Auswanderung - Meckl.-Schwerin nach Übersee 1861-1863

Die Auswanderung aus Mecklenburg-Schwerin
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Inhaltsverzeichnis

    Namensliste - 1863 Akt.-Nr. 3000 ff.

    Namensliste - 1864 Akt.-Nr. 3339 ff.
Inhalt

Schon seit längerer Zeit beschäftigte mich der Gedanke an einen Versuch, die Auswanderung aus Mecklenburg-Schwerin in überseeische Länder, besonders nach den Vereinigten Staaten, darzustellen. Ich war darauf gekommen, als ich im wismarschen Ratsarchiv auf Akten stieß, die, bis in das erste Drittel des neunzehnten Jahrhunderts zurückgehend, die Auswanderung aus Wismar und Umgebung betrafen. Mit einer Beschränkung auf Wismar schien mir aber doch der Rahmen für eine erfolgreiche Untersuchung zu eng gespannt; ich entschloß mich daher, die gesamte Auswanderung aus Mecklenburg-Schwerin in den Kreis meiner Nachforschungen zu ziehen.

Zunächst habe ich mit der Durcharbeitung des Materials begonnen, das das Geheime und Haupt-Archiv in Schwerin enthält, und zwar der Spezialakten über Auswanderung (Auswanderungs-Konsense). Meine Absicht ist, im Laufe der Zeit alles, was an Auswanderungsakten in Mecklenburg-Schwerin erreichbar ist, zu bearbeiten.

Die Frage war nun, welches die Form und das Ziel der Untersuchung sein sollte: Sollte sie sich beschränken auf statistische Zusammenstellungen oder sollte sie darüber hinausgehend auch die Persönlichkeiten der Auswanderer selbst behandeln? Von dem Gedanken, nur Statistisches zu geben, bin ich abgekommen trotz der Gefahr, daß der äußere Umfang der Untersuchung sehr erheblich werden würde. Als Begründung für meinen Entschluß möchte ich einige grundsätzliche Bemerkungen einfügen.

Es wird im allgemeinen keiner besonderen Begründung bedürfen, warum eine Arbeit über die Auswanderung besonders nach Amerika berechtigt, ja, ich möchte ohne Einschränkung sagen, durchaus notwendig und auch gerade im jetzigen Augenblick notwendig ist. Die ungeheure historische Bedeutung jener Wanderung, die sehr viele deutsche Volksgenossen in die Neue Welt hinüberführte, ist uns in den letzten Jahrzehnten immer mehr zum Bewußtsein gekommen. Was würden wir darum geben, wenn wir heute in der Lage wären, mit einem gleich umfangreichen und brauchbaren Material etwa die Geschichte unserer ostdeutschen Kolonisation erhellen zu können! Eine wenn auch nicht gleich, so doch ähnlich wichtige und bedeutungsvolle Erscheinung ist aber die Auswanderung nach Amerika. Hier muß also aus Gründen der historischen Erkenntnis eines überaus wichtigen und, man kann wohl sagen, weltgeschichtlichen Ereignisses die Aktenforschung einsetzen.

Dazu aber kommt ein zweites: ich möchte dies die nationale Bedeutung einer derartigen Untersuchung nennen. Wir haben es überaus schmerzlich empfunden, daß die Bande gemeinsamen deutschen Volkstums zwischen uns und den Deutsch-Amerikanern stark gelockert und oft gänzlich zerrissen sind. Wollen wir diese Bande wieder knüpfen und festigen, dann wird ein Nachweis über die einzelnen Persönlichkeiten, die über See gegangen sind, die beste Gelegenheit dazu bieten. Und ich möchte geradezu sagen: Es ist fast der letzte Augenblick, um hier noch mit einiger Aussicht auf nennenswerten Erfolg zu arbeiten. Noch mag drüben dieser und jener leben, der als Kind etwa in den sechziger Jahren mithinübergegangen ist; mindestens aber wird man annehmen und hoffen können, daß bei den Nachkommen die Erinnerung an die Herkunft ihrer Vorfahren noch lebendig ist. Andererseits weiß man ja, wie schnell gerade der Deutsche sich dem Lande, das ihm Erfüllung seiner Wünsche und Hoffnungen gab, anzupassen wußte, wie schnell und vollständig der Deutsche z. B. amerikanisiert wurde. Will man also an noch lebende Persönlichkeiten oder noch lebendige Tradition (etwa durch die deutschen Vereine in den Vereinigten Staaten) anknüpfen, dann darf man beinahe kein Jahr mehr ungenützt verstreichen lassen.

Diese grundsätzlichen Erwägungen, die mir persönlich überdies die Dringlichkeit einer Untersuchung über die Auswanderung am deutlichsten beweisen, gaben auch die Entscheidung über Ziel und Methode der Arbeit: Ich durfte mich nicht mit statistischen Untersuchungen begnügen, wenngleich auch diese gewiß auf Interesse rechnen dürfen, zumal in heutiger Zeit, deren historische Forschung ganz besonders das Gebiet der Wirtschaftsgeschichte bearbeitet. Ich mußte auch und sogar zunächst einmal in erster Linie die Namen der Auswanderer selbst veröffentlichen. So kann man hoffen, daß es vielleicht doch noch möglich sein wird, in der neuen Heimat der Auswanderer die Erinnerung an diese und jene Vorfahren wieder lebendig werden zu lassen und so unmittelbare persönliche Beziehungen herzustellen oder zu befestigen.

