meinung zu finden glauben. Man tut uns unrecht. Im deutschen Charakter liegt ein schönes Bedürfnis zur Mitteilung, eine entschiedene Neigung zur zwanglosen Freude, welche für wenige heitere Stunden die beengenden Schranken des gesellschaftlichen Lebens aufhebt und alle Sorgen und Mühen in kurze Vergessenheit begräbt. Solche Feste und Spiele erscheinen als eine Wiederholung der Saturnalien, durch welche unter den Römern das Andenken an den freundlichen Traum einer goldenen Zeit erhalten wurde, welche Tibull so reizend schildert:

Unter Saturnus Gebot wie lebte man glücklich, bevor man
Durch die Erde so weit laufende Wege gebahnt!
Nirgends hatte noch Türen ein Haus und nirgends im Felde
Stand, zu ordnen der Flur sichere Grenzen, ein Stein.

Haben auch dergleichen Volksspiele und Volksfeste längst ihre schöne ursprüngliche Bedeutung verloren, so verdienen sie doch noch eben so wohl erhalten zu werden, als unsere Kinderfeste. Der Quell liegt tief und wird nie versiegen. Aus der dumpfen Verengung strebt das frische Jugendleben hinaus in das Licht und die Freiheit und manche Hoffnung und Erinnerung knüpft sich an die sparsam zugemessenen Tage, welche mit ihrer harmlosen Freude jährlich wiederkehren.

Hornberg, Stich von M. Merian um 1643

Hornberg, Stich von M. Merian um 1643

Hornberg, Blick vom Schloss

Hornberg, Blick vom Schloss

Hornberg, Stadtbrunnen

Hornberg, Stadtbrunnen

Herr Bruno von Hornberg

Herr Bruno von Hornberg