Das Hebbel-Theater in Berlin

erbaut von Architekt Oskar Kaufmann (1873-1956)
Autor: Jaumann, A. (?)
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hebbel Theater Berlin, Oskar Kaufmann, Architektur
Aus: Deutsche Kunst und Dekoration. Illustrierte Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst und künstlerische Frauenarbeiten. Herausgegeben und redigiert von Hofrat Alexander Koch. Darmstadt, Verlagsanstalt Alexander Koch. Band 22. 4-9 1908
Der erste Eindruck ist befremdend. Das Haus gleicht keinem bekannten Gebäudetyp: keinem Palast, keinem Tempel, keinem Wohn- und keinem Geschäftshaus. Ernst, gedrungen, fast düster steht der Vorderbau an der Straße. Weder Inschrift noch erklärendes Schmuckwerk deuten seine Bestimmung.

Doch verletzt diese Fremdartigkeit nicht. Im Gegenteil, sie erweckt Interesse, sie zieht an, wie alles Geheimnisvolle. Der trotzige Block scheint wunderbare Schätze hinter seinen felsigen Mauern zu bergen, und seine Verschlossenheit, das feste Quadergefüge, der schwerlastende Steindeckel des Giebels, das alles lockt und reizt mehr, als es abweist.

Der aber, der unter dem Architekturelend der modernen Großstadt leidet, stößt bald auf ein Moment, das ihn freudig aufatmen lässt. Da hat sich ein großes Unternehmen niedergelassen, und dem Hause fehlt gerade das, was sonst mit kapitalistischen, spekulativen Gründungen unlöslich verbunden scheint: Das Laute, Lärmende, mit falschem Prunk Aufgedonnerte, die Reklame Architektur. Keine Säulenhallen sind da, keine Maskeraden, keine Quadrigen, keinerlei sinnlose, überflüssige, hochtrabende und innerlich leere Architekturteile. Äußerste Knappheit und Beschränkung auf das Notwendige herrscht durchweg, eine peinlich saubere Gesinnung, die die beliebten Konzessionen an den niederen, verdorbenen Geschmack der Menge mit Festigkeit abgelehnt hat. Reine gute Kunst zu geben, war hier das mit Gewissenhaftigkeit eingehaltene Programm, so können wir endlich einmal mit ungetrübter Freude konstatieren.

Nun klärt und erklärt sich das Fremdartige der Erscheinung. Es war kaum direkt beabsichtigt, aber es folgte mit Notwendigkeit aus dem Prinzip, dem solange vergeblich gepredigten, von den in jedem Fall gegebenen Bedingungen und Forderungen auszugehen und ein ihnen und nur ihnen angepasstes Zweckgebilde zu schaffen. Das ganze Haus ist in seiner mannigfaltigen Gliederung nichts anderes als eine präzise, knappe und klare Umkleidung der jedem modernen Theater unentbehrlichen, hier noch von der Form des Grundstücks modifizierten Räumlichkeiten. Der Vorderbau stellt eine Zusammenfassung der sämtlichen Theatervorräume in einer geschlossenen Masse dar: der Eingänge, Garderoben, Treppen und Foyers. Dann folgen Zuschauerhaus, Bühnenhaus und Verwaltungshaus. Die strengste, aufrichtigste und übersichtlichste Disposition, die überhaupt möglich war. Man erhält gleichsam einen „Blick hinter die Kulissen“, der ganze innere Organismus des Theaters spiegelt sich wieder in der Gliederung des Baukörpers. Und es spiegelt sich noch etwas darin, eine grundechte Wahrhaftigkeit der Mache, für ein Theater jedenfalls von bester symbolischer Bedeutung.

So ist dieses Theater scheinbar ein reiner Zweckbau geworden. Und es wirkt doch eminent künstlerisch. Sein Bild prägt sich nachdrücklich ein, nicht bloß wegen der Fremdartigkeit der Form: Es gehen seltsame tieffesselnde Reize von ihm aus. Die Zweckbauten nach rückwärts erscheinen durchaus nicht einfach als Hintergebäude; durch die sorgsame Konturierung, durch die feinfühlige Abstimmung der Massen, durch die leise Modifizierung der Flächen und Linien ist, ohne dass besondere Zutaten nötig gewesen wären, künstlerisches Leben in sie gekommen, die Linien zeigen ein interessantes Zusammenspiel, die Massen der Baukörper folgen sich in einem originellen, aber diskreten Rhythmus und der ganze Komplex bietet gerade infolge seiner Vielfältigkeit ein angenehm malerisches Bild wie nur irgend eine Burg des Mittelalters. Und wie diese regt es die Phantasie an und befriedigt zugleich — infolge der Natürlichkeit und logischen Klarheit der Gliederung — den Verstand.

