Das Gasthaus zum Treib am Vierwaldstätter See.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Landschaft, Bauten, Bauart, Schindeldächer, Blockhaus, Baumeister, Wirtshaus
Was den Städter im Hochgebirge so anzieht, ist nicht nur die Großartigkeit der Landschaft, sondern auch das Leben und Treiben des Gebirgsvolkes und Bauart und Aussehen der Häuser mit ihrer weichen, braunen Holzfarbe, den silberglänzenden Schindeldächern, auf denen in den höheren Lagen Steine lasten, den Altanen, den urwüchsigen Zieraten und Sprüchen, kurz dem ganzen so ungemein malerischen und anheimelnden Drauf und Dran.

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Gewöhnlich führt man im wenigstens das Haus auf einen steinernen Sockel. Das untere Geschoss dient entweder als Stallung oder Keller, wie vielfach in der Schweiz, oder, wie meist in Oberbayern und Tirol, als Küche und gemeinsame Wohnstube. Vom ersten Stockwerk an beginnt der Holzbau, der bald Blockhauskonstruktion ist, so dass Balken auf Balken liegt, oder Fachwerk, das außen mit Brettern oder Schindeln verschalt wird.

Trotz aller Gemeinsamkeit in der Anlage und im Stil hat doch jeder Teil der Alpen, ja jede Talschaft ihre besondere Lokalarchitektur! Meist umgeben breite, mit künstlich ausgesägten Brustwehren versehene Söller oder Altane das Haus an einer oder mehreren Seiten, die durch das weit vorspringende Schindeldach so gegen Sonne und Regen geschützt werden, dass während der besseren Jahreszeit dort manche häusliche Arbeit vorgenommen werden kann. Auf der Brüstung des Altans stehen oft Blumen, die sich von dem braunen Holzton der Wände höchst wirkungsvoll abheben. Das weit über die Giebelfront des Hauses hinausgebaute Dach ist häufig mit einem ausgesägten Bretterrand verkleidet, und die Giebelspitze und die Enden der Tragbalken laufen ebenfalls in irgend einen Zierat aus.

Nicht selten ist auch in einem freiliegenden querüberlaufenden Balken der Name des Hauseigentümers und des Baumeisters, wohl gar noch ein Kernspruch eingemeißelt. Eines der prächtigsten alten Schweizerhäuser führt uns das Bild auf S. 52 vor Augen, das Wirtshaus zum Treib am Vierwaldstätter See. Es ist im Blockhausstil gebaut mit Schindelüberkleidung an den Ecken und auf den merkwürdigen Schutzdächern, die sich zwischen den Stockwerken hinziehen und den Schnee von den Fenstern abhalten sollen. Der an einer Seite im Wasser stehende Sockel dient als Unterschlupf für die Kähne. Treib ist Haltestation der Dampfschiffe für die hoch obenliegende Sommerfrische Seelisberg und wird als einer der reizendsten Punkte des Vierwaldstätter Sees gegenüber Brunnen von Touristen viel besucht, und gar mancher kehrt in dem einfachen Wirtshaus mur deshalb ein, weil das Äußere einen so ungemein anheimelnden, altväterischen und echt gebirglerischen Eindruck macht.

Das Gasthaus zum Treib am Vierwaldstätter See

Das Gasthaus zum Treib am Vierwaldstätter See