Anblick des inneren Hamburgs: Gassen. Bauart. Öffentliche Gebäude. Marktplätze. Kanäle. Ebbe und Flut. Gassenpflaster.

Aus: Ansichten der freien Hansestadt Hamburg und ihrer Umgebungen. Band 1
Autor: Hübbe, Karl Johann Heinrich (1764-1855) Bibliothekar, Schriftsteller, Pastor und Schulinspektor am Waisenhause in Hamburg., Erscheinungsjahr: 1824
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hansestadt Hamburg, Juden, Judentum, Jüdische Gemeinde, Stadtgeschichte, Bürgerrechte, Armenversorgung, Armenkasse, Befreiungskrieg, Napoleon, Religion, Emanzipation, Bürgerschaft, Feuersbrunst von 1842, Judengesetze, Hausierhandel, Judentor, Juden-Reglement von 1810,
Hamburg, wie fast alle sehr alten Städte, ist keine schöne Stadt. Allmählich und nach Gelegenheit angebaut und vergrößert, hat man sich bei dem Anbau nach den Umständen gefügt, oder auch der Willkür, dem Vorteil und der Bequemlichkeit nachgegeben, ohne auf Regelmäßigkeit und schöne Ansicht zu achten und noch weniger an die Einschränkungen und Hindernisse zu denken, welche dem ferneren Anbau und der künftigen Vergrößerung daraus erwachsen mussten. Etwas regelmäßiger, wie wohl immer noch planlos genug, ist die Neustadt erbaut. Hier war man nicht gezwungen dem Strom nachzugehen und nachzugeben und konnte einzelne regelmäßige Vierecke anlegen und grade, von rechten Winkeln durchschnittene Straßen ziehen.

Die Hauptstraße, welche die Stadt vom Osten zum Westen durchschneidet, ist bis zur Grenze der Neustadt, die Steinstraße abgerechnet, krumm und sehr enge, so dass an manchen Stellen zwei Wagen sich nur mit Mühe ausweichen können. Daher denn die ununterbrochenen, aber nicht zu vermeidenden Hemmungen, besonders an den Kreuzwegen; daher aber auch die unvergleichliche Gewandtheit der Kutscher und Fuhrleute im Wenden und Ausweichen, selbst mit schwer beladenen Wagen und bei
Abend, so dass sich im Ganzen sehr selten Unglücksfälle ereignen.

Die Stadt ist allmählich angebaut. Man musste sich dabei notwendig nach dem Elbstrome richten, welcher nur nach und nach eingedämmt wurde. Schon sehr frühe sah man die dem Handel so günstige Lage Hamburgs ein. Ein jeder suchte also so viel möglich Vorteil von dem Strome zu ziehen und wünschte so zu wohnen, dass er sein Handelsgut unmittelbar aufnehmen und wieder abladen könnte. Der Handelsmann achtete daher weniger auf die Fassade seines Hauses und auf eine ansehnliche Breite, als auf die Gemeinschaft mit einem Kanal, und der Bürger weniger auf Regelmäßigkeit der Gassen, als auf das Gedeihen und Aufblühen der lieben Vaterstadt durch wachsenden Handel. Auch wurde damals das Unbequeme und Lästige enger und krummer Wege viel weniger empfunden. Denn des Fahrens war weniger. Man ging zu Fuß, man ritt, oder wenn es hoch kam, fuhr man in einspänniger Cariole. Kutschen und Chaisen kannte man nicht; die Equipagen von dreißig Ärzten durchstreiften damals die Stadt noch nicht den ganzen Tag in allen Richtungen. Selbst gegen die Sperrung der Gassen durch die Frachtfahrt gab es ein sehr zweckmäßiges Polizeigesetz. Die schweren Kaufmannswaren mussten auf Schleifen nach den Plätzen geschafft werden, wo die Fuhrleute ihre Niederlage haben. Die Fahrt in engen Gassen durfte also nicht, wie noch jetzt oft geschieht, stundenlang gesperrt werden und ein Bürger zum Nachteil der Übrigen von einem Gemeingute Gebrauch machen.

