Der Golfstrom: Seine Entstehung und sein Einfluss auf das Klima des nordwestlichen Europas

Wissenschaftliche Beilage zum Programm des Gymnasiums und der Realschule in Bremerhafen.
Autor: Lämmerhirt, Hermann Dr. (? - ?) Gymnasiallehrer, Erscheinungsjahr: 1887

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Golfstrom, Meeresströmung, Klima, Klimawandel, Natur, Umwelt, Erdkunde, Geographie, Wetter
Um vorigen Jahre wurde von mehreren deutschen Zeitungen „ein in Amerika vor kurzem aufgetauchtes Projekt“ besprochen, welches „eine Aufbesserung des sehr schlechten Klimas der Ostküste durch Ablenkung der an derselben dahinstreichenden kalten Polarströmung“ herbeifuhren soll, und daran folgende Betrachtung geknüpft: „Diese Strömung kommt von dem unwirtlichen Meer, welches Grönland im Westen begrenzt, und zieht durch die sehr schmale Belle-Isle-Straße zwischen Labrador und Neufundland. Gelänge es, diese Straße durch einen Damm abzusperren, so würde der Strom seinen Weg östlich dieser Insel nehmen müssen, die Küsten der bewohnten Teile Nordamerikas nicht mehr erreichen und, was noch wichtiger ist, den warmen Golfstrom, mit dem er zusammentrifft, nicht mehr von diesen Küsten ablenken, wodurch deren Temperaturdurchschnitt um viele Grade verbessert würde. Technisch ausführbar erscheint nach den vorliegenden Berichten die Sache; es fragt sich aber, ob die europäischen Mächte nicht ihr Veto ein legen würden. Die Ablenkung der Polarströmung könnte nämlich leicht die Folge haben, dass der Golfstrom nach Süden gedrängt wird, alsdann Europas Küsten nicht mehr bespült, was uns zu einem Sibirischen Klima verhülfe, für welches sich nur die enragierten Liebhaber des Eissportes begeistern dürften.“

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Inhaltsverzeichnis
  1. Lauf der nordatlantischen Strömungen
    1. Die Äquatorialströmungen
    2. Der Floridastrom
  2. Entstehung des Golfstroms
    1. Niveau-Erhöhungen
      1. Wirkung der Attraktionskraft resp. der Flutströmungen
      2. Wirkung der Rotationskraft
      3. Wirkung der Passatwinde
      4. Wirkung des Unterschiedes des spezifischen Gewichts und der Temperatur
    2. Gravitationstheorie
  3. Einfluss auf das Klima Westeuropas
Viele Leser dieser Zeitungsberichte, welche nur eine oberflächliche Vorstellung von jenen Strömungsverhältnissen haben, mögen schon in Gedanken sich in jene Zeiten versetzt haben, da Deutschland und Nord Westeuropa ihre Eiszeit hatten; halb zweifelnd, halb ängstlich stellte ihnen vielleicht die geschäftige Phantasie große Kämpfe zwischen Europa und Amerika um den Status quo vor Augen. Viele aber, denen Ursprung und Wesen der atlantischen Strömungen genauer bekannt sind, werden mit dem Kopfe geschüttelt und die Leichtgläubigkeit oder auch die Phantasie der Nordamerikaner belächelt haben. Denn jenen ist es schon längst bekannt, dass der kleine Arm der Labrador-Strömung, der zwischen Labrador und Neufundland hindurchgeht, gar nicht in Betracht kommt gegen die mächtigen arktischen Wassermassen, die östlich von Neufundland vorüberströmen und zwischen dem 40.° und 50.° n. Br. *), und desgleichen. W. L. vergeblich versuchen, den Golfstrom von seiner Richtung auf die Dauer abzulenken. Vielmehr tauchen die polaren Wasser zum größten Teil unter den Golfstrom, zum geringeren Teile werden sie, vielleicht auch durch die Erdrotation, nach Westen hin abgelenkt und bespülen die Küste Nordamerikas bis zum Cap Hatteras als Oberflächenstrom. Jedenfalls aber hat jener amerikanische Humbug den Erfolg gehabt, viele Deutsche respektive Westeuropäer auf einen Wohltäter ihres Landes, wie er von gleicher Bedeutung kaum wieder gefunden werden wird, aufmerksam zu machen und sie zu genaueren Studien über dieses wunderbare Meeresphänomen anzuregen.

*) Nach Greenwich.

Austernschlepper in der Nordsee

Austernschlepper in der Nordsee