Aphorismen und Miszellen. 215 bis 222.
Autor: Börne, Carl Ludwig (1786-1837)
Themenbereiche
215. Der Deutsche ist keusch und fordert von jedem, der sich mit einer Idee vermählt, eheliche Treue. Darum tadelt er auch so bitter jene Zeitungen, die als schlaue Kammerzofen der Zeit allen zärtlichen Launen ihrer Gebieterin schmeicheln und forthelfen. Aber das ist eine falsche Tugend. Seiner Handlungsweise muß man ergeben bleiben; dem Denker aber ist ein Harem erlaubt, damit er dem Zuge der Schönheit folge, nicht dem Zwange des Systems.
216. Jede Revolution endet, wie sie angefangen; wer daher nur versteht, die wesentlichen Erscheinungen einer Revolution von den zufälligen zu unterscheiden, kann sicher vorhersagen, wie sich die Geschichte dieses oder jenes Staates entwickeln wird. Wo wird Frankreich stille stehen? An der Stelle, von der es 1789 ausgegangen. Damals wollten die Franzosen eine konstitutionelle Monarchie – und sie wird ihnen werden. Weder die Republikaner, welche das Königtum umstürzen, noch die Ultras, welche die Konstitution vernichten wollen, erreichen ihren Zweck.
217. Ein französischer Arzt hat kürzlich eine Abhandlung über das Schreien und Weinen kleiner Kinder geschrieben und dargetan, daß die Kinder davon dumm würden. Jetzt wissen wir auch, warum man das Schreien verbreitet.
218. Gleich den Hunden auf der Straße, die hinter den Wagenrädern herlaufen und sie anbellen, rennt man schreiend und die Zähne fletschend hinter die Freigesinnten her, die doch nur die Räder sind der rollenden Zeit. Den lenkenden Geist aber, der sicher und bequem in der Kutsche sitzt, erreichen sie, ja, sie gewahren ihn nicht!
219. „Das Vaterland und die Menschheit verlieren an ihm viel“ – sagte die Trauerrede. An wem? An Voltaire, Friedrich dem Großen, Washington, Franklin, an Napoleon etwa? Keineswegs; es ist von irgend einem Polizeidirektor die Rede, der in irgend einer kleinen Stadt vor kurzem gestorben ist ... Der Verstorbene war gewiß ein guter Vater, ein guter Sohn, ein guter Gatte, ein treuer Untertan, ein redlicher Beamter – aber das Vaterland, aber die Menschheit! Solche aufgeblasene Redensarten finden sich in jedem Wochenblättchen. Von einem jungen Mädchen, das gestorben, heißt es: es sei im 18. Jahre seines tätigen Lebens aus der Welt geschieden! Des Kanzleistils eurer dumpfen Begeisterung, des Kommisstils eurer unschmackhaften Schmeichelei, könnt ihr euch seiner nie entwöhnen? Ist es nicht möglich, ist es gar nicht möglich, daß ihr besser und gesünder werdet?
220. Deutschlands Hemmschuh, man wisse ihn zu achten; Torheit, ihn zu schmähen, weil er aufhält! Die zahmsten Pferde, die besonnensten Wagenführer machen ihn nicht überflüssig. Die Zwingburgen lagen so hoch, der Weg ist gar zu steil.
221. Wie wird es enden? ... Man hat eine Geschichte von einem jungen Offizier, der in seiner ersten Schlacht, bleich und zitternd, gedrängt zwischen der Liebe zum Leben und der Liebe zur Ehre, zu schwach, dem Triebe der Natur zu widerstehen, zu stark, ihm zu weichen, sich selbst tötete und starb aus Furcht zu sterben ... So wird es enden – nur war es dort nicht der Feldherr, welcher zitterte.
222. Wir werden erzogen, als sollten wir Könige werden. Was wir nicht alles lernen! – als sei Gehorchen so eine schwere Wissenschaft!
216. Jede Revolution endet, wie sie angefangen; wer daher nur versteht, die wesentlichen Erscheinungen einer Revolution von den zufälligen zu unterscheiden, kann sicher vorhersagen, wie sich die Geschichte dieses oder jenes Staates entwickeln wird. Wo wird Frankreich stille stehen? An der Stelle, von der es 1789 ausgegangen. Damals wollten die Franzosen eine konstitutionelle Monarchie – und sie wird ihnen werden. Weder die Republikaner, welche das Königtum umstürzen, noch die Ultras, welche die Konstitution vernichten wollen, erreichen ihren Zweck.
217. Ein französischer Arzt hat kürzlich eine Abhandlung über das Schreien und Weinen kleiner Kinder geschrieben und dargetan, daß die Kinder davon dumm würden. Jetzt wissen wir auch, warum man das Schreien verbreitet.
218. Gleich den Hunden auf der Straße, die hinter den Wagenrädern herlaufen und sie anbellen, rennt man schreiend und die Zähne fletschend hinter die Freigesinnten her, die doch nur die Räder sind der rollenden Zeit. Den lenkenden Geist aber, der sicher und bequem in der Kutsche sitzt, erreichen sie, ja, sie gewahren ihn nicht!
219. „Das Vaterland und die Menschheit verlieren an ihm viel“ – sagte die Trauerrede. An wem? An Voltaire, Friedrich dem Großen, Washington, Franklin, an Napoleon etwa? Keineswegs; es ist von irgend einem Polizeidirektor die Rede, der in irgend einer kleinen Stadt vor kurzem gestorben ist ... Der Verstorbene war gewiß ein guter Vater, ein guter Sohn, ein guter Gatte, ein treuer Untertan, ein redlicher Beamter – aber das Vaterland, aber die Menschheit! Solche aufgeblasene Redensarten finden sich in jedem Wochenblättchen. Von einem jungen Mädchen, das gestorben, heißt es: es sei im 18. Jahre seines tätigen Lebens aus der Welt geschieden! Des Kanzleistils eurer dumpfen Begeisterung, des Kommisstils eurer unschmackhaften Schmeichelei, könnt ihr euch seiner nie entwöhnen? Ist es nicht möglich, ist es gar nicht möglich, daß ihr besser und gesünder werdet?
220. Deutschlands Hemmschuh, man wisse ihn zu achten; Torheit, ihn zu schmähen, weil er aufhält! Die zahmsten Pferde, die besonnensten Wagenführer machen ihn nicht überflüssig. Die Zwingburgen lagen so hoch, der Weg ist gar zu steil.
221. Wie wird es enden? ... Man hat eine Geschichte von einem jungen Offizier, der in seiner ersten Schlacht, bleich und zitternd, gedrängt zwischen der Liebe zum Leben und der Liebe zur Ehre, zu schwach, dem Triebe der Natur zu widerstehen, zu stark, ihm zu weichen, sich selbst tötete und starb aus Furcht zu sterben ... So wird es enden – nur war es dort nicht der Feldherr, welcher zitterte.
222. Wir werden erzogen, als sollten wir Könige werden. Was wir nicht alles lernen! – als sei Gehorchen so eine schwere Wissenschaft!