Die an den Kanälen gelegenen Häuser der Altstadt haben daher fast ohne Ausnahme eine ungewöhnliche Tiefe, mit sehr geräumigen Hausfluren, einem offenen Viereck oder Hofe und einem Speicher am Wasser. Das Mittelhaus kann daher nicht freundlich und heiter sein. Aber es ist dem Kaufherrn angenehm und vorteilhaft, seine Waren unter eigenem Dache zu haben und unter eigenem Auge, um sich gegen die Fahrlässigkeit seiner Leute und gegen Veruntreuung möglichst zu sichern.

Manche Gassen der Altstadt sind jedoch nach der Schnur angelegt, weil es die Elbe zuließ, oder weil sie von derselben entfernt liegen, z. B. die Reichenstrasse, der Kehrwieder, Neuewall, die Steinstraße, Admiralitätsstraße u. a. m.

In Hamburg hört man selten von Gassen. Nur Ausländer pflegen sich dieses Namens zu bedienen. Man sagt Straße. Es möchte auch wohl nicht leicht sein, den Unterschied dieser beiden Benennungen zu bestimmen, deren Grundbegriff unstreitig Weg ist. Aber die Gassen oder Straßen haben in Hamburg gewisse eigentümliche Benennungen, deren einige, wenigstens für den Fremden, einer Erklärung bedürfen, besonders die Twieten, Gänge und Höfe.

Twieten sind kleine enge Gässchen, welche den größeren zu Verbindungen dienen und dem Fußgänger zur Abkürzung seines Weges helfen. Sie finden sich mit Ausnahme einer einzigen alle in der Altstadt. Fast in keiner können sich zwei Fuhrwerke ausweichen. Die meisten befinden sich in der Nähe der Kirchen, natürlich um den Gläubigen den Umweg zu ersparen, und hauptsächlich in den am engsten bebauten Teilen der Altstadt, wo den Einwohnern solche Durchschnitte fast unentbehrlich waren; sie sind noch jetzt für den Fußgänger eine große Bequemlichkeit, besonders wenn sie für ein Fuhrwerk zu enge sind. Wo aber dieses nicht der Fall ist, da werden sie von den Fracht- und Mühlenwagen oft mehrere Stunden lang gesperrt und erschweren den Fußgängern den Durchgang. Herr T. Hess in seiner Beschreibung von Hamburg will den Namen Twiete von dem lateinischen tuitio, ein Schirmdach, herleiten. Dann aber würde dieser Name, welcher doch rein niedersächsisch ist, allgemeiner in Deutschland sein, da es solcher engen Zugänge in der Nähe der Kirchen überall gibt. Ich wage es nicht, eine andere Etymologie dieser Benennung zu geben. Es scheint mir aber der Begriff des Engen, der Zusammenpressung darin zu liegen und das Tw die Wurzel zu sein.

Gänge sind, wie von Hess sie beschreibt, Schlupfgässchen, worin Leute von geringer Handtierung wohnen, vorzüglich im Michaeliskirchspiel. Ihrer sind sehr oft viele neben und aneinander gereiht, und sie dienen gleichfalls sehr zur Abkürzung der Wege. Der Name schreibt sich noch von den Zeiten vor dem Anbau der Neustadt her, wo die Anwohner der Stadt, den Unebenheiten des Bodens auszuweichen, sich, wie überall, eigene Gänge machten. Beim Anwuchs der Bevölkerung wurden diese allmählich mit Meinen Wohnungen für Handwerker bebauet und gewissermaßen Vorstädte, bis sie endlich mit Beibehaltung des Namens, der Stadt einverleibt wurden. Daher der Rademacher-, Bäcker-, Amidammacher gang u. a. m.

