Auswahl von Schwedischer Architektur der Gegenwart
Von Schwedischen Architekten herausgegeben zur Internationalen Architekturausstellung in Wien 1908
Autor: Östberg, Ragnar (1866-1945) schwedischer Architekt, Erscheinungsjahr: 1908
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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schweden, Architektur, Bauweise, Gebäude, Kirchen, Baukunst, Baudenkmäler, Baumeister, Hünengräber, Götzentempel, Feldsteinblöcke, Granit, Baumaterial,
Die Hünengräber und die alte Kirche von Upsaia.
Schon so manches Jahrhundert lang hatten sich die gewaltigen Hünengräber auf der Ebne Upsalas erhoben, als sich vor 1000 Jahren der Schweden-König Olof Skötkonung an der Quelle Husaby taufen ließ und von da ab aufhörte, die heidnischen Opferfeste in dem Tempel Upsalas zu leiten.
Upsalas Hünengräber, diese gewaltigen Erdhügel, welche die Ruhestätten unserer Vorfahren umschließen, sind Zeugen heidnischer Gestaltungsgabe und heidnischer Riesenkraft. Wie mächtige Bergrücken erheben sie sich gegen den Himmel, die weite Ebne unterbrechend, wie dumpfe, schwere Töne dringen sie aus einer anderen Welt an die Oberfläche, in gewaltigen Wellenlinien verklingend. Nicht weit von ihnen stand noch im zwölften Jahrhundert unser großer Götzentempel unangetastet und in vollem Gebrauch, aus groben Feldsteinblöcken gemauert, doch inwendig mit goldenen Platten bekleidet. Dort opferte man den alten Göttern: Odin, Tor und Frey, während die Baumkronen des heiligen Hains den Opfertempel umrauschten. Erst Erich der Heilige stürzte die heidnische Sitte und mit ihr die Tempelmauern. Auf den alten Grundmauern führte er die christliche Kirche auf, die sich noch heute zwischen den Hünengräbern erhebt. Wie in früheren Tagen verschmelzen hier noch heute Heidentum und christliches Mittelalter in einander und bilden so unser größtes Denkmal der Vorzeit.
Die uralte Bauernkultur, die sich in Schweden Jahrhunderte lang vor der Einführung des Christentums vorfand, wich nur langsam der Bildung der lateinischen Rasse, welche während des späten Mittelalters mit dem Katholizismus eindrang; denn zu der Zeit, wo man katholische Kirchen in verschiedenen Teilen unseres Landes, in Westergötland, in Sigtuna und auf Gotland erbaute, wurde immer noch eifrig den alten Göttern im Tempel auf der Ebne bei Upsala geopfert. Diese Kirchen, wie auch der Upsala-Tempel, waren aus Natursteinen errichtet, welches Baumaterial damals noch verhältnismäßig wenig zur Anwendung kam. Die enormen Wälder unseres Landes gestatteten nämlich die gediegensten Konstruktionen aus Holz, und sowohl Bauernhöfe als Herrenhäuser wurden im allgemeinen aus grobem Bauholz gezimmert.
Auch die Kirchen wurden oft aus Holz aufgeführt, und die häufig vorkommenden Steinarten, Granit, Kalkstein und Sandstein, verwendete man nur selten.
Auf Gotland entwickelte sich jedoch teils infolge der ausgedehnten Handelsverbindungen dieser Insel, teils infolge ihrer ruhigen, abgeschiedenen Lage und ihres Reichtums an Sandstein- und Kalksteinlagern, schon im frühen Mittelalter eine kraftvolle Kirchenbaukunst, welche noch heute in hunderten von kleinen Landkirchen von einer eigentümlichen, nordisch nuancierten romanischen und gotischen Architektur zeugt. Dem reichlichen Vorrat an leicht zu bearbeitenden Steinen verdanken diese Bauwerke einen Reichtum an kunstvollen Details und eine ornamentale Ausführung, welche sich bei den raueren, derb geformten Bauwerken auf dem schwedischen Festland sonst nur selten vorfand. Vereinzelte, hier und da noch stehengebliebene und bewohnte Bauernhöfe zeugen auch von einer uralten Bauart aus Stein mit Stroh-Dächern. Ihre niedrig sich ausdehnenden Massen schmiegen sich, — gleich denen der Hünengräber — an die Erde an, und ihr Linienspiel ist besonders interessant, wenn man es mit diesen Grabhügeln vergleicht. Die runde und mit dem Boden intim zusammenhängende Form ist ihnen beiden gemeinsam, wie denn dieser Zug auch an unseren uralten „Rundkirchen“ aus Granit wahrzunehmen ist.
Diese in öden, entlegenen Gegenden errichteten romanischen Bauwerke, wie auch die später entstandenen Landkirchen mit ihren einfachen Formen und ihren Spitzbogen-Gewölben dienten — mit ihren oft zwei Meter dicken Granitmauern und ihrem befestigten Turm — nicht nur dem kirchlichen Kultus sondern auch Verteidigungszwecken.
Von den Bewohnern der Umgegend, oft unter der Leitung baukundiger Mönche, aufgeführt, erhielten diese Bauwerke, z. B. die Varnhemer Kirche, einen ursprünglicheren und nationaleren Charakter als die später entstandenen gotischen Kathedralen in Upsala, Skara, Linköping etc., welche zum größten Teil unter der Leitung von aus dem Ausland herbeigerufenen Baumeistern ausgeführt wurden.
Gleichzeitig hiermit kam auch der Ziegelstein als Baumaterial mehr zur Anwendung, und während der schwedischen Renaissance des sechzehnten Jahrhunderts bediente man sich desselben, nebst Granit und anderen behauenen Steinen, zur Errichtung der Bürger- und Herrenhäuser, sowie auch der Burgen der Könige.
