Das Residenzmuseum in München - Hofgartenzimmer und Königsbau

Autor: Feulner, Adolf Dr. (1884-1945) Kunsthistoriker. Konservator des Residenzmuseums. In seinem Spätwerk ist der Einfluss nationalsozialistischer Ideologie erkennbar, Erscheinungsjahr: 1922
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Bayern, München, Residenzmuseum, Architektur
Als Nachfolger Karl Theodors kam 1799 Max IV. Joseph von Zweibrücken-Birkenfeld auf den bayrischen Thron. Nach dem Ableben seines Bruders Karl III. August war er regierender Herzog in Pfalz-Zweibrücken geworden und dazu erbte er jetzt noch die ganzen Wittelsbachischen Lande. Früher als Oberst in Straßburg im französischen Militärdienst und nun regierender Kurfürst von Bayern und Pfalz. Für den Umzug des neuen Herrschers genügten die bestehenden Räume der Münchner Residenz nicht mehr. Sie waren veraltet, unmodern und unpraktisch. Der in französischer Kultur erwachsene Fürst war an Besseres gewöhnt. Es mussten neue Wohnzimmer geschaffen werden, die mehr auf einen Innenhof gingen, die Aussicht ins Freie boten — die Zeit der Rokoko-Naturromantik hatte schon längst begonnen — die auch im Stil modernen Bedürfnissen entsprachen. Als Platz für diese neuen Wohnzimmer war der Nordflügel der Residenz am Hofgarten gerade recht. Zunächst ließ sich Max IV. von Verschaffelt, dem Sohne des Pfälzer Bildhauers, dem damaligen Direktor des Münchner Hofbauamtes, einen Vorschlag über ein größeres Projekt machen, das den Umbau des ganzen Flügels in den beiden Hauptgeschossen und im Dachgeschoss zur Folge gehabt hätte (24. März). Vergebens wandte der kunstverständige Regierungsvizekanzler Stephan Freiherr von Stengel gegen dieses Projekt ein, dass damit die schönsten Säle der Residenz, der Kaisersaal und der Vierschimmelsaal fallen müssten, dass also an Wert viel mehr zerstört würde, als dafür hergestellt werde, dass auch aus praktischen Gründen der Umbau, der doch nur ein Flickwerk bleibe, nicht zu empfehlen sei, dass die Wohnräume im kalten Nordflügel, am stinkenden Stadtgraben an sich schon unangenehm, ja ungesund würden, und dass an der Südseite, wo das Stiegenkloster im Schutt läge, ein passenderer Neubau mit ungleich billigeren Mitteln geschaffen werden könne. Keine Einwendung half. In der Staatskonferenz vom 26. März 1799 bestimmte der Kurfürst, dass die bisherigen Pläne auf sich beruhen sollten; er werde für den Umbau seinen eigenen Architekten von Mannheim kommen lassen. Damit wurden die Prachtsäle Maximilians dem Untergang geweiht; die deutsche Kunst ist um Meisterwerke höchsten Ranges ärmer geworden.