Merkwürdig und selbst interessant ist das große Labyrinth von solchen Gängen in der Neustadt, welches auf dem alten Steinwege anfängt und seine Ausgänge an mehr als fünf verschiedenen Stellen hat. Dieses Viereck enthält mehr Einwohner als manche deutsche Residenz. Viele Hamburger kennen diesen Teil ihres Wohnorts nicht, und wer nicht durch sein Gewerbe oder durch Amtsverpflichtungen, als Arzt, Armenpfleger, Geistlicher dahin geführt wird, der weiß nicht, dass hier gleichsam eine Stadt in der andern eingeschachtelt ist. Ein Fremder sollte es indessen nicht versäumen, mit einem kundigen Führer eine Wanderung durch dieses weitläufige Viereck zu tun. Es würde ihm dann begreiflicher werden, wie doch der mäßige Umfang von Hamburg eine so große Menschenmasse fassen kann. Wundern würde er sich, dass in diesen engen, finstern, zum Teil nie von der Sonne erwärmten und erleuchteten, mit vier und fünf Stockwerk hohen Wohnungen bebauten Gassen, nicht beständig ansteckende Krankheiten herrschen. Ein Schauder würde ihn ergreifen, bei dem Gedanken an eine Feuersbrunst, besonders in der Nacht, wo all' diese Wohnstellen mit ihren Bewohnern angefüllt sind. Aber er würde sich auch auf eine nicht unangenehme Art getäuscht finden. Er hatte vielleicht erwartet, hier nichts als Armut und Elend anzutreffen und von Bettlern umringt und verfolgt zu werden. Nichts weniger. Freilich ist der Armut und der Not genug in den Dachwohnungen und Nebengängen. Aber in den einigermaßen breiteren Gassen, welche gewöhnlich näher an den Ausgängen liegen, gibt es sehr stattliche Gebäude und bedeutende Zuckersiedereien und Branntweinbrennereien. Manche dieser Häuser haben sogar ganz hübsche Gärtchen. Eine so bedeutende Volksmasse hat ihre täglichen Bedürfnisse, welche aus der Nähe befriedigt werden müssen. Daher fehlt es hier nicht an Bäckern, Fleischern, Krämern und Kleinhändlern aller Art, welche ihren Ort vielleicht mit keinem andern in der Stadt vertauschen würden. Schmutz und Unreinlichkeit sind hier auch lange so groß nicht, als man gewöhnlich glaubt. Die Gassenreinigungspolizei vernachlässigt dieses Quartier keineswegs. Die wohlhabenden Einwohner fühlen selbst das Bedürfnis der Reinlichkeit. Wind und ein tüchtiger in Hamburg nicht seltener Regen tun denn auch das Ihrige.

Schon dieses mindert die Besorgnis vor Entwicklung epidemischer Stoffe. Dazu kommt aber noch, dass das Publikum dieses Viertels sich den größten Teil des Tages außerhalb Hauses befindet. Hier sind nicht, wie in den abgelegenen Gegenden Berlins und anderer großen Fabrikstädte, die Wohnungen solcher Menschen, welche durch ihr Gewerbe an ihr Zimmer und ihren Stuhl gebunden sind, keine Weber, Spinner und dergleichen. Fischhändler, Obsthöker, hausierende Kleinhändler aller Art, Lumpensammler, Krahnträger und Arbeitsleute verlassen mit und vor Anbruch des Tages ihre Häuser, gehen ihrer Nahrung nach, bringen die meiste Zeit im Freien zu, werden abgehärtet und sind für Ansteckung weniger empfänglich. Auch dürfen wir keineswegs die wohltätigen Folgen der Armenanstalt übersehen. Denn es ist nicht nötig tabellisierter Armer zu sein, um ärztliche Hilfe und freie Arznei zu bekommen, welche denn auch gerne gesucht und angenommen wird. Sollte auch der Missbrauch nicht ganz zu vermeiden sein, so ist es doch ein großer Gewinn für das Ganze, dass bedenkliche Umstände und Vorzeichen nicht lange versteckt bleiben können und dass bei unserer sehr zweckmäßigen Medizinalanstalt es gewiss nicht an kräftigen Maßregeln fehlen würde, dem Übel im Entstehen zu wehren, so weit menschliche Kräfte das vermögen. Im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts richtete die Pest grade in diesem Quartier die größten Verwüstungen an. Vielleicht wäre das Übel so groß nicht geworden, hätte man es beim ersten Entstehen wahrgenommen und der erste Kranke sogleich seine Zuflucht zu einem Armenarzte nehmen können.