Das Motiv des knappen Umschließens wurde im Vorderbau mit einigen einfachen Kunstmitteln noch gesteigert. Die Mauern mit ihrem festen Quadergefüge neigen sich etwas nach innen, die Rustika wächst fast bis zum Giebel hinauf, dieser drückt wie eine schwere Platte, und oben schließt in nachgezogener Rundung das glatt und prall anliegende Kupferdach den Block. Der Foyererker wölbt sich wie unter dem Druck der einengenden Steinwände. — Diese kraftvolle Konzentration und Geschlossenheit der Architektur übt auch auf den Herantretenden eine gewisse Suggestion aus: Sie strahlt auf den Theaterbesucher den Geist der Konzentration und Sammlung nieder, sie zwingt ihn, allein an die Schönheiten der Kunst zu denken, die seiner hinter diesen bergenden Mauern harren. Sammlung und Ernst wird hier von dem Besucher verlangt. Ernst ist die von bunter Belebung fast ganz absehende einheitliche Steinfarbe und die raue Oberflächenstruktur. Die mächtige Wandfläche wird von den schmalen, steil aufschießenden Fenstereinschnitten kaum unterbrochen. Auch die Portale sind einfach und streng in den Stein eingeschnitten. Nur zwei anmutig schwere Bronzelaternen betonen etwas den Eingang. Eine gewisse Festlichkeit kommt in der Fassade allein an dem hinter die Wandfläche zurückgezogenen Foyererker zum Ausdruck, besonders in den figürlichen Motiven an den oberen ovalen Fenstern. Diese Partie verrät, leise andeutend, etwas von freierer, freudigerer Schönheit, die im Inneren herrschen muss. Von den Zwickelfiguren zieht sich eine Schmucklinie in erst gleicher Höhe weiter um das Haus, gestaltet den oberen Fensterschluss der Treppen- und Korridorfenster reicher, anmutiger aus, steigt an zu den zierlichen Fensterchen am Bühnenhaus und endigt in der hübsch gezeichneten Turmhaube der kleinen Treppentürmchen.

Die gesamte äußere Erscheinung dieses Theaterhauses spricht dafür, dass der Architekt sich der tieferen Bedeutung des Theaters bewusst war oder dass sie ihn wenigstens unbewusst leitete, die Bedeutung des Theaters als Spiegelung des Lebens, (in steigender Konzentration, wie in einer Brennlinse aufgefangen), die eine künstlerische Anschauung des Lebens ermöglicht und eine künstlerische Auseinandersetzung mit ihm. Ob erschüttert, erhoben, oder erheitert, auf jeden Fall fühlen wir uns durch diese Auseinandersetzung von einer Spannung befreit und innerlich gefestigt. Solchem allgemein menschlichen Wert des Theaters entspricht der Ernst der aufgewendeten Architektur. Das Haus ist ja nur für ernste Bühnenkunst bestimmt, ihr bietet es, auch wenn sie in höchster Vollendung waltet, gewiss noch ein würdiges Heim. Die Architektur bereitet hier die Stimmung des Besuchers vor für hohe, reine Kunst und sie verkündet den Geist des Unternehmens ruhig und fest nach außen.

Die inneren Räume des Hauses zeigen nicht die gleiche Strenge und Herbheit, sie atmen Wärme, Eleganz, feine Behaglichkeit. Zwar künstlerische Gewissenhaftigkeit herrscht auch hier. Alle Formen sind sorgfältig durchgestaltet, alle Farben wählerisch gestimmt. Die Zügel behält der Architekt immer straff in der Hand. Aber die Kunst tritt nicht in doktrinärer Starrheit noch in willkürlichen Gewaltstücken auf. Sie wirkt in der Rolle der Gastgeberin, voller Rücksicht auf den Besucher, voll zartfühlender Aufmerksamkeit auch auf verwöhnten Geschmack. Sie setzt einen hochentwickelten Geschmack bei jedem Gast voraus und sucht ihn mit peinlichster Selbstkritik zu befriedigen. Auch in kleinsten Dingen wahrt sie den guten Anstand noch. Durch das ganze Haus verbreitet sie eine einheitliche diskret-feierliche sanfte Stimmung, die den Sinnen und der Seele wohltut.