Dieser pfälzische Leibarchitekt war Charles Pierre Puille, schon ein alter Herr, der auch im künstlerischen Geschmack nicht mehr auf der Höhe stand. Einige Daten dürfen hier eingefügt werden, da über den Umbau und den Baumeister bisher völlige Unklarheit herrschte. Karl Peter Puille war 1731 in Paris geboren. Er wird auch als marchand tapissier bezeichnet, ein Titel, der wohl mit dem weiteren Begriff eines Innenarchitekten übersetzt werden darf. Als Max Joseph noch französischer Oberst war, hatte er von Puille die Möbel bezogen und diesem dann statt der verlangten 4.000 Livres, die er nicht bezahlen konnte, eine Hypothek auf die Rentei Rappoltsweiler gegeben. Seit 1790 wird Puille als Bauinspektor genannt, 1794 war er als alter Knabe in den Ruhestand gegangen. Bald nach der Vollendung der Umbauten, am 1. April 1805 ist er auch im Alter von 74 Jahren gestorben, nachdem er dreißig Jahre im Dienst des Fürsten gestanden hatte. Jetzt kam nachträglich noch der Lohn für seine früheren Dienste. Am 26. April 1799 erfolgte seine neue Bestallung. Es wurde ihm die „Direktion des Baues der Wohnung der Durchlauchtigsten Frau Kurfürstin und der höchsten Herrschaften" übertragen; das Münchner Hofbauamt wurde ihm dazu unterstellt. Mit dem Umbau wurde sofort begonnen, da aber in den Wirren der Zeit die Geldquellen versiegten, musste sich der Kurfürst 1800 entschließen, den Bau seiner eigenen Appartements aufzuschieben und nur die seiner Gemahlin fertigstellen zu lassen, 1803 war alles vollendet. Unterstützt wurde der ältere Puille von seinem Sohne Karl Ludwig Puille (Rittershausen nennt ihn den jungen Bill), der später Hofbaukondukteur in Nymphenburg wurde und dort 1858 gestorben ist. Über die beteiligten Meister ist wenig bekannt. In den Akten werden nur subalterne Kräfte genannt, der Hofhafnermeister Michael Ecker, der Hofkistlermeister Heinrich Hammer, der Hofzimmermeister Johann Baptist Erlacher. Dass die geschnitzten Dekorationen und Ornamente der Bildhauer Franz Schwanthaler fertigte, berichtet der alte Rittershausen in einer 1803 erschienenen Beschreibung, und dass auch der Bildhauer Peter Paul Schöpf mitgearbeitet hat, erzählt Nagler. Vieles ist inzwischen verändert. Die Skulpturen von Boos, Muxel und Lemoine, die Gemälde von Simon Klotz und Seidel, die Seidentapeten sind verschwunden. Die übrige Ausstattung war wohl schon ursprünglich Import, wie noch heute.

