Das Preussische Lotsenwesen

Autor: Schuirman, G. und Thaulow, G. Vorsteher der deutschen Seemannschule in Hamburg, Erscheinungsjahr: 1865
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Lotsenwesen, Lotsengeld, Lotsenkutter, Seefischerei, Seeschifffahrt, Ostseelotsen, Segelkutter
Aus: Hansa, Zeitschrift für Deutsches Seewesen. II. Jahrgang 1865 redigiert und verlegt durch Schuirman, G. und Thaulow, G. Vorsteher der deutschen Seemannschule in Hamburg.

Der Einsender des unter der obigen Überschrift in No. 46 der „Hansa“ gebrachten Artikels hat einen Gegenstand berührt, welcher von den Preußischen Seeleuten in der „Ostsee Zeitung“ und „Danziger Zeitung“ häufig, und wie es scheint vergeblich, gründlich erörtert worden ist.

Der Verfasser des Artikels ist sicherlich kein Seemann und hat seine Nachrichten vom Hörensagen; daher ist es erklärlich, dass er das Rettungs- und Lotsenwesen an der Preußischen Küste in so schwarzen Farben schildert.
Der Fall, wo auf einem gestrandeten Holländischen Schiffe die Mannschaft erfroren sein soll, ist uns hier gänzlich unbekannt, und da so wenig das Datum als Schiffsname und Name des Hafens angegeben sind so ist es möglich, dass der Verfasser die Preußische Küste mit der Russischen verwechselt hat.

In den Preußischen Häfen findet man auch schon seit langer Zeit Rettungsboote und Mörser, und die Fälle, wo Menschenleben bei einer Strandung zu beklagen war, sind hier äußerst selten, und dann fast immer durch die Schuld oder Ungeschicklichkeit der Verunglückten entstanden. Größerer Gefahr sind die in einiger Entfernung von den Häfen strandenden Fahrzeuge ausgesetzt, und auf diese Punkte werden die Rettungsvereine, welche jetzt überall in der Bildung begriffen sind, ihre Aufmerksamkeit zu richten haben.

Was nun das Preußische Lotsenwesen betrifft, so ist der größte Übelstand der, dass sämtliche Lotsen auf festes Gehalt angestellt sind; ein solcher Lotse hat nicht nötig seines Erwerbs wegen Anstrengungen zu machen, er tut grade nur das, was ihm befohlen wird, er geht in See, wenn Schiffe im Ansegeln sind, und kann er dann wegen Sturm und Seegang nicht hinaus kommen, so tröstet er sich damit, dass es doch einmal nicht möglich ist. Die ankommenden Schiffe müssen sich dann schon helfen, so gut sie können, und es ist ein Unglück, wenn sie dabei nicht das richtige Fahrwasser halten und stranden. Ganz anders würde der Lotse denken, wenn er auf ein bestimmtes Lotsengeld angewiesen wäre.

Jedes Schiff, welches ohne Lotsen einsegelt, und jedes gestrandete Schiff würde ihm Verlust an seinem Geldbeutel bringen, er würde daher sehr bald Anstrengungen machen, um diesen Verlusten vorzubeugen; er würde die Sundlisten aufmerksam verfolgen, Wind und Wetter beobachten und stets zur rechten Zeit den Schiffen entgegen gehen.

Die besten Fahrzeuge für die Ostseelotsen wären, wie überall, Segelkutter; vier solche würden für Swinemünde genügen, davon könnte einer nördlich, einer östlich, einer auf der Rhede kreuzen und der vierte zur Ablösung dienen.

Dass auf den Kuttern bessere Seeleute gebildet werden, als in den Wachtstuben, steht fest, aber dass sich mit dem freien Lotsenwesen auch Seefischerei verbinden lässt, ist eine Ansicht, welche bis jetzt noch nirgends ausgeführt ist. Die Lotsen werden jedenfalls zu ihrem Bedarf, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, fischen, aber wollten sie den Fischfang als Nebengewerbe betreiben, so müssten sie jedenfalls das Eine oder das Andere vernachlässigen. Der Lotse muss dort sein, wo Schiffe kommen, und der Fischer dort, wo sich Fische aufhalten.
Für den Lotsendienst in Swinemünde ist seit einigen Jahren ein eiserner Dampf-Lotsenkutter in Tätigkeit, aber da derselbe schon bei einem mittelmäßigen Sturm aus nördlicher Richtung nicht mehr aus dem Hafen kommen kann, so sind die ankommenden Schiffe dann ebenso hilflos, als früher. Einsegeln dürfen sie ungestraft nicht, nur wenn der Schiffsrat dasselbe für notwendig hält, sind sie gesetzlich gegen Strafe geschützt.

Wenngleich die Einseglung der Preußischen Häfen nicht so schwierig und gefährlich ist, als z. B. die Anseglung der Elbe, der Themse, des Mersey oder der Gironde, so müsste doch wenigstens dafür gesorgt werden, dass die Schiffe bei stürmischem Wetter in gehöriger Entfernung vom Hafen mit Lotsen besetzt würden. Das würde aber sehr bald von selbst kommen, wenn die Lotsen, statt festes Gehalt, das Lotsengeld für die eingebrachten Schiffe erhielten; und wenn man ferner, statt die Kapitäne zu bestrafen, wenn sie ohne Lotsen einsegelten, das Lotsengeld für ein solches Schiff einem Unterstützungsfond für Witwen und Waisen verunglückter Lotsen zufließen ließe, so würden sie es bald lernen, sich vor Schaden zu hüten.

Es wäre jedenfalls gut, wenn die Konservativen sich, wie der Verfasser in No. 46 wünscht, für den Fortschritt im Lotsenwesen interessieren wollten, das würde bei unsern Verhältnissen das wirksamste Mittel sein, eine zeitgemäße Reform in kürzester Zeit durchzuführen. Aug. Str.

Hansa 1865

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