Das wichtigste Architekturteil des Hausinnern, der Zuschauerraum, steht durchaus in dem Zeichen feiner Gastlichkeit. Man will nicht protzen, nicht blenden. Man gibt gerade soviel, als die Rücksicht auf den Gast verlangt. Aber man ehrt ihn, indem man ihn nicht mit Imitationen täuscht. Doch wenn zur Erzeugung der gewünschten behaglich-feierlichen Stimmung teure Hölzer und Seidenstoffe nötig schienen, hat man an ihnen nicht gespart. Und diese Materialien können hier ihre angeborene Schönheit umso reiner und sieghafter entfalten, da aufdringliche Prunkarchitekturen und Prunkornamente nicht vorhanden sind. Der ganze Zuschauerraum ist ein Hochgesang des Holzes, das, von lästigen polizeilichen Verboten befreit, von keiner vergoldeten Stuckarchitektur niedergeschrien, mit seiner stilljubelnden Herrlichkeit die Rampen und Wände fast bis oben kleidet.

Es ist goldigbraun gebeizte Birke, die da in einer wundervoll flammigen Maserung spielt und glänzt. An den weiten Wandflächen steigert sich die Wirkung des Holzes zu eindringlichster Pracht. Und die vielen Rundungen erwecken einen höchst reizvollen Tanz spiegelnder Lichter, der auch die Formen der Architektur starker hervortreten lässt. Bei der Einfachheit der Architektur ist natürlich jede Linie und Fläche von Bedeutung; der malerische und kraftvolle Charakter des Holzes bewirkt aber, dass auch die glatte Flache und die einfachste Linie noch interessant und lebendig erscheinen.

Kräftige Linien bringen in das Raumensemble besonders die beiden Ränge, deren holzumkleidete Rampen in mehrfach ein- und ausspringenden Rundungen verlaufen , ein feines, rein herausgearbeitetes Motiv von einprägsamer Originalität. Diese eleganten Bögen nehmen den Rängen auch, im Verein mit dem warmen und reichen Holzmantel, den oft im Rangtheater so störenden Eindruck der Monotonie in der Wiederholung der übereinander sich aufbauenden Ränge. Der Zuschauerraum ist nicht sehr hoch, die beiden Ränge, von denen man aus wirtschaftlichen Gründen nicht absehen konnte, sind so weit auseinandergerückt, dass das drohend-drückende Überhängen glücklich vermieden ist. Der Zuschauerraum gleicht nicht mehr einer engen, hohen Tonne, in die möglichst viele Menschen hineingepresst werden. Wie jeder einen bequemen Sitz erhält, so ist auch ein Luftraum da, der zu der Zahl der Plätze in anständigem Verhältnis steht. Allerdings fasst das Theater nur gegen 800 Personen. Unter diese Zahl konnte man, mit Rücksicht auf die Rentabilität des Unternehmens, nicht wohl herabgehen, war bei der Kleinheit des Grundstückes also auf Ränge angewiesen. Eine höhere Zahl der Sitze brauchte man aber schon darum nicht in Rechnung zu ziehen, weil das künstlerische Niveau, auf dem das ganze Unternehmen, Schauspiel wie Gebäude, basiert war, den Gedanken an das breite Publikum von vornherein ausschloss. Ein Theater für die Menge kann ohne Konzessionen im Geschmack nicht bestehen. Demgegenüber konnte es hier nur ein Ziel geben, einem relativ kleinen Kreis vollendete künstlerische Aufführungen zu bieten. Dass es intimer Kunst dienen will, verkündet auch die Architektur des ganzen Hauses.

Wenn man schon gezwungen war, Ränge einzubauen, so hielt man es doch für taktvoll und selbstverständlich, die schlechten Plätze, die sonst an den Seiten der Ränge entstehen, ausfallen zu lassen. Die Ränge sind nicht bis an den Bühnenrahmen vorgeführt, der zweite Rang reicht kaum bis zur Hälfte der Seitenwand, von Orchesterlogen ist überhaupt Abstand genommen. So sieht fast jeder Zuschauer das Bühnenbild genau so, wie es von der Regie gewollt war. Die grausamen perspektivischen Verzeichnungen und Verzerrungen sind vermieden. Dagegen wurden in die Rückwand des ersten Ranges eine Anzahl niedlicher, traulicher Logen eingeschnitten, die die Geschlossenheit der Wand angenehm unterbrechen.