Zugleich aber glaube ich, daß es auch für manchen von uns heutigen Mecklenburgern von Interesse sein wird, die Namen derer, die einst von hier ausgewandert sind, zu durchmustern. Hier und da mögen sich Anknüpfungspunkte finden; es mag wohl geschehen, daß der Name manches verschollenen Familienmitgliedes wieder auftaucht. Und damit ist zugleich ja auch hingewiesen auf die allgemeine Bedeutung einer solchen Zusammenstellung für die Familienforschung.

Schwierigkeiten macht natürlich der Umfang des Materials, das sich so zur Veröffentlichung bietet. Ich habe diesen Schwierigkeiten zu begegnen versucht durch Abkürzungen der Vornamen und überhaupt durch möglichst starke Zusammenpressung der Angaben der Akten.

Die nachfolgenden Zusammenstellungen selbst sind nur als allererstes Stück, sozusagen als Probestück gedacht. Hoffentlich wird es möglich sein, im nächsten Jahr erheblich größere Partien zu veröffentlichen. Es ist also auch nicht das Forschungsergebnis über einen bestimmten Zeitabschnitt, sondern nur soviel veröffentlicht, wie auf den wenigen zunächst zur Verfügung stehenden Seiten untergebracht werden konnte.

Auch noch einige äußerliche Bemerkungen seien gemacht: Die Reihenfolge der Angaben ist: Name, Beruf, Herkunftsort, Geburtstag, [Datum der Konsens-Erteilung], (abgekürzte Aktennummer), Bemerkungen. Wo Angaben, z. B. über Geburtsdaten, fehlen, fehlen sie auch in den Akten. Die Angabe "unverheiratet" ist nur bei weiblichen Personen gemacht. Leider ist nur zum ganz geringen Teil in den Akten der Ort angegeben, nach dem die Auswanderer wollten; wo diese Angaben sich finden, gebe auch ich sie natürlich. Die Namenschreibung der Ortschaften und die Bezeichnung der Ämter ist nach den Akten, also nach dem damaligen Stand der Dinge erfolgt. Die Auswanderer sind nicht durchnumeriert, dafür aber die Aktennummern abgedruckt zwecks leichterer Auffindung der einzelnen Belege. Personen- und Ortsregister werden nach Veröffentlichung eines längeren Abschnitts folgen, ebenso auch statistische Zusammenstellungen. Nicht unerwähnt sei, daß die Auswanderungsakten des Geheimen und Haupt-Archivs nicht ganz vollständig zu sein scheinen.

Auch darüber seien ein paar Worte gesagt, weshalb ich nur die Auswanderung über See behandele. Ein Grund liegt natürlich in dem Umfang des Materials, das zu stark anschwellen würde. Dazu aber kommt, daß mir im Augenblick aus den oben erwähnten Gründen eine Untersuchung über die überseeische Auswanderung wichtiger scheint als z. B. über die Auswanderung in andere deutsche Länder, die nächst der überseeischen in erster Linie in Frage käme. Doch sei ausdrücklich festgestellt, daß ich mich nicht auf die Vereinigten Staaten allein beschränkt habe: Auch die Auswanderung nach Brasilien und Australien z. B. habe ich in die Untersuchung hineingezogen. Wo sich bei mir keine besondere Notiz über das Auswanderungsziel findet, steht in den Akten nur "Amerika", was wohl so gut wie immer "Vereinigte Staaten" bedeuten wird, oder es steht ausdrücklich da "Vereinigte Staaten" bzw. "Nordamerika".

Zum Schluß möchte ich an einem Beispiel aus vielen zeigen, welchen großen Umfang die Auswanderung aus Mecklenburg, auch aus den Städten genommen hat: Aus der Stadt Crivitz erhielten Auswanderungskonsense 1864. V. 9. ein Bäckermeister mit Frau und vier Kindern; V. 10. eine Witwe; V. 23. ein Kaufmann mit Frau und fünf Kindern, ein Schustermeister mit Frau und einem Kind; VI. 1. ein Ackerbürger mit Frau und zwei Kindern; VI. 2. ein Ackerbürger mit Frau und drei Kindern; VI. 4. ein Müllergeselle; VI. 6. zwei unverheiratete Schwestern; VI. 18. ein Mädchen mit unehelichem Kind; VII, 19. ein Bäckermeister mit Frau und vier Kindern; insgesamt also 37 Personen, die aus der einen kleinen Stadt im Lauf von gut zwei Monaten den Konsens erhielten! Man stelle sich vor, welchen Eindruck heute eine gleiche Auswandererziffer machen und wie sie wirken würde! Das ist aber nur eins von den sehr vielen Beispielen, die ich bei den späteren statistischen Untersuchungen zusammenstellen werde. Zunächst beschränke ich mich darauf, für alles, was Statistik und Einordnung der Auswanderung in die geschichtliche Entwicklung Mecklenburgs angeht, auf die überaus inhaltreiche und wertvolle Arbeit des damaligen Referendars, heutigen Amtsgerichtsrats Lindig in Wismar über "Entwicklung und gegenwärtiger Zustand des Auswanderungswesens in Mecklenburg" (Zeitschr. d. Vereins f. Sozialpolitik Bd. 52) zu verweisen.