Das Residenzmuseum in München - Die Kurfürstenzimmer

Autor: Feulner, Adolf Dr. (1884-1945) Kunsthistoriker. Konservator des Residenzmuseums. In seinem Spätwerk ist der Einfluss nationalsozialistischer Ideologie erkennbar, Erscheinungsjahr: 1922
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Bayern, München, Residenzmuseum, Architektur
Nun ist es eine bekannte Tatsache, dass Wohnräume, in denen das Stilgefühl der Zeit am besten ausgeprägt erscheint, die den Zeitgeschmack gleichsam auf der Schneide balancieren, am raschesten veralten. Die Reichen Zimmer waren für den Kurfürsten Karl Albert bestimmt. Kaiserliche Zimmer wurden sie im 18. Jahrhundert genannt. Karl Alberts Nachfolger, der bürgerlich einfache Max III. Joseph, konnte sich in diesen Prunkräumen nicht mehr heimisch fühlen. Er ließ sich durch seinen Oberbaumeister Johann Gunetsrhainer von Okt. 1746 bis Juli 1748 eine eigene Flucht von Wohnräumen herrichten, die sogenannten Kurfürstenzimmer. Cuvilliés hat die Einrichtung am Schluss umredigiert, wie ein Maler, der einem Schulwerk die letzten Lichter aufsetzt. Gunetsrhainer, der unter Eifner und Cuvillies im Hofbauamt als Zeichner gedient hatte, der auch als selbständiger Architekt in kirchlichen Bauten und Adelsschlössern Gutes geleistet hat, schließt sich in der architektonischen Disposition dieser Wohnzimmer an Cuvillies an. Ein Blick auf das hier abgebildete Schlafzimmer klärt über die Zusammenhänge auf. Die Horizontalgliederung ist durch den Lambrissockel fest betont. Die Hohlkehle wird durch eine durchgehende Leiste abgetrennt, sie ist aber nicht als eigenes Bauglied ausgebildet, sie ist verdeckt von den etwas schweren Stukkaturen mit figürlichen Darstellungen allegorischen Inhalts und geht ohne scharfe Trennung in die Decke über. Der Stukkator Feuchtmayer, ein Abkömmling der bekannten Augsburger Stukkatorenfamilie, der sich in München niedergelassen hatte, hat die Stukkaturen geschaffen. Die Decke ist in dem einen Schlafzimmer überstreut mit figürlichen Motiven, mit Nachtgetier, das sich wie zufällig in dem abendlichen Himmel bewegt. Der Gedanke, die tektonischen Grenzen aufzulösen, ist also auch hier noch wirksam. Durch die durchlaufenden Türachsen an der Fensterseite und durch die Betonung der Mittelachse durch Spiegelpanneaux sind die Wandfelder in ihrer Größe bestimmt. Die Vertikalgliederung ist von diesen zwei Voraussetzungen abhängig. Nun ist ein Umstand bemerkenswert. Die Wandfelder sind als solche klar abgegrenzt, im Gegensatz zu den Cuvilliésräumen, in denen die Dekoration die gesamte Wand zu überspielen sucht. Ferner: wenn auch in den einzelnen Feldern die stehenden Flächen noch überwiegen, die gliedernden, teilenden Horizontalen bekommen doch schon wieder besonderen Wert. Während man in den Effnerschen Zimmern die weißen Wandfelder, die Kaminrisalite mit aufstrebenden Pfeilern vergleichen kann, wofür schon die nach oben strebende Tendenz des Ornaments die Deutung gibt, bleiben hier die Wandfelder mehr als Flächen wirksam. Die ganze Architektur lässt sich charakterisieren als eine Rückbildung, als Abschwächung; die stilbildenden, leitenden Ideen treten reduziert in Erscheinung. Als Abschwächung auch in der Baugesinnung. Während in den Reichen Zimmern der Begriff der Repräsentation maßgebend bleibt, wird hier selbst Luxus und fürstlicher Prunk auf ein bescheidenes Maß zurückgeschraubt. So gut hat auch der Adel, sogar der reiche Bürger gewohnt. Das bürgerliche Zeitalter naht heran.