Die Holztäfelung reicht bis zum zweiten Rang hinauf. Sie zieht sich auch schmiegsam um die Rundung der beiden Türme herum, die den Bühnenrahmen flankieren, und gerade hier exzelliert die Schönheit des polierten, reichgeflammten Holzes wie der meisterlichen Holzarbeit am höchsten. (Diese schwierigen, aber souverän bewältigten Holzarbeiten stammen von der Firma E. E. Lehmann, die darum ausdrücklich genannt werden muss.) Die farbige Kraft der Birke wird erhöht durch die dunklen, energisch geführten Palisanderleisten, die hier wie im ganzen Haus die Holzarchitektur teilen und gliedern.

An den Wänden leuchten diskrete Laternengruppen, eingebaut in originelle Metallgehäuse von polygoner Form. Eine ähnliche polygone Einschachtelung, aber größer und in Holz ausgeführt, die über den Türen eingebaut ist und wie eine Türbekrönung erscheint, birgt die Notbeleuchtung, die weißroten Lämpchen, die sonst das Auge des Zuschauers während des Spiels zu irritieren pflegen.

Der obere Teil der Wände schimmert von einer gelbseidenen Stoffbespannung (auch diese legt sich um die beiden Türme), deren zarte Musterung von Maler Böhland gezeichnet ist. Die Decke selbst ist vollständig schmucklos. Der obligate Kronleuchter in der Mitte fehlt glücklicherweise. Die Glätte der Decke scheint der Akustik sehr zum Vorteil gedient zu haben, ebenso die blankpolierte Holzbekleidung. Die Akustik ist nämlich ausgezeichnet. Diesem eigentlichen Zuschauerraum, dessen graue Velvetstuhlbezüge, goldbraune Holztäfelung, dunkle Palisanderleisten, gelbe Wandbespannung und grüne Logenvorhänge einen wohllautenden Farbenakkord bilden, tritt als eine vom Künstler mit besonderer Sorgfalt komponierte Partie der Bühnenrahmen gegenüber mit seiner Umgebung. Der Bühnenrahmen selbst erscheint, abweichend von allem Gewohnten, wie ein wirklicher Bilderrahmen gestaltet, mit riesiger Hohlkehle (Durchmesser 1 m 50 cm) und ungefähr quadratischem Format (12 m hoch wie breit). Die Bühne und das Bühnenspiel erscheinen darin gleichsam als gerahmtes Bild. In die Rampe eingebaut sind drei Souffleurkästen, die ausnahmsweise keine Muschelform zeigen, sondern jenen polygonen Laternen- und Lampenumkleidungen ähneln, die bereits erwähnt wurden. Sie nehmen auf die Souffleuse, den Regisseur und den Bühnenbeleuchter, der von hier aus die gesamte technische Einrichtung des Hauses leitet. Die beiden Türme, die den Bühnenrahmen rechts und links flankieren und wie ernste Wächter dastehen (sie bergen im Innern die Treppen zum Schnürboden), führen in die Architektur des Zuschauerraumes, wo sonst die Horizontale dominiert, ein energisches vertikales Motiv ein und beeinflussen damit die Stimmung des Raumes in eigenartiger Weise.

Über dem Bühnenrahmen leitet eine große Hohlkehle zur Decke des Zuschauerraumes über. Sie enthält ovale, mit einem plastisch ausgestalteten Gitterwerk überzogene Öffnungen für den Rauchabzug. Sollte je einmal ein Brand ausbrechen, so geht im Dach eine Klappe hoch und durch den entstehenden Luftzug wird der den Zuschauern sonst gefährliche Rauch und Qualm unmittelbar von der Bühnenöffnung nach oben und ins Freie geleitet. Das reizende Durchbruchmotiv wird ergänzt durch einige figürliche Medaillons, die der Berliner Bildhauer Feuerhahn modelliert hat. Den Übergang zur Decke markiert dann ein kräftiger Querbalken, von dem vier imposante, mit weißfunkelnden Kristallglocken behängte Lüster niederhängen, ein Motiv von höchster Schönheit. Die ganze Gruppe, der mächtige dunkle Bühnenrahmen, die bauchig aufstrebenden Türme, die Voute mit den Reliefs, endlich als Abschluss und Krönung der einfacheindringliche Rhythmus der vier Kristall-Leuchter, ist außerordentlich fein und wirkungsvoll zusammengestimmt. Das heikle Problem des Übergangs von Bühne zu Zuschauerraum hat damit eine neue, durchaus befriedigende Lösung gefunden.

