Ansichten eines Engländers über das Leben in Deutschland - Die österreichische Regierung
Autor: Howitt, William (1792-1879) englischer Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1842
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wiener Sittenbild,
Aus: The Rural and Domestic Life of Germany: With Characteristic Sketches of Its Cities and Scenery. 1842. By William Howitt (1792-1879)
Die Meinung, die wir von Österreich hegen, als herrsche eine solche Regierung, daß man dort stets einen Spion oder Polizeiagenten auf den Fersen hätte, verliert sich in Wien ganz und gar. In keiner andern Stadt zeigt sich so wenig eine Spur von Aufpasserei und Polizeigewalt als eben in dieser. Nachdem man seinen Pass abgegeben hat, kann man sich hier eben so frei und sorglos bewegen als in London; und wenn man nicht selber darauf ausgeht, die Regierung anzugreifen, bleibt man von ihr durchaus unbehelligt. Es ist dies das Resultat eines einsichtsvollen und weltweisen politischen Systems. Alles ist hier darauf angelegt und berechnet, die Gedanken des Volks von politischen Dingen abzuziehen. Zu dem Ende wird den öffentlichen und den soziellen Vergnügungen aller mögliche Vorschub gegeben. Wenn der Armut auch nicht völlig vorzubeugen ist, weil der Staat eine ansehnliche Schuldenlast hat und das Verhältnis der Armen im Jahr 1836 circa vier zu hundert gewesen sein soll, wird doch der Not möglichst abgeholfen und man sieht in keinem anderen Lande weniger Anzeichen der Armut als in Österreich. Das Hauptprinzip einer guten Regierung ist und muss es seyn, dem Volke das Leben angenehm zu machen, weil sich so nur eine Regierung populair erhalten kann. Österreich ist eine der ersten Nationen in Europa gewesen, die ihr Volk gerade so weit erzogen hat, als es die Führung der menschlichen Angelegenheiten erfordert. Die Verwaltung der Gerechtigkeit ist dort wohlfeil, und um zu seinem Rechte zu kommen, bedarf es nicht, wie bei uns in England, eines wohlgefüllten Beutels, ja es stehen selbst den Ärmsten die höchsten Wege offen. Der Kaiser verwendet in Person jede Woche einen Tag dazu, Beschwerden anzuhören, die alle, wie niedrig auch ihr Stand sei, ihm vortragen dürfen. Dass ein Volk, wenn es sich damit zufrieden geben kann, die Handhabung der politischen Angelegenheiten lediglich den Händen der Regierung zu überlassen, im behaglichsten Stande von der Welt leben kann, davon liefert Österreich den sichtlichsten Beweis. Im Vergleich zu der furchtbaren Not in unserm eigenen Lande, ist Österreich ein wahres Paradies. Nirgends in der Welt ist ein so schreckliches Elend zu finden, als in unseren Fabrikdistricten, und Österreich könnte mit Recht die Frage aufwerfen, ob unsre Freiheit der Rede um solchen Preis nicht zu teuer bezahlt sei.