Innerhalb der Renaissanceräume Maximilians stehen die Hofgartenzimmer wie ein Fremdkörper, der den Rhythmus barbarisch unterbricht. Sie sind auch ein Fremdkörper in der Münchner Kunst. Der sie gebaut hat, war ein Franzose; die Stilstufe, die er vertritt, entspricht etwa dem französischen Louis-seize der Zeit um 1770. Unmittelbares Vorbild waren die Zimmer von Ludwig XVI. und Marie Antoinette in Versailles, die Rousseau entworfen hat. Um 1800 war in Paris schon der sogenannte Directoirestil überwunden, der Empirestil hatte bereits eingesetzt, der reine Klassizismus stand schon in voller Blüte. Was in den Hofgartenzimmern geschaffen wurde, ist für diese Jahre veraltet» ein Nachklang des Rokoko, als solcher allerdings eine Schöpfung von entzückender Feinheit. Zwei Räume sind hervorzuheben, der Thronsaal und das Spiegelkabinett. Es sind die Räume, die intakt geblieben sind. Die ursprüngliche Folge war Gardenzimmer, Antichambre der Kavaliere, Gesellschaftssaal (heute Thronsaal), Audienzzimmer (mit dem großen Thron, die Wände mit goldenen Tapeten belegt), Schlafzimmer mit Kabinetten. Der Thronsaal, der jetzt repräsentativen Zwecken dienen muss, trägt eine etwas strengere Note. Man muss sich, um den Unterschied gegenüber dem Rokoko zu erfassen, die Gliederung der Kurfürstenzimmer oder der Reichen Zimmer ins Gedächtnis zurückrufen. Der Unterschied lässt sich ganz äußerlich mit den Worten: Rückkehr zur Tektonik festlegen. Wand und Decke sind wieder getrennt; die schmale Hohlkehle stellt eine Vermittlung her, lässt aber nicht, wie im Rokoko, eine Verschmelzung zu. Die Wand ist entsprechend in streng geometrische, isolierte, flächige Felder aufgeteilt. Der Rhythmus ergab sich ohne weiteres aus der durchgehenden Türachse. Entsprechend auf der Innenseite eine blinde Türe; diese Türenfelder durch Supraporten und Türfüllungen kleinteilig abgeteilt; in der Mitte beherrschend das große Spiegelfeld. Demnach auch hier, wie im Rokoko, ein dreitaktiger Rhythmus, der die Wände der Räume zur Einheit zusammenbindet. Analog ist die Einteilung an der Längswand, wo der Thronbaldachin die Mitte, den Lebensnerv des Raumes, betont. Die dazwischen liegenden Schmalfelder sind zum Teil mit einem neutralen Flächenornament gefüllt. In den Feldern seitlich der Mittelachse steigt die dichtere freigeschnitzte Füllung mit Emblemen der Jagd, des Ackerbaues, des Krieges, der Landwirtschaft — die sinnbildliche Bedeutung braucht ja nicht im einzelnen erklärt zu werden — nur bis zur Mitte des Feldes, sie verlegt mit den Möbeln das Schwergewicht auf den Sockel. Darüber waren ursprünglich Köpf „en medaillon mit Blumen und Girlanden umkränzt von Klotz". Bindend im weiteren Sinne wirkt dann die Farbe in der gleichmäßigen Wiederkehr von Weiß und Gold. Auch die Möbel sind durch Farbe, Form und Dekoration noch mit der Wand verbunden, wenn auch nicht in dem Sinne eingebunden wie im Rokoko. Der räumliche Sinn des Rokoko ist noch wach. Wichtig die Elemente der Ornamentik, die zugleich die Quellen berühren, aus denen der neue Stil des frühen Klassizismus Anregung zieht; Antike und Natur. Überall kehren die antikisierenden Akanthusranken, die „Zierraten à la grecque", Palmetten, Vasen, Trophäen wieder, verbunden mit naturalistischen Blüten, Zweigen, Ranken, die jetzt noch mehr nach ihrem Eigenwert durchgeformt sind, wie im Rokoko. Aber die ganze Ornamentik bleibt in der Fläche, selbst im starken Relief ist der Flächenrhythmus ausschlaggebend. Die Kleinteiligkeit, Zierlichkeit der Gliederung bestimmt den Gesamteindruck. Sicher lag es in der Absicht des Erbauers, dem Saal den Charakter des Würdevollen, Repräsentativen zu geben; aber trotz der strengen Klarheit der Gliederung, der feierlichen Abtönung in Weiß und Gold kommt der Gesamteindruck über zurückhaltende Anmut nicht hinaus. Die Zierlichkeit der Raummaße, der Proportionen, der Ornamentik entscheidet. Schließlich bleibt die Feinheit des Einzelnen das Bestimmende, namentlich in dem entzückenden kleinen Boudoir, dem Spiegelzimmer, das mit feinstem Geschmack und zartestem Raffinement ausgestattet ist.

Ein niedriger Raum von intimsten Proportionen, die Decke bemalt mit der untergehenden Sonne, — die Symbolik der Dekoration ist wieder aus der Zweckbestimmung ohne weiteres ersichtlich. Darunter ein durchgehender Fries, ohne Vertikalteilung, aber die Ornamentik abgesetzt nach der Vertikalgliederung der Wandfelder. Für die Feldereinteilung gab den Modulus die Türe, die an der Innenseite ganz mit einem Spiegel verkleidet ist. Das gleiche Spiegelfeld kehrt an der Seitenwand zweimal wieder. Das geschnitzte Zwischenfeld ist abgeteilt in quadratischen Sockel und Hochfüllung. Die Rückwand zeigt reicheres plastisches Leben. Zwei zierliche Balustersäulchen rahmen den Alkoven, tragen den Fries. Der Alkoven selbst von einer zartfarbigen Draperie mit Streublumen und Stickereien gesäumt, deren Muster auf dem Sofa, den Stühlen, dem Vorhang wiederkehrt, im Innern seitlich und oben mit Spiegeln ausgeschlagen, die vervielfachen, verunendlichen, was auf dem Sofa, auf das Amors Opferherd gestickt ist, in verschwiegenen Stunden die Liebesgötter als Weihgabe empfingen. Ein Hauch zarter, sinnlicher Anmut umfängt uns in diesem kleinen Raum, in dem, wie in einem Liebesnest, alle Trophäen und Embleme Amors, Pfeile, Bogen und Köcher, die sich schnäbelnden Täubchen und das Weihrauchgefäß Wände und Möbel schmücken: ein leichtes, anakreontisches Liebesliedchen der Nachrokokozeit, dessen tändelnder Inhalt durch den gebundenen Rhythmus des antikischen Metrums in seiner Pikanterie noch gesteigert wird.