Der eine Bühnenvorhang zeigt in Samtbrokat ein warmes Grau, von derselben Nuance wie die Stuhlbezüge, der andere hat schwarzgelbe Musterung (beide entwarf der Architekt des Hauses Oskar Kaufmann selbst). Von Malerei oder Stickerei wurde hierbei vollkommen abgesehen, entsprechend der allgemein herrschenden Tendenz, alles Unruhige, Zerstreuende zu vermeiden, das die Konzentration auf das eine Kunstwerk, das Bühnenspiel, dem das ganze Haus gewidmet ist, beeinträchtigen könnte.

Von den technischen Einrichtungen der Bühne kann ich hier natürlich nicht eingehend berichten. Dass das Bühnenhaus recht geräumig ist, beweist schon der äußere Anblick. Bei einer Breite von 16 Metern und einer Tiefe von 14,0 Metern erreicht es eine Höhe von 19 Metern. Der Schnürboden ist für 60 Prospektaufzüge berechnet, damit dürfte man, trotz der relativen Kleinheit des Theaters, auch den anspruchsvollsten Stücken gerecht werden können. Sonst sind alle wichtigeren

Errungenschaften der Bühnentechnik vertreten, manches erscheint hier zum erstenmal. So ist die Drehbühne, welche den respektablen Durchmesser von 12,3 Metern besitzt, nach einem neuen Modell erbaut worden. An Versenkungen sind nur zwei vorgesehen, eine an der Peripherie, eine andere mehr in der Mitte. Mit Hilfe der Drehung der Bühne können sie aber faktisch auf jeden beliebigen Punkt eingestellt werden, wie es die Regie eben vorschreibt. Bei musikalischen Aufführungen werden die ersten Parkettreihen entfernt. Unter ihnen befindet sich ein ziemlich geräumiger Hohlraum, der ein „versenktes Orchester“ von mittelstarker Besetzung aufnimmt.

Auch für die Zugänge und Vorräume, die der Gast passiert, galt in erster Linie das Prinzip, alles zu vermeiden, was seine Stimmung stören und seine Eindrucksfähigkeit herabmindern konnte. Die knappe, reinliche Formensprache hält sich von Schwulst, Bizarrerien wie Süßlichkeiten gleich weit entfernt. Die Klarheit und Sicherheit der Architektur wirkt auch auf den Besucher klärend, beruhigend, läuternd. Und der einfache Akkord der warmen, etwas dunklen Farben, der uns stillschwebend umtont, lässt uns den Zuschauerraum mit jener Sammlung und Erwartung betreten, die allein einen tiefen und starken Eindruck des Kunstwerkes ermöglicht. Die Räume sind festlich ohne Prunk, vornehm und doch intim. Schönen Toiletten bieten sie einen idealen Hintergrund.

Die Eingangshalle ist in mattgetönter Fliehe ausgekleidet, die sich an den derben Häuslein der Fassade ohne harten Übergang anreiht. In eine Seitenwand ist der Kassenschalter geschickt und reizvoll eingebaut.

Nach innen zu schließt sich der Garderobevorraum an. Dieser sonst so prosaische Ort ist hier sehr originell und stimmungsvoll ausgestaltet. Die Garderobehöhlen sind mit zierlichen Holzgewölben überdacht; das Holzpalisanderfarbenes Nussbaum mit den schweren schwarzen Leisten und den orangegelben Vorhängen, das gibt in der Dämmerbeleuchtung der grün verhangenen Laternen ein hübsches, trauliches Bild. Rechts und links führen Korridore zum Zuschauerraum und Treppen zum ersten Stock. Es ist bemerkenswert, wie diese Zwischenräume und Gänge den Gast in sanft-energischen Wendungen leiten. Wie die Räume meist ellipsenförmig oder doch abgerundet sind, so ziehen sich auch die Wege meist in weichen, angenehmen Bogenwendungen hin, was das Bild sehr belebt und trotz der kleinen Abmessungen dem Lustwandelnden Reize der Abwechslung bietet.

