Der Antrag auf Einführung gemeinschaftlichen Maßes und Gewichtes in Deutschland.
Aus: Bremer Handelsblatt: Wochenschrift für Handel, Volkswirtschaft und Statistik. Jahrgang 1860. Nr. 430-481
Autor: Redaktion - Bremer Handelsblatt, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Mecklenburg, Zollverein, einheitliche Maße und Gewichte, Normen, Meter, Handelshindernisse
Die Regierungen der Würzburger Konferenz haben in der Bundestagssitzung vom 22. Februar 1860 folgenden Antrag gestellt:
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Unter den Überlieferungen aus einer Zeit, in welcher der Handelsverkehr in Deutschland meist lokaler Natur war, hat sich in Folge der wirtschaftlichen Abgeschlossenheit der einzelnen Städte und Territorien bis in die neuesten Zeiten eine große Verschiedenheit der Maße und Gewichte erhalten. Erst in den letzteren Dezennien ist es gelungen, innerhalb der einzelnen Bundesländer Maß- und Gewichtseinheit herzustellen, für ein größeres Gebiet ist aber nur bezüglich des Gewichts ein weiterer Schritt zunächst dadurch geschehen, dass für die Verzollung innerhalb des Zollvereins ein einheitlicher Maßstab eingeführt worden ist, und es hat sich seitdem das Gebiet dieses Gewichtssystems bekanntlich dadurch erweitert, dass dasselbe vertragsmäßig auch für den Post- und Eisenbahnverkehr angenommen, sodann aber in der Mehrzahl der Bundesstaaten zum Landesgewicht erhoben worden ist. Hinsichtlich des Gewichtes bedarf es demgemäß nur des Anschlusses an letztere Maßregel von Seiten jener Bundesstaaten, in welchen noch ein eigentümliches Landesgewicht besteht; ein solcher Schritt würde aber unfehlbar durch eine desfallsige Vereinbarung im Schoße hoher Bundes-Versammlung wesentlich erleichtert und gefördert werden. Größere Verschiedenheit besteht zur Zeit noch bezüglich des Maßsystems in den einzelnen deutschen Staaten, und deshalb sowohl, als auch der Natur der Sache selbst nach stellen sich der Herbeiführung einer Gleichmäßigkeit in dieser Beziehung allerdings größere Schwierigkeiten entgegen. Gleichwohl dürfte nicht zu verkennen sein, dass auch auf diesem Gebiet das Bedürfnis übereinstimmender Normen mit dem wachsenden Verkehr sich mehr und mehr geltend macht, und namentlich tritt dasselbe bei dem Längenmaße so entschieden hervor, dass zu technischen Zwecken und in der Literatur die Gewohnheit um sich greift, statt der Landesmaße sich eines in weiteren Kreisen bekannten Maßstabes, des meter, zu bedienen. So erheblich die entgegenstehenden Schwierigkeiten sein mögen, so wird sich deshalb doch auch in Bezug auf das Maßsystem der Versuch rechtfertigen, die Herbeiführung gleichmäßiger Normen so weit immer möglich anzustreben, und es stellen demgemäß die vorgenannten Regierungen den Antrag, hohe Bundesversammlung wolle sich die Einführung gleichen Maßes und Gewichtes in allen Bundesstaaten zur Aufgabe stellen, hiernach aber zunächst einen Ausschuss mit Begutachtung der zu diesem Zwecke zu treffenden Einleitungen beauftragen.“
So wenig auch gemeinschaftliches deutsches Maß und Gewicht als genügende Abschlagszahlungen für das Bedürfnis nach deutscher Einheit angesehen werden können, so ist doch die Anerkennung der Notwendigkeit, dem Einheitsdrange der Nation etwas bieten zu müssen, an sich nur willkommen zu heißen. Dagegen muss der Vorschlag, mit Hilfe des Bundes zur Erreichung des Zieles zu gelangen mit Hinblick auf die Erfahrung der letzten Jahrzehnte unpraktisch genannt werden. Gerade die Reformen auf materiellem Gebiete sind durch Sonderverträge der deutschen Regierungen außerhalb des Bundes zu Stande gekommen. Wir brauchen nur an den Zollverein, an die Reformen im Postwesen, Münzwesen, Telegraphenwesen, Eisenbahnwesen, Heimatwesen zu erinnern. Jedenfalls wäre ein wirksamerer Schritt nach dem erwünschten Ziele hin von Seiten der Regierungen der Würzburger Konferenz getan worden, wenn sich dieselben vor der Hand unter sich geeinigt und bestimmte Vorschläge, die sich zur allgemeinen Annahme eignen, gemacht hätten. —
So wenig auch gemeinschaftliches deutsches Maß und Gewicht als genügende Abschlagszahlungen für das Bedürfnis nach deutscher Einheit angesehen werden können, so ist doch die Anerkennung der Notwendigkeit, dem Einheitsdrange der Nation etwas bieten zu müssen, an sich nur willkommen zu heißen. Dagegen muss der Vorschlag, mit Hilfe des Bundes zur Erreichung des Zieles zu gelangen mit Hinblick auf die Erfahrung der letzten Jahrzehnte unpraktisch genannt werden. Gerade die Reformen auf materiellem Gebiete sind durch Sonderverträge der deutschen Regierungen außerhalb des Bundes zu Stande gekommen. Wir brauchen nur an den Zollverein, an die Reformen im Postwesen, Münzwesen, Telegraphenwesen, Eisenbahnwesen, Heimatwesen zu erinnern. Jedenfalls wäre ein wirksamerer Schritt nach dem erwünschten Ziele hin von Seiten der Regierungen der Würzburger Konferenz getan worden, wenn sich dieselben vor der Hand unter sich geeinigt und bestimmte Vorschläge, die sich zur allgemeinen Annahme eignen, gemacht hätten. —