In den übrigen Räumen der Hofgartenzimmer, die nicht intakt erhalten geblieben sind, fesselt nicht die Einheitlichkeit, sondern das Detail. Prunkstücke französischer Wohnkultur des 18. Jahrhunderts, Meisterwerke elegantesten Geschmacks finden sich unter den Möbeln, den Kandelabern, den Wandarmen, den Bildteppichen. Einzelnes muss hervorgehoben werden wie die von Gouthière gefertigten Kandelaber und Wandarme aus vergoldeter Bronze, in denen der antike Motivenschatz mit dem detaillierten Naturalismus der Nachrokokozeit in pikanter, ornamentaler Einheitlichkeit zusammengeschweißt ist; die kleineren Kandelaber mit den drolligen Putten von Clodion, die Kandelaber in Form von Nymphen, die Blumenkörbchen tragen, die auf eine Erfindung Falconets zurückgehen. Den Stempel technischer Vollendung und raffiniertester Farbenkultur tragen die drei Bildteppiche mit Szenen aus dem Roman von Rinaldo und Armida und aus Tassos befreitem Jerusalem, die jetzt die Wände des Empfangszimmers schmücken, Erzeugnisse der Pariser Gobelinfabrik, 1762 nach Entwurf von Charles Coypel gewebt von Neilson. Sie wirken wie Pastellgemälde im großen Format: in den duftigsten Übergängen sind die Farben verschmolzen. Dass sie dadurch im ursprünglichen Milieu, im Zusammenklang der gebrochenen Farben der ganzen Ausstattung, auch ihrer dekorativen Bestimmung gerecht wurden, ist selbstverständlich.

Von Puille sind auch die Schreibzimmer der Trierzimmer umgebaut worden, auf die wir hier zurückkommen müssen. Das Schema der Gliederung ist das gleiche, wie in den Hofgartenzimmern; nur die Ornamentik ist um einen Grad strenger geworden. Auch hier ist die einheitliche, elegante Ausstattung von erlesenem Geschmack. Die duftigen Seidentapeten im ersten Schreibzimmer, die in Lyon in der damals berühmten Fabrik von Lassalle gewebt worden sind, die auch als Möbelbezug dienen, sind im zweiten Zimmer unter Ludwig II. durch plumpe Panneaux ersetzt worden, in die die Pastellporträts der sächsischen Verwandten Karl Theodors eingelassen sind. Rosalba Carriera und Marie Silvestre haben die zarten Bildnisse gemalt. Das Prunkstück der Ausstattung bildet im zweiten Zimmer das kostbare Lese- und Toilettetischchen der Zeit um 1760, eines der besten Möbel der Residenz überhaupt. Ich kann es jetzt mit Bestimmtheit dem berühmten Pariser Ebenisten Oeben zuschreiben; das etwas kleinere, signierte Gegenstück befindet sich in der Sammlung von Alphons Rotschild in Paris. Man muss dieses Stück mit dem im nächsten Zimmer stehenden Schreibtisch von David Röntgen aus Neuwied vergleichen. Im Technischen, in der musterhaften, handwerklichen Durcharbeitung, in der Behandlung der Intarsia ist das deutsche Möbel vielleicht sogar überlegen; dagegen steht es zurück in der Feinheit der Bronzebeschläge und in der Eleganz, in der Verbindung, Verschmelzung aller Teile zu einem homogenen Ganzen. Wie bei dem Pariser Möbel die Füße in feingeschwungenen Linien aus dem Hauptteil herauswachsen, wie bei der Deckplatte eine Kurve aus der anderen entsteht, und wie vor allem die Proportionen ausgewogen sind, ist mit unnachahmlicher Grazie gelöst. Auch der Schöpfer dieses Pariser Möbels, Oeben, ist ein Deutscher — die besten unter den Pariser Ebenisten tragen deutsche Namen; aber die geschmackliche Vollendung konnte doch nur Paris geben.