Es war Gustav Vasa, unter dessen Einfluss sich diese unsere bedeutendste Epoche auf dem Gebiete der Baukunst entwickelte, während er als König unser ganzes Reich gründete. Mit einem ursprünglichen Sinn für Klarheit und Festigkeit leitete er mit eigener hoher Hand und mit königlicher Auffassung der Würde der Architektur viele Bauunternehmungen im Reiche. Die prachtvollste unter diesen ist das Schloss in Vadstena. Ursprünglich nach einem Plan erbaut, der an die frühen französischen Burgen erinnert, ist jetzt noch die Hauptpartie mit Flügelturm und Burggraben und dahinter gelegenem Burghof vorhanden. Mit seinen kompakten Massen, seinen gewaltigen und ruhigen Maßverhältnissen und seiner interessanten Gruppierung der Fenster, wobei die Ansprüche der Renaissance auf zierliche Regelmäßigkeit nur in großen Zügen berücksichtigt sind — steht dieses Schloss als ein Denkmal echt schwedischer Baukunst da. Auch die inneren Räume mit ihren enormen Massen, oft über 10 Meter breit und mit geraden, dicken Holzbalken gedeckt, zeugen von der wuchtigen Kraft der damaligen Zeit.
Bei den Schlössern in Kalmar und Gripsholm, welche aus Ziegelstein erbaut sind, macht sich derselbe Zug von monumentaler und gediegener Baukunst bemerkbar.
In dem 17-ten und besonders dem 18-ten Jahrhundert verspürt man deutlich den offenbaren Einfluss vom Süden her, was auf die lebhafte Berührung, die Schweden während seiner Glanzperiode mit dem übrigen Europa hatte, zurückzuführen ist. Die ruhigen und großen Formen sind zwar noch vorhanden, und in gewissem Masse auch der herbe Charakter — beispielsweise bei dem Tidöer Schloss und dem herrlich gelegenen Lecköer Schloss — aber das gediegene Material und die gediegene Ausführung machen sich nicht im selben Grade bemerkbar. Die Mauern werden teils aus Ziegelsteinen, teils aus Ziegel- und Feldsteinen aufgeführt und die Paraden mit Mörtel überputzt, um eine feine Wirkung zu erzielen.
Diese Neigung zu Zierlichkeit und dekorativer Wirkung erreicht ihre volle Entwicklung während des 18-ten Jahrhunderts, zunächst als eine Folge der italienischen Ausbildung unserer großen schwedischen Baumeister: Tessin des Älteren und Tessin des Jüngeren. Bei dem ersteren verspürt man in seiner volleren Formgebung noch das Erbe von der Vasa-Zeit her, beispielsweise bei seinem Palast für Axel Oxenstierna, der Stockholmer Hauptkirche („Storkyrkan“) gegenüber gelegen. Bei Tessin d. J. dagegen macht sich durchweg der Einfluss der italienischen Geschmacksrichtung geltend. Nur in den von ihm angewendeten imponierenden Massen spürt man einen schwedischen Zug. Sein königl. Schloss in Stockholm (das ein Areal von 30.000 Quadratmetern einnimmt) mit seiner geregelten Symmetrie, seiner reichen Pilastereinteilung, seinen geputzten Mauern und seiner verfeinerten Listenbildung, war mehr als 100 Jahre bestimmend für schwedische Architektur, wie auch sein dekorativer Ton und die italienische Raumbildung, die er einführte, mit mehr oder weniger französischem Einfluss weiter fortlebte. Das Karolinische Grabgewölbe neben der . Riddarholms -Kirche in Stockholm ist eine glänzende Probe der monumentalen Kunst der beiden Tessins, während man dort gleichzeitig einen Hauch der Rokkokozeit verspürt, die bei der Vollendung des Monuments in der Mitte des 18-ten Jahrhunderts einen unverkennbaren Einfluss ausübt.
Der kosmopolitische Charakter des neunzehnten Jahrhunderts brachte Schweden in vielleicht noch höherem Grade als den übrigen Kulturländern jenes Gemisch von verschiedenen historischen Stilarten, — vom Griechischen und der Renaissance bis zum Mittelalter und dem Barockstil, — welches sich mehr auf akademische Stubenweisheit als auf wirkliches Gefühl für die Baukunst gründet. Wie in vielen anderen Ländern, so hat auch bei uns der Überfluss an fremdem Studienmaterial eine einheitliche, einen nationalen Charakter tragende Stilbildung verhindert. Dass dieser „Gemeingeist“, besonders, wenn es sich um eine solche Kunst handelt, wie die Architektur mit ihrer durch klimatische und lokale Verhältnisse bedingten Eigenart, eine Gefahr für die Baukunst bedeutet, ist bei uns in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr erkannt worden. Darum ist eine auf dem Studium nationaler Bauwerke fußende, technisch vollwertige, moderne Architektur
die gegenwärtige Aufgabe der schwedischen Architekten.
RAGNAR ÖSTBERG.
Auswahl von Schwedischer Architektur der Gegenwart 1908 Titel
Die Hünengräber und die alte Kirche von Upsala
Bauernhof auf Gotland
Das Karolinische Grabgewölbe bei der Riddarholmskirche in Stockholm
Das Schloss in Vadstena
Häuschen bei Rönninge
Interieur von der Arvika-Kirche
Perspektivische Skizze für ein neue Rathaus, Stockholm
Perspektivische Skizze für eine Kirche auf Hvita Berget, Stockholm
Villa Akermann mit Park, Tiergarten, Stockholm
Villa Ernest Thiel. Tiergarten. Stockholm