In Absicht der Feuergefahr lassen sich freilich die Besorgnisse nicht so leicht und so gänzlich heben. Umstände und Zufälle, welche außer aller Berechnung liegen, können auch die vortrefflichsten Löschanstalten vergeblich machen. Es gibt eine Grenze, über welche diese nicht hinaus können. Selbst die Örtlichkeit setzt hier der Hilfe große Schwierigkeiten entgegen. Indessen die Feuersbrünste in dieser Gegend sind, wie die Erfahrung lehrt, doch sehr selten. Sehr begreiflich. Der größte Teil der Einwohner treibt kein feuergefährliches Handwerk; er ist den größten Teil des Tages von Hause abwesend, folglich ist kein Feuer im Hause; nicht sehr wohlhabend, hält er seine Feuerung zu Rat. Alles wohnt sich nahe, fast dicht auf einander gepackt, in sehr undichten Gebäuden. Der Bauch und brandige Geruch warnt und zieht den Nachbarn herbei und so mag wohl manches Feuer in seiner ersten Entstehung gedämpft sein, ohne alle fremde Hilfe. In sehr gefährlichen Fällen kann man jedoch durch die Gärten der Neustraße in dieses Viereck eindringen und der Verbreitung des furchtbaren Elements wehren, welches vor einigen Jahren der Fall war, als bei einem Schreiner ein Brand entstand. Dennoch sollte die Anlegung von Branntweinbrennereien nicht so unbedingt in diesem Quartier erlaubt sein. Wer kann für den Zufall stehen, oder für die Wachsamkeit seiner Arbeiter haften? Auch macht nicht das Gebäude selbst, sondern der Inhalt, große Vorräte von geistigen Getränken, die Gefahr so groß.

Höfe sind Meine Gässchen ohne Durchgang, eigentlich die mit kleinen Wohnungen bebauten Hofplätze der an der Gasse stehenden Häuser, daher sie auch mit diesen ein Ganzes, oder nach Hamburgischem Sprachgebrauche, ein Erbe, d. h. ein ganzes Grundstück ausmachen und nie abgesondert verkauft werden. Sie haben einen überbauten Eingang von der Gasse her und sind gewöhnlich stark, oft von zwanzig bis dreißig Familien bewohnt.

Der Hamburger wohnt nicht bloß in Häusern, sondern auch auf Sälen, in Kellern und Buden.

Säle sind eigentlich die oberen Stockwerke der Häuser mit einem besonderen Eingange von der Gasse, zwei, drei, selbst fünf Treppen hoch. Sie enthalten überwiegend ein Paar Stübchen, eine Feuerstelle und den nötigen Raum für Holz und Torf. Sie werden fast nur von geringen Leuten bewohnt und sind besonders in den Höfen und Gängen das Obdach der Armen und der Wohnsitz des mannigfaltigsten Elends. Indessen in manchen Gassen werden sie von solchen Leuten bewohnt, welche ihres Gewerbes wegen nicht überall wohnen können. Schiffer, Schiffbauer, Everführer und andere Bürger, welche der Elbe und dem Hafen nahe zu sein wünschen, bewohnen fast ausschließlich solche Säle an dem Kajen, auf dem Kehrwieder und den Vorsetzen, und müssen nicht selten sechzig bis hundert Thaler Mietzins geben. Oft sind sie sehr wohlhabend und der Fremde würde sich wundern, hier die größte Eleganz anzutreffen, und sich über die, dieser Einwohnerklasse eigene holländische Reinlichkeit und Nettigkeit freuen.