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In den Jahren 1826 — 1835 hat König Ludwig I. durch Klenze am Max Josephplatz den Königsbau aufführen lassen, der im Untergeschoss die Nibelungensäle und nebensächliche Räume, im Obergeschoß die Wohnzimmer und die kleinen Repräsentationsräume des Königs und der Königin birgt. Nur die Wohnräume der Südseite sind vorderhand zugänglich. Mit den Bauten Ludwig I. hat die Residenz ihre jetzige Gestalt bekommen. Eine jahrhundertlange Entwicklung hat ihren Abschluss erreicht. Die neuzeitliche Residenz, der monumentale Sitz des Landesherrn, der Kurfürst Maximilian I. als Idee vorgeschwebt hatte, hat durch Ludwig I. Gestalt bekommen. Damit mussten die letzten Reste der gotischen Burg, die Überbleibsel einer mittelalterlichen Zeit fallen. Wenn man den Umfang des Geschaffenen betrachtet, kann keine der früheren Perioden mit der Ära Ludwigs I. verglichen werden; in der Größe der Gesinnung, im Ernst des Wollens kann Ludwig I. nur Kurfürst Maximilian I. gegenübergestellt werden. Ob das Geschaffene auch in der künstlerischen Bedeutung dem Wollen des Bauherrn entsprach? Was beim Durchschreiten der Wohnräume des Königsbaues am meisten gewinnt, das ist das monumentale Format nicht nur der einzelnen Räume. Der Durchblick in der Längsachse ist imponierend; bewundernswert auch die stilistische Größe in der Gliederung, in der Wahl der Motive. Wie weit diese stilistische Größe originalem Schöpfertum entspringt, wie weit sie Vorbildern nachempfunden ist, also aus zweiter Hand stammt, ist allerdings eine Frage für sich ; ihre Lösung kommt hier nicht in Betracht, wo nur das Unterscheidende gegenüber den früheren Stilen hervorgehoben werden soll. Man kann, um mit dem Optischen zu beginnen, den Hauptunterschied so formulieren: dem zusammenfassenden Sehen in den Räumen des 18. Jahrhunderts steht hier gegenüber ein isolierendes Sehen. Als Beispiel diene das Schlafzimmer der Königin. Unten eine Sockelzone, in sich aufgeteilt. Als Wanddekoration dienen gemalte Draperien, ein simpler Gedanke. Darüber der Fries, durch Pilaster gegliedert, vielmehr geteilt; die Teilung ist in der Wand nirgends vorbereitet. Über dem Fries die Decke mit Stichkappen, ein neuer architektonischer Gedanke, nicht die Folge der Gliederung des ganzen Raumes. Die Wand ist also in horizontale Schichten zerlegt, die unverbunden übereinander liegen. Die dekorativen Gemälde, Szenen aus den Dichtungen Goethes, von Wilhelm Kaulbach gemalt, sind wie Tafelbilder an die Wand geheftet, in eigenen Rahmen, streng isoliert, ohne Verbindung mit der übrigen Dekoration. Nicht der dekorative Zweck war die Hauptsache, wie im 18. Jahrhundert, sondern der illustrative, der Inhalt des Bildes, also ein Moment, das mit dem Architektonisch-Räumlichen gar nichts zu tun hat. In die großen Flächen der Wand sind die Türen hineingeschnitten, bedingt von den Achsen der Seitenwände. Dazwischen stehen die Möbel die Wand entlang oder im Raum herum, jedes für sich. Aus isolierten Bestandteilen ist dann der Raum zusammengesetzt. Ähnlich, reicher oder einfacher, je nach der Bestimmung, sind die übrigen Räume. Nur der Thronsaal Ludwigs I. ist in strengerer Monumentalität in sich geschlossen. Das Primäre ist überall nicht der Raum, sondern das Inhaltliche der Form, die klassische oder antike Reminiszenz, das Inhaltliche der Dekoration: das Literarische. Der Inhalt der Dichtungen, die in den kleinen Bildchen an den Wänden, an der Decke illustriert sind, hat den Zimmern den Namen gegeben, die literarischen Ideen in der Malerei gaben nach der Anschauung der Zeit den Räumen den inneren Wert, nicht die künstlerische Form. Ein König, selbst ein Poet, hat sich von Kaulbach, Foltz, Schwind, Heß, Zimmermann und Neureuther die Heroen der Literatur durch Bilder aus ihren Dichtungen vor Augen führen lassen. Deutsche und antike Gedankenwelt, Walter von der Vogelweide und Wolfram von Eschenbach, Goethe, Schiller, Klopstock, Wieland, Tieck, Bürger, Homer, Hesiod, Pindar, Sophokles, Aristophanes wechseln in bunter Reihe; nur ein Mann mit intimsten Kenntnissen der Literatur konnte den Inhalt der versteckten Sagen und Mythen kennen. Was hat sich Kurfürst Maximilian I. von Candid an die Wände seiner Wohnräume malen lassen? Allegorien, die eine Mahnung an seine eigene Person enthielten, Verherrlichungen des Herrschertums mit seinen Gaben und Pflichten. Der Romantiker auf dem Königsthron fühlt sich in der fremden Dichtung heimisch, die mit dem Raum, dem Bewohner keine andere Beziehung hat als die der Illustration.

