Das Ausstellungsschwein.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: M. H-d., Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Landwirtschaft, Schweinezucht, Vogelausstellung, Kanarienvogel, Mastschwein
Eine Reihe von kleinen Missgeschicken führte vor einigen Jahren eine der drolligsten Verwechslungen herbei, die wohl je auf Ausstellungen vorgekommen sind.

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Frau v. F., die junge Gattin eines ungarischen Großgrundbesitzers hatte sich mit jenem Eifer auf die Landwirtschaft geworfen, welchen jung verheiratete Gutsbesitzerfrauen gewöhnlich in den ersten Jahren ihrer Ehe an den Tag zu legen pflegen. Dazu gehörte auch unter anderem, dass sie die Aufzucht eines jungen Schweines in ihre eigene Obhut nahm. Zu ihrer Freude gedieh Hans, so hatte sie das Schwein getauft — ganz vortrefflich und nahm sichtlich zu an Umfang und Fett in welcher Hinsicht es schließlich das übrige Borstenvieh des Gutes weit übertraf. Allein ihr Gatte wollte von ihrer eigenhändigen Schweinezucht nichts wissen, er strafte ihre Bemühungen mit Nichtachtung und würdigte den fetten Hans absichtlich nicht eines Blickes.

Lange Zeit dachte Frau v. F. nach, wie sie die Anerkennung ihres Gatten erringen könne. Endlich bot sich die gewünschte Gelegenheit. Sie las in der Zeitung, dass in Z. eine Mastviehausstellung stattfinde. Sogleich war ihr Entschluss gefasst. Sie beauftragte den Inspektor, ihren Zögling per Bahn zur Ausstellung zu senden! Mit tiefen Verbeugungen nahm der Inspektor, ein schon bejahrter Mann, den Befehl entgegen und ließ sogleich für Hans einen Holzkäfig zurechtzimmern. Als er aber die Adresse anfertigen sollte, fiel es ihm ein, dass er nicht die geringste Ahnung habe, in welcher Stadt sich die Ausstellung befände. Das Einfachste wäre ja gewesen, bei seiner Herrin anzufragen, aber er fürchtete, sich eine Blöße zu geben, wenn er verriet, dass er als landwirtschaftlicher Beamter von der Existenz der Mastviehausstellung nichts wisse.

Da erinnerte er sich noch zur rechten Zeit, von dem Inspektor des Nachbargutes gehört zu haben, dass dessen Herrschaft zur Ausstellung nach Y. gereift sei. Ohne weitere Skrupel adressierte er nun: „An die Mastviehausstellung in Y.“ Die fette Sendung langte in diesem Orte richtig an. Dort aber wusste man nichts von einer Mastviehausstellung. Da aber in Y. zur selben Zeit eine Vogelausstellung stattfand, hielt man es für in der Ordnung, dort anzufragen, und es stellte sich heraus, dass der Restaurateur der Ausstellung tatsächlich ein zu Schweinebraten geeignetes Objekt erwarte, dass er bestellt hatte. Die Sendung wurde daraufhin ihm ausgeliefert, und er nahm mit Freuden den fetten Braten entgegen.



So geschah es, dass Hans den Weg alles Fleisches ging, während seine Besitzerin von ungeahnten Ehren träumte, die ihrem Pflegling auf der Ausstellung zu teil werden würden. Als Frau v. F. aber gar nichts mehr von ihrem Mastschwein hörte verlor sie die Geduld und schrieb eine kurze Karte an die Direktion der Ausstellung, folgenden Inhalts: „Weshalb erhalte ich keine Nachricht über meinen Hans? Was haben Sie mit dem armen Tiere angefangen? Ist es denn nicht prämiiert worden?“

Als Frau v. F. die Adresse auf das Couvert setzen wollte, kamen ihr Zweifel, ob die Karte auch an die richtige Adresse! gelangen werde, wenn sie einfach adressierte: „An die Mastviehausstellung zu Z.“ Da fiel ihr ein, dass ja der Inspektor die genaue Adresse wissen müsse, und sie sandte ihm die Karte zum Adressieren! Der Inspektor besann sich nicht lange und schrieb einfach an die Ausstellung zu Y.. So gelangte auch die Karte in die Vogelausstellung.

Hier las man die Anfrage mit einiger Verlegenheit. Die Nachforschungen ergaben zwar nicht, dass Frau v. F. irgend ein Objekt zur Ausstellung gesandt habe, aber immer hin war die Buchführung der Ausstellung nicht in solcher Ordnung, dass mit Bestimmtheit das Eintreffen einer Sendung in Zweifel gezogen werden konnte.

„Hans,“ sagte der Direktor der Ausstellung, „ist sicher der Name eines Kanarienvogels. Wenn alle anderen Kanarienvögel abgeholt sind, wird der gemeinte wohl übrig bleiben und kann dann zurückgesandt werden. Jedenfalls wollen wir zur Beruhigung der Dame eine Antwort schreiben.

Die Antwort, welche Frau v. F. erhielt, lautete: „Die Prämiierungen haben bereits stattgefunden, doch konnte Ihr Hans dabei leider nicht bedacht werden. Das hindert uns aber nicht, seine Leistungen in Ehren anzuerkennen. Er singt außerordentlich hübsch, und namentlich gelingt ihm der lange Triller. Auch ist er hübsch gehalten und gezogen, so dass er wohl eine Zierde jeden Salons sein dürfte.“

Sehr entrüstet erwiderte Frau v. F., dass ihr Mastschwein zwar gut gehalten und gezogen sei, niemals aber gesungen oder getrillert habe und für einen Salon jedenfalls nicht passe. Sie bitte, solche Scherze zu unterlassen und verlange nunmehr ernstliche Auskunft.

Eine ganze Zeitlang wurde hin und her geschrieben, bis sich die Geschichte aufklärte, Frau v. F. war untröstlich über das wenig ruhmreiche Ende ihres Pfleglings, und seit dieser Zeit verlor sie jede Lust, sich weiterhin so energisch in der Landwirtschaft zu betätigen.