Keller sind hier, wie überall, die Untergeschosse der Häuser. Der Kaufmann bedient sich derselben als Gelass für solche Waren, welche von der Feuchtigkeit nicht leiden, z. B. Färbeholz. Korn dagegen, Kaffee, Zucker, Tabak, verlangen trockene Böden. Aber bei weiten die meisten dieser Keller, sowohl in der Alt- als Neustadt, werden von Menschen bewohnt. Es ist nicht zu leugnen, sehr viele derselben sind eine höchst ungesunde Wohnstätte für lebendige Wesen und in den abgelegenen Gegenden der Stadt die Schlupfwinkel der Armut und des eigentlichen Elends. Indessen sind die Ansichten über diesen Gegenstand oft sehr unrichtig und die Vorstellungen von der Ungesundheit und Schädlichkeit dieser Wohnungen, besonders bei den Auswärtigen, sehr übertrieben. Das Nachteilige für die Gesundheit liegt bei weitem nicht immer in den Kellern selbst, sondern ist eine Folge der, von der Armut fast nie zu trennenden Unreinlichkeit, Mutlosigkeit und des Mangels an Interesse an sich selbst. Die wirklich schlechten, Höhlen ähnlichen Keller werden daher auch nie von ordentlichen Leuten gemietet und gesucht. Diese aber bemühen sich, einen ihnen gelegenen und zu ihrem Geschäfte passenden Keller zu finden und würden ihn gegen ein bequemes Häuschen in einer andern Gegend der Stadt nicht vertauschen. Manche Gewerbe können hier nur in einem Keller getrieben werden. Ein Grünhöker z. B. kann nicht auf einem Saal wohnen. Auch sind die, hier sogenannten Kellerleute eben so wenig, als die welche in den Gängen wohnen, den ganzen Tag zu Hause, sondern leben als Arbeiter, Tagelöhner, Handwerker, in der freien Luft, während die Frau, wenn sie nicht etwa als Wäscherin oder Scheuerfrau aushäusig sein muss, bei beständig offenen Türen einen kleinen Verkauf treibt, welcher sie schon um ihrer Kunden willen zur Reinlichkeit nötigt. Daher trifft man in diesen unterirdischen Wohnungen sehr viel Rechtlichkeit und nicht selten Wohlhabenheit an. Es ist gar nichts Ungewöhnliches, dass der Eigentümer eines Hauses im Keller wohnt und dieses an einen Bewohner vornehmen Standes vermietet. Vielleicht hat er das Haus nur gekauft, um nicht aus seiner Wohnung vertrieben zu werden und seine Nahrung einzubüßen.