Palisanderfarbene Holzleisten teilen die Wände klar, doch ohne Strenge. Bis hoch hinauf zieht sich ein schöner lavendelblauer Seidenstoff, in dem orangegelbe Linien beim Vorbeigehen diskret aufleuchten. Alle Metallteile sind dunkel patiniert. Ein hübsches Messinggehänge verkleidet die eingebauten Radiatoren; darüber hängen ovale Spiegel in Metallrahmen; besonders originell erscheinen die Beleuchtungskörper mit ihren doppelgebogenen, durchbrochenen Reifen.

Das Foyer, der Repräsentationsraum des Hauses, ist klein in den Maßen und doch groß in der Wirkung. Obwohl es elliptischen Grundriss, obwohl es fast ganz geschlossene Wände hat — die zwei seitlichen Zugänge sind sehr niedrig und die fünf hohen schmalen Fensternischen unterbrechen die Wand kaum — erscheint es doch frei und weiträumig. Ja, es ist ein richtiger Festraum geworden, man glaubt, im Prunksaal eines Schlosses zu weilen, und nicht in dem Foyer eines kleinen Theaters, mit Müh' und Not aus dem Grundriss herausgerechnet. Diese Feierlichkeit, die übrigens nichts Steifes hat, vielmehr durch einen Einschlag von warmer Behaglichkeit gemäßigt ist und damit den Erholungsraum nicht verleugnet, ist einzig und allein mit Kunstmitteln, und zwar recht einfachen, erzielt worden. Die großzügige Gestaltung lässt den Raum groß und feierlich erscheinen. Infolge der Abwesenheit alles Zierrats und aller Einbauten (das Büfett springt kaum aus der Wand vor) ist die glatte, reine Hohlform des Raumes äußerst klar herausgearbeitet. Diese, auf der Ellipse aufgebaute Raumgestalt wirkt monumental durch ihre Einfachheit und Reinheit. Das Wenige an architektonischem Aufwand, was der Raum beherbergt, ist doch im höchsten Maße geeignet, gerade diesen monumentalen Raumeindruck zu unterstützen. Die kraftvoll aufstrebenden Lisenen, die sich in ruhigem, klarem Rhythmus um die Wände reihen, betonen mehr die Vertikalbewegung, als sie den Raum einschließen. Sie betonen auch den elliptischen Grundriss, indem sie ihm streng folgen und seine Kontur verstärken. Und endlich strahlt das elliptische Hauptmotiv auch leuchtend von der Decke nieder in Gestalt der kristallbehangenen Kronen, die mit der Fülle ihres Lichtes die Festlichkeit des Foyers wesentlich bedingen. Die Täfelung besteht aus rötlich braunem Mahagoni, die Hauptlinien sind durch dunkle Leisten unterstrichen. Im oberen Abschluss sind kleine Intarsien aus Rosenholz und Perlmutter eingelegt. Den Boden deckt ein Smyrnateppich, in einem Stück geknüpft, lilagrau, mit schwarzen und gelben Ornamenten.

Auch die Verwaltungs- und Ankleidezimmer des Theaters wurden vom Architekten neu und eigenartig eingerichtet. Er hat eben seinen Stolz darein gesetzt, den ganzen Bau bis in die letzten Details künstlerisch und individuell durchzubilden. Beleuchtungskörper, Spiegel, Türklinken, alles wurde für den Zweck neu entworfen. Figürlicher Schmuck kam in dem Hause nur in geringem Umfang zur Anwendung, so als Schnitzerei an den Logen, als Reliefs über dem Bühnenrahmen, als Fensterzier an den oberen Foyerfenstern. Diese Modelle lieferte Bildhauer Feuerhahn. Die seidnen Wandbespannstoffe im Zuschauerraum und in den Korridoren, sowie den schönen Teppich im Foyer zeichnete Maler Böhland. Im eigenen Atelier standen dem Architekten des Hauses, Oskar Kaufmann, die Architekten Wolkenstein-Sanmichele und Albert Weber als Mitarbeiter zur Seite. Die hier geschaffene Leistung verdient umso mehr hohes Lob, als man die bequeme Anknüpfung an bewährte Vorbilder prinzipiell vermied und bei der Aufteilung des Grundrisses wie bei der Bewältigung des Baues mit den verfügbaren Mitteln oft recht schwierige Probleme zu lösen hatte. Es spricht nur für die Reife des Werkes, daß ihm von dem Schweiß der Vorarbeiten nichts anhaften blieb. Das fertige Theater ist ein im besten Sinne moderner Bau, der dem Patron des Unternehmens nicht zur Unehre gereicht. Kaufmann hat sich mit dieser ersten großen Arbeit in eine Reihe mit unsern „zählenden“ Architekten gestellt. Er hat das Verdienst, so manchen im Interesse der deutschen Architektur geäußerten Wunsch durch die überzeugende Tat als berechtigt erwiesen zu haben.