Die Gliederung ist den intimeren Proportionen der Räume angepasst und vielleicht gerade deswegen von großem Reiz. In diesen kleinen Räumen kommt das Mobiliar zu ungleich größerer Wirkung. Wiederum haben die tüchtigsten, einheimischen Kräfte mitgearbeitet. Ihre Namen sind noch nicht alle bekannt. Ein vorzüglicher Münchener Schnitzer, wahrscheinlich wieder der Bildhauer Dietrich von der Au, der auch hier bei der Ausstattung beteiligt war, hat die Kommoden, die Wandarme, die ornamentalen Umrahmungen der Spiegel und Panneaux im zweiten Schlafzimmer (Abb. S. 35) gefertigt. Seine Hand ist auch an den Spiegelumrahmungen der anderen Zimmer zu erkennen, stilistisch nachweisbar am vollplastischen Muschelwerk, das mit Blumen- und Pflanzenmotiven durchflochten ist. Die (S. 36) abgebildete Kommode ist ein Meisterwerk feinen, vornehmen Geschmacks, trotz der Einfachheit des Materials, in der klaren Abgewogenheit der Proportionen und der edlen Fülle des Ornaments eine Musterleistung. Das bürgerliche Mobiliar der Zeit zeigt das Speisezimmer. Stühle von guter Form aus einer einheimischen Werkstätte sind auch im Bibliothekzimmer. Die besten Möbel sind auch in den Kurfürstenzimmern französischer Provenienz. Die Kommoden mit dem prachtvollen Bronzebeschläg im Vorzimmer (Abb. S. 42) stammen aus der gleichen Werkstätte wie die Kommoden im Salon der Reichen Zimmer, sie dürfen mit Charles Cressent in Verbindung gebracht werden. Ein schöner Lackschreibtisch mit Klappdeckel, dessen Bronzebeschläg die freie, etwas verwilderte Rocaille zeigt, die durch die Stiche des Architekten Meissonier populär geworden ist, steht vor dem Spiegel des ersten Schlafzimmers (S. 37). Ein bestimmter Meistername ist nicht zu nennen. Man denkt an die berühmten Slodtz, aber stilistische Einzelheiten sprechen dagegen. Die Erforschung des Mobiliars steht noch in den Anfängen. Im gleichen Zimmer steht auch eine gute Garnitur im Louis-XVI-Stil aus der Werkstätte der Pariser Ebenisten Jacob. Auch das mit großer Exaktheit geschnitzte Bett, das für Karl August von Zweibrücken um 1790 angefertigt wurde, ist Pariser Fabrikat. Von einem der besten Pariser Ebenisten, dessen Name schon bei den Reichen Zimmern erwähnt wurde, dem ich auch die Kommode im ersten Vorzimmer zuschreiben möchte, wurden die B. V. R. B. signierten Ecksckränkchen im letzten Empfangszimmer (s. S. 41) gefertigt. Ein Frühwerk von David Röntgen aus Neuwied ist der 1773 datierte Schreibtisch mit Rollverschluss im ersten Schreibzimmer (Abb. S. 43), der mit duftigen Intarsien gleich Sepiamalerei dekoriert ist. Im ersten Speisezimmer ist ein Glasschrank der Erbauungszeit aufgestellt, der kunstgewerbliche Leckerbissen enthält, Leuchter aus Chinaporzellan verschiedener Epochen, in vergoldeter Bronzemontierung meist französischer Provenienz, Chinateller, kleine Räucherdosen und andere Nippsachen, die zu den gesuchten Raritäten gehören. Den Schrank flankieren zwei Bilder, Kurfürst Max III. Joseph, der Erbauer der Kurfürstenzimmer, und sein Intendant Graf Seeau, gemalt von Desmarées 1755, sowie Kurfürst Max III. Joseph, Cello spielend, mit seiner Gemahlin, seiner Schwester und den Lieblingshunden, gemalt von Johann Nikolaus Grooth 1758. Deutlichere Zeugnisse für die einfachere, bürgerliche Atmosphäre des Kurfürstenhofes als diese intimen Gruppenporträts sind kaum zu finden. Auf Bildnissen Karl Alberts ist fürstliche Repräsentation immer die Grundbedingung. Einheimische Arbeiten sind ferner die Öfen, unter denen der schwarzglasierte Ofen in Form eines Schrankes, der von niedlichen Putten bekrönt wird, besondere Erwähnung verdient. Das Gegenstück in Weiß steht in den Trierzimmern. Über die weiteren Einzelheiten, die Nippsachen, die schönen China- und Meißener Vasen, die Girandolen, die Lüster und Wandarme, die französischen Bronzeuhren gibt wieder der kleine Führer Auskunft. Alle Objekte bilden für den Betrachter eine ständige Quelle hohen Genusses. Gerade in diesen Räumen des 18. Jahrhunderts, die bis in die Einzelheiten der Ausstattung hinein dem besten Geschmack Raum geben, muss die Achtung vor der hohen, künstlerischen Kultur der Zeit erwachen.

041 Kurfürstenzimmer. Empfangszimmer

041 Kurfürstenzimmer. Empfangszimmer

043 Kurfürstenzimmer. Aus dem Schreibzimmer

043 Kurfürstenzimmer. Aus dem Schreibzimmer

044 Hofgartenzimmer. Empfangszimmer

044 Hofgartenzimmer. Empfangszimmer