In den niedrigen Gegenden der Stadt sind die Keller, folglich auch die bewohnten, den Überschwemmungen im Herbst und Frühjahr ausgesetzt. Allerdings eine große Beschwerde! Da dieses Übel nicht plötzlich kommt, sondern von der bekannten Flut und Ebbe abhängt, so hat der Kaufmann Einrichtungen getroffen, dass er keinen Schaden davon leidet und selten nötig hat, auszuräumen. Manche Waren, wie schon bemerkt, können Nässe vertragen. Seine Quartiersleute (Markthelfer) sind bei der Hand, alles was treiben kann, zu stützen und möglichem Schaden zu wehren. Aber der Bewohner des Kellers muss dem nassen Elemente weichen; er und seine Habe. Betten, Tische, Schränke, kurz alles Hausgerät wird herausgeschafft. Was Nässe und Regen vertragen kann, wird auf die Gassen gestellt, wenn nicht auch diese überschwemmt sind. Der Bewohner des Hauses ist dann durch ein fast zum Gesetz gewordenes Herkommen verbunden, die ganze Fahrnis mit den Lebendigen bei sich aufzunehmen, bis das Wasser abgelaufen ist, welches aber bei anhaltendem Sturme aus Nordwest mit der nächsten Flut wiederkehren kann. Ist dann die Gefahr vorüber, so wird alles vom zurückgebliebenen Schlamme gereinigt und man zieht wieder ein, als ob nichts vorgefallen wäre. Aber wie vermögen die Menschen das? Warum fliehen sie nicht eine Stätte, welche ihnen nicht ruhig zu wohnen erlaubt? Die kürzeste Antwort ist freilich die: man ist das so gewohnt. Aber, (und dieses bemerken wir nur um der Ausländer willen, denn der Hamburger weiß das ohnehin) gerade diese Keller liegen in dem nahrhaftesten Teile der Stadt und bieten Gelegenheit zu den vorteilhaftesten Gewerben für den Kleinbürger. Hier ist der Sammelplatz und die Niederlage der Elbfahrer von der Oberelbe und den Elbinseln. Fast jeder dieser Keller hat daher auch seinen besonderen Namen seit undenklichen Zeiten von den Landsleuten, die vorzüglich oder nur bei ihm einkehren. Daher gibt es einen Danneberger, Boitzenburger, Neugammer, Winser Keller. Man weiß die ungefähre Zeit der Ankunft dieser Schiffer, deren einige eine regelmäßige Fahrt halten und findet sie ohne weitläufiges Suchen und Nachfragen. Die Kellerwirte treiben zum Teil selbst Handel und Vorkäuferei, übernehmen ganze Partien und halten Niederlagen z. B. von Mehl, trockenen Früchten, Garn, Leinewand u. s. w. Ihr vorzüglichstes Geschäft ist das Logieren. Wie? Logieren in einem Keller, welcher gewöhnlich nur ein und noch dazu selten geräumiges Zimmer enthält? Allerdings. Denn die Logierenden halten sich nie länger auf als nötig, nämlich bis zur nächsten Rückfahrt des Schiffes, liefern ihre Waren ab, besorgen ihre Einkäufe und Rückfracht, nehmen unterwegs mit, was zufällig zu sehen ist, Parade, Exekution, Seiltänzer, das Rathaus, eine offenstehende Kirche, oder was sich sonst anbietet und kehren in ihren Keller zu ihrem alten Freunde und Wirte gegen den Abend zurück, welcher bei einer Pfeife und Flasche Bier und allenfalls einem Spiel Karten zugebracht wird. Zuweilen lässt man sich auch auf einer Drehorgel etwas vordudeln und die neuesten Opernarien von den wandernden Kunst Jüngern vorsingen. Gut, aber die Nacht! Wer einen einigermaßen anschaulichen Begriff zu haben wünscht, wie die Menschenmasse auf einem Linienschiffe untergebracht wird und wie tausend Menschen in einem so engen Raume schlafen, darf nur einmal in einen Logierkeller am Dovenfleet und an der Herrlichkeit in Hamburg kommen. Nicht selten, vorzüglich in den beiden Jahrmärkten, herbergt ein solcher Keller in einer Nacht zehn bis zwanzig Gäste. An der Länge der Wand, von der Gasse bis nach dem Kanal, sind Bettgerüste mit Stockwerken angebracht, so dass, wer sein Lager in der Mitte nimmt, einen Schläfer über und einen andern unter sich hat. Zur Seite hat er wenigstens einen, im Notfalle schiebt sich noch ein Zweiter ein. Vier solcher Bettgerüste fassen also ganz wohl ein Personal von einigen zwanzig Schlafenden; dass nun ein Wirt, der sein Werk versteht und seine Gäste an sich zu halten weiß, bei fleißigem Zuspruche sich gut stehen müsse und es selbst bis zur Wohlhabenheit bringen könne, und daher die Beschwerde der Sturmfluten nicht in Anschlag bringe, ist, denk' ich, einleuchtend. Dem Eigentümer ist ein solches Grundstück daher auch sehr einträglich. Einzelne dieser Keller geben 400 — 500 Mark Miete.

Der Gesundheit können die Überschwemmungen bei gehöriger Vorsicht auch nicht eigentlich nachteilig sein. Dies ist nur bei solchen Untergeschossen der Fall, wo das Wasser entweder ausgeschöpft werden oder durch Siele (unterirdische Röhren) abziehen muss. Solche werden aber auch nicht leicht zu Wohnungen gewählt. In solchen Kellern aber, welche unmittelbar am Kanal liegen, an zwei Enden Luft haben und durch welche der Wind frisch durchziehen kann, verliert sich die Feuchtigkeit von selbst und das Übel hat sogar wohltätige Folgen. Alles muss von der Stelle geschafft werden, wird einmal geregt und gelüftet und muss doch wenigstens notdürftig gereinigt werden, ehe es wieder an Ort und Stelle gebracht wird, was denn freiwillig sobald nicht geschehen möchte. Freilich möchte man bei diesen hohen Fluten wohl mit dem Evangelium sprechen: Wehe den Schwangeren und Kranken zu solcher Zeit! Allein das sind doch nur seltene Ereignisse und dann fehlt es nicht an der Hilfe, welche Vorsicht und Menschenliebe leisten, zumal da man nie plötzlich von der Gefahr überfallen und selbst durch sehr zweckmäßige und löbliche Anstalten der Polizei gewarnt wird.