Den Abschluss dieser einfachen, bei allem Schmuck strengen, ja haushälterischen Raumfolge bildet der Wintergarten. Auf die Dichtung folgt der zweite Exponent dieser literarischen Zeit, die Natur, auf die literarische Vergangenheit die Exotik der Gegenwart, ein Stück Natur, künstlich zurechtgemacht in der exotischen Stilisierung der Balzac-Zeit, mit fremden Bäumen und Blüten, auch ein Stück Romantik und als solches unentbehrlich in der ganzen Folge. Unentbehrlich namentlich heute, wo es dem Auge des Beschauers nach der strengen Monotonität der Wohnzimmer einen Ruhepunkt gibt. Dieser Rest der Romantik, die einzige Anlage dieser Art in Deutschland, soll in nächster Zeit vernichtet werden, soll Alltagsbedürfnissen geopfert werden. Mit diesem trostreichen Ausblick in die Zukunft schließen wir unsere Führung. Man könnte ein bekanntes Wort auch so formulieren: jede Zeit hat die Kultur, die sie verdient.

046 Hofgartenzimmer. Empfangszimmer

046 Hofgartenzimmer. Empfangszimmer

047 Hofgartenzimmer. Spiegel-Kabinett

047 Hofgartenzimmer. Spiegel-Kabinett

048 Hofgartenzimmer. Aus dem Thronsaal

048 Hofgartenzimmer. Aus dem Thronsaal

049 Hofgartenzimmer. Thronsaal

049 Hofgartenzimmer. Thronsaal

050 Hofgartenzimmer. Thronsaal. Wandfüllung von Schwanthaler

050 Hofgartenzimmer. Thronsaal. Wandfüllung von Schwanthaler

051 Hofgartenzimmer. Thronsaal. Wandfüllung von Schwanthaler

051 Hofgartenzimmer. Thronsaal. Wandfüllung von Schwanthaler

053 Hofgartenzimmer. Empfangszimmer

053 Hofgartenzimmer. Empfangszimmer

055 Hofgartenzimmer. Lehnstuhl von Jacob aus dem Empfangszimmer

055 Hofgartenzimmer. Lehnstuhl von Jacob aus dem Empfangszimmer

056 Hofgartenzimmer. Kandelaber von Gouthière

056 Hofgartenzimmer. Kandelaber von Gouthière

057 Trierzimmer. Aus dem Schreibzimmer

057 Trierzimmer. Aus dem Schreibzimmer

058 Königsbau. Aus dem Empfangszimmer des Königs

058 Königsbau. Aus dem Empfangszimmer des Königs

059 Königsbau. Aus dem Empfangszimmer des Königs

059 Königsbau. Aus dem Empfangszimmer des Königs

060 Königsbau. Schlafzimmer des Königin

060 Königsbau. Schlafzimmer des Königin

061 Königsbau. Salon der Königin

061 Königsbau. Salon der Königin

062 Königsbau. Ankleidezimmer

062 Königsbau. Ankleidezimmer

063 Königsbau. Thronsaal

063 Königsbau. Thronsaal