Das Maturitäts-Examen auf den Gymnasien Mecklenburgs. 1826

Aus: Freimütiges Abendblatt, Band 8 (1826)
Autor: Redaktion - Freimütiges Abendblatt, Erscheinungsjahr: 1826
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Schulgeschichte, Schulbildung, Hochschulreife, Landesgeschichte, Gymnasien, Universität, Studium, Qualifikation,
Die neulich erlassene allerhöchste Verordnung, wonach jeder zur Universität übergehende Studierende ein testimonium maturiatatis erwirken soll, hätte, so scheint es, für die Gymnasien selbst höchst wohltätig werden können, wenn folgende Bestimmungen darin aufgenommen wären.

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1) Dass künftig keiner im Staatsdienst, zu welchem Vorbereitung auf der Universität gehört, angestellt werde, welcher das testimonium maturitatis seiner Schule aufzuweisen nicht im Stande ist. Eben so dürfte keiner zum Advokaten- und medizinischen wie juristischen Doktor-Examen zugelassen werden, der nicht mit jenem Zeugnis versehen wäre. Das könnte selbst gegen auswärts Promovierte leicht geltend gemacht werden, und eben so auf alle Ausländer auszudehnen sein, da bekannt ist, dass nicht immer die Ausgezeichneten derselben uns mit ihrer Gegenwart beglücken; wie doch umgekehrt nur tüchtige Mecklenburger im Ausland, namentlich im Preußischen, ihre Anstellung gefunden haben. Es gilt besonders von einwandernden Theologen: wie sich versteht, mit sehr ehrenvollen Ausnahmen. Im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz darf kein Arzt ansässig werden, der nicht ein Zeugnis tüchtiger Schulbildung aufzuweisen hat *). In der Tat eine höchst wohltätige Einrichtung, welche vor einer Überzahl solcher Ärzte sichert, die aus der Barbierstube in die Hörsäle der Universität unmittelbar übergehen, und deren es jetzt bekanntlich nicht wenige gibt.

*) So auch in Preußen. Den medizinischen Fakultäten der Universitäten des Königreichs ist durch einen Ministerial-Erlass vom 26. Juli 1826 bemerklich gemacht worden, dass seit einiger Zeit mehrmals der Fall vorgekommen sei, dass Doktoren der Arznei- und Wundarzneikunst, welche auf inländischen Hochschulen ernannt worden, bei den Staatsprüfungen zurückgewiesen werden mussten, weil sie in den gewöhnlichen Schulkenntnissen, und namentlich im lateinischen, zu unwissend waren. Um nun zu verhindern, dass künftig kein Inländer von einer inländischen medizinischen Fakultät die medizinische Doktorwürde erhalte, welcher nicht auch die für einen Doktor der Arzneiwissenschaft unentbehrliche allgemeine Schulbildung, und namentlich die erforderliche Kenntnis und Fertigkeit in der lateinischen Sprache besitzt, hat das Ministerium verordnet: dass von Ostern 1826 ab, zu den Prüfungen Zwecks der Erlangung der medizinischen Doktorwürde nur diejenigen Inländer zugelassen werden sollen, welche mit dem Zeugnisse No. I. oder No. II. — d. h. der unbedingten oder bedingten Tüchtigkeit zu den Universitätsstudien — entweder einer Schulprüfungs-Kommission oder einer Königl. wissenschaftlichen Prüfungs-Kommission versehen sind. Diese Bestimmung soll von Ostern 1826 ab auch auf diejenigen Inländer Anwendung finden, welche auf einer ausländischen Universität die medizinische Doktorwürde erlangt haben, und von einer inländischen medizinischen Fakultät anerkannt zu werden wünschen. d. Red.