Folglich ist das Lamento in Reisebeschreibungen und noch vor einiger Zeit in den Korrespondenznachrichten, wenn ich nicht irre, der Zeitung für die elegante Welt, über das Elend und die Not der armen Kellerbewohner in Hamburg übertrieben. Man sollte sich an Ort und Stelle von sachkundigen Leuten unterrichten lassen und dann schreiben. Man vergleiche doch diese wohlgenährten, feisten, wohl etwas zu kecken Leute mit den Bergleuten, welche bei einem kärglichen Lohne in täglicher Todesgefahr schweben, oder mit den Hüttenarbeitern, welche zwar keine Sturm- und Springfluten, wohl aber die Hüttenkatze und den Dampf vom Blei und Arsenik zu fürchten haben *).

*) S. Dr. A. H. Niemeyers Bemerkungen auf einer Reise durch einen Teil von Westphalen und Holland. 3. Th. S. 12 u. 13

Buden nennt man die kleinen Häuser ohne Giebel, deren Obergeschosse zu Sälen eingerichtet sind; sie befinden sich gewöhnlich in den vorhin beschriebenen Höfen. Zuweilen sind sie geräumig und dabei nett eingerichtet und werden vielfältig von solchen Handwerkern bewohnt, welche auf ihre eigene Hand ohne Gesellen arbeiten, von Freimeistern oder sogenannten Bönhasen. In der Altstadt, besonders im Jacobikirchspiel, gibt es ganze Höfe, welche nur solche Buden enthalten. Aber eigentlich sind das Weine Häuser, von frommen Vorfahren zur Aufnahme bejahrter Witwen gestiftet, oder sogenannte Gotteswohnungen. Solche Höfe stehen gewöhnlich in keiner Verbindung mit Häusern an der Gasse und werden Abends regelmäßig verschlossen *).

*) Bude stammt her von dem celtischen Bod, ein Wohnplatz, mansio. Damit ist das veraltete Wort baiden, verweilen, sich sesshaft machen, verwandt. Bude heißt auch noch in Holstein und Friesland der Nachlass eines Verstorbenen, die sogenannte Sterbbude. Hierzu gehört auch Budel, die Erbmasse, welches aus Bude und Dael, ein Teil, zusammengesetzt ist. S. das bremische Wörterbuch und Adelung.


Von der Bauart und dem Geschmack im Bauen in Hamburg, lässt sich im Ganzen nicht viel Rühmliches sagen. Da wo ein jeder nach Gefallen und Willkür, nach wirklichen oder eingebildeten Bedürfnissen bauen darf, und ohne auf Unterstützung aus dem öffentlichen Beutel hoffen zu dürfen, bauen muss, folglich keinen andern als den höchst notwendigen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen ist, lässt sich kein guter und reiner Baugeschmack erwarten. Daher bietet die Stadt noch Proben der ältesten und älteren, so wie der neueren und neuesten Bauart dar. Jene verschwinden freilich jetzt allmählich und sind zum Teil schon verschwunden. Nur noch hin und wieder in der Stadt zerstreut trifft man jene hohen, schwerfälligen, backsteinernen, zum Teil sehr künstlich aufgerichteten Giebel mit hölzernen Luken, statt der Fenster, wogegen die modernisierten Unterteile des Hauses mit großrautigen Fenstern und krausverzierten Haustüren sonderbar abstechen. An den Klostergebäuden St. Marie Magdalene und St. Johannis und dem mit diesem verbundenen Johanneum erkennt man noch die Bauart des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, welche bei dem vormaligen Dom und dessen Umgebungen und Anhängseln noch mehr in die Augen sprang. Eines der am besten und unverändert erhaltenen Gebäude jener früheren Zeit war das englische Haus *) in der Gröninger Straße. Es gibt davon eine sehr gute Abbildung in Steindruck, welche vielleicht verdiente, in Müllers Denkmälern deutscher Baukunst aufgenommen zu werden. — Das Innere solcher Häuser konnte nach dem heutigen Maßstabe der Bequemlichkeit nicht einladend sein, und es ist dem heutigen Geschlecht unbegreiflich, wie damals die Notabeln des Orts, die Ratmänner und Bürgermeister und selbst Millionäre sich wohl darin befinden konnten. Aber man baute auf die Dauer und für das Gewerbe, entweder zum Warengelass oder für das Brauwesen. Die meisten, ja fast alle an den Kanälen liegenden Häuser der Altstadt, waren Brauhäuser. Die Brauerei war damals eins der vorzüglichsten Gewerbe Hamburgs.