Abbildungen

001 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Fassade
002 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Gesamt-Ansicht.
003 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Maske am Giebel.
004 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel –Theater. Eingang mit Bronze-Kandelaber.
005 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel –Theater. Eingang zur Tageskasse. Messing und Kunst-Verglasung.
006 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik am Foyer-Erker.
007 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik. Ausgeführt in Muschelkalk.
008 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Aufgang zur Garderobe.
009 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Kassenraum. Eiche und Mahagoni. Ausführung: Wilhelm Voigt.
010 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Aufgang zum ersten Rang.
011 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Gardroben-Vorraum. Palisander. Bronzegelbe Vorhänge, lederfarbene Teppich
012 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Erster Rang. Treppe.
013 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Korridor im ersten Rang. Lawendelblauer Seidenstoff (von F. Böhland), Palisander, Messing schwarz patiniert.
014 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Mittellogen im Ersten Rang. Birke. Lila Wandbespannung. Grüne Vorhänge. Ausführung der Holztäfelung: E. E. Lehmann in Berlin.
015 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Zuschauer-Raum.
016 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Bühnenansicht. Palisanderrahmen. Grauer Samtbrokat.
017 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Zuschauer-Raum. Rechte Seite. Wände Birke und Palisander. Seidenstoff gelb und lila. (von F. Böhland).
018 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Wandlampen im Kassenraum. Messing getrieben.
019 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Erster Rang. Teilansicht. Birke, Palisander, Stuhlbezug grau Velvet.
020 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik an den Mittel-Logen.
021 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik, Palisander geschnitzt
022 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Medaillons am Proszenium.
023 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Foyer. Mahagoni mit schwarz Birne, Teppich lila, gelb und schwarz (von F. Böhland).
024 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Heizkörperverkleidung im Foyer.
025 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Fensterpartie im Direktions-Zimmer.
026 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Toiletten-Schrank im Gardrobenhaus.
027 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Garderobe für Schauspielerinnen.
028 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Solisten-Garderobe.
029 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Beleuchtungskörper im Direktions-Zimmer. Messing gehämmert.
030 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Beleuchtungskörper im Konversations-Zimmer. Messing gehämmert und patiniert.
031 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Laterne an den Garderobepfeilern.

001 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Fassade

001 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Fassade

002 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Gesamt-Ansicht.

002 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Gesamt-Ansicht.

003 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Maske am Giebel.

003 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Maske am Giebel.

004 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel –Theater. Eingang mit Bronze-Kandelaber.

004 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel –Theater. Eingang mit Bronze-Kandelaber.

005 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel –Theater. Eingang zur Tageskasse. Messing und Kunst-Verglasung.

005 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel –Theater. Eingang zur Tageskasse. Messing und Kunst-Verglasung.

006 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik am Foyer-Erker.

006 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik am Foyer-Erker.

007 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik. Ausgeführt in Muschelkalk.

007 Hermann Feuerhahn – Berlin. Hebbel-Theater. Plastik. Ausgeführt in Muschelkalk.

008 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Aufgang zur Garderobe.

008 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Aufgang zur Garderobe.

009 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Kassenraum. Eiche und Mahagoni. Ausführung: Wilhelm Voigt.

009 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Kassenraum. Eiche und Mahagoni. Ausführung: Wilhelm Voigt.

010 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Aufgang zum ersten Rang.

010 Architekt Oskar Kaufmann – Berlin. Hebbel-Theater. Aufgang zum ersten Rang.