2) Möchte von der allerhöchsten Behörde die Bestimmung zu machen sein, auf welche Disziplinen sich jenes testimonium maturitatis erstrecken solle. Es scheint notwendig, außer den beiden klassischen Sprachen der Griechen und Römer, auch die Mathematik und Geschichte in die Reihe der Kenntnisse zu stellen, welche eine Reife zur Universität bedingen; ja man könnte sagen, diese vier Disziplinen namentlich zu erwähnen, sei überflüssig, weil sich das von selbst verstehe. Aber, erwidere ich, ist es denn nicht ziemlich allgemein bekannt, wie ein oder der andre der genannten Gegenstände auf einzelnen Gymnasien ziemlich lau und flüchtig getrieben wird; nicht aus Schuld der Lehrer, sondern, weil nun eben nur die Sprachen im ganzen Schulplan und in der ganzen Richtung der Schule berücksichtigt sind.

Und außer dem, dass man so den Schüler zu einer mehrseitigen Ausbildung moralisch zwänge, würde darin eben der wohltätige Einfluss jener Bestimmungen bestehen, dass es ungleich leichter sein würde, den Verstößen wider Zucht und Ordnung vorzubeugen, sie seltener und weniger allgemein zu machen. Oder lassen die Gymnasien unsers Landes darin gar nichts zu wünschen übrig, oder können sie den besseren des Auslandes sich darin gleichstellen? Ich meine, Vorfälle, wie sie im vorigen (und in diesem) Jahre von Rostock aus im Abendblatte zur Sprache gebracht wurden, dürften sich schwerlich ereignen.

Auch die Klage der Lehrer würde verstummen, welche in andern Gegenständen des Wissens als in den Sprachen unterrichten, dass es so schwer sei, die Schüler zu einem größeren Fleiß, der sich auf den gesamten Schulunterricht erstreckte, anzuregen. Es bliebe dann der Einrichtung jedes Gymnasiums vorbehalten, das Hinaufrücken der Schüler in die höheren Klassen nicht bloß von ihren Sprachkenntnissen abhängig zu machen, sondern auch namentlich auf Mathematik Rücksicht zu nehmen. Mangel an Anlage für diese Wissenschaft kann nie als Entschuldigung gelten; sie ist für den Grad der Ausbildung, welcher auf Schulen erreichbar ist, sehr allgemein; viel allgemeiner als Anlage für Sprachkenntnis.
Die hier eben vorgeschlagene Einrichtung besteht unter andern im Grauen Kloster zu Berlin, und noch eines der letzteren Programme spricht sich darüber aus, wie wohl die Anstalt sich dabei befinde.
Sollte Nicht, damit das testimonium maturitatis ein durchaus unparteiisches werde, notwendig sein, dass diejenigen Lehrer, bei welchen die Schüler in den letzten Jahren Unterricht gehabt haben, in einer Konferenz besprechen, ob dem Abgehenden No. 1, 2 oder 3 zu erteilen sei? Ich setze nämlich voraus, dass man diese notwendige Abstufung bereits eingeführt habe. Sollte nie der Fall eintreten können oder schon wirklich eingetreten sein, dass, wenn das testimonium den Lehrern zur Unterschrift zugestellt wird, nicht alle mit der Abfassung ganz einverstanden sind; aber wegen der Schwierigkeit, eine geänderte Abschrift zu besorgen, oder aus andern Gründen, die Protestation unterlassen.
In den Schulprogrammen, welche von den Direktoren der Schulen in andern Ländern zu erscheinen pflegen, werden die Abgehenden namentlich erwähnt und zugleich entweder der Inhalt ihres testimonium maturitatis kurz bezeichnet, oder auch bloß die Nummer des Zeugnisses genannt, welche dem Einzelnen hat gegeben werden können. Sollte das nicht ein zweckmäßiger Brauch sein, der es wohl verdiente, auch bei uns eingeführt oder erneuert zu werden? oder fürchtet man in übergroßer Besorgnis dadurch die jungen Leute mit Eitelkeit und Dünkel zu erfüllen? Das geschieht in der Tat viel methodischer durch eine absprechende Kritik in den Unterrichtsstunden, und durch die Aufmunterung, beim Abgang von der Schule irgend ein opusculum zu edieren, wodurch der Literatur nicht der mindeste Dienst geleistet wird. — t.

Rostock, Universität

Rostock, Universität

Mirow, Schulgebäude

Mirow, Schulgebäude