*) Mit dem Hause selbst, welches vor einigen Jahren niedergerissen wurde, ist auch der Name verschwunden. Es war dem vormaligen englischen Court, oder den englischen Aventurier-Kaufleuten, einer sehr bevorrechteten Gesellschaft, von der Stadt eingeräumt. Der ganze Umfang desselben, von der Gröninger Straße bis zum Katharinenkirchhofe, enthielt die Wohnungen verschiedener Beamten jener Gesellschaft, die Kirche der Episkopalen und großen Warengelass. Das Haus musste den ganzen Tag, bis gegen Abend, offen gehalten werden und gewahrte den Fußgängern eine angenehme Abkürzung des Weges nach dem Zippelhause, der holländischen Reihe und andern Gassen der Gegend. Eine Folge des Eindringens der Franzosen in Norddeutschland und der Besetzung von Hamburg war die Aufhebung jener Sozietät und die einstweilige Vertreibung der Engländer von hier. So verfiel das Haus wiederum an die Stadt. Nachdem Hamburg sich selbst wiedergegeben war, wurde beschlossen, das ganze, große, wüste Gebäude mit seinen Anhängen, abzubrechen und den ganzen Raum teilweise auf Grundmiete zu verkaufen. So ist denn eine ganz neue Fahrstraße entstanden, die sogenannte neue Gröninger Straße. Man hätte ihr wohl den Namen des unternehmenden Bürgers beilegen mögen, welcher den ganzen Raum übernommen und mit sehr gefälligen, in einem sehr einfachen Geschmacke errichteten Häusern bebaut hat. Die alte Gröninger Straße erhielt ihren Namen von den Schiffern aus Groningen, welche hier mit ihren Schiffen anlegten, als die Fleetseite noch häuserleer war. Die Benennung der neuen Gasse scheint also sehr unpassend. Gemeinhin wird sie abgekürzt die grüne Straße genannt.

Es bedurfte viel Raum, so dass für zahlreiche und bequeme Prunkzimmer wenig übrig blieb. Daher denn unten und eine Meine Treppe hoch ein Paar niedrige und finstre Zimmer nach der Gasse hinaus zur täglichen Bewohnung, hier und da in allen Winkeln Kammern zu allerlei Gebrauch, die Küche gewöhnlich auf der Hausflur in einem Windfang, seltener und erst später im Untergeschoss des Mittelhauses, wo sich die sparsam, etwa drei- oder viermal gebrauchten Fest- und Ehrenzimmer befanden, die krummen Wendeltreppen zu den oberen Stockwerken im Winkel, folglich meistenteils dunkel, und große lange mit Geländern versehene Vorplätze zur Verbindung des Vor- und Mittelhauses. Mehr verlangte man nicht, weil man nicht mehr bedurfte.

Als am Ende des sechzehnten und im Anfange des siebenzehnten Jahrhunderts, so viele tausend niederländische Familien, um der Grausamkeit eines Alba und seiner Schergen zu entfliehen, ihr Vaterland verließen, wählten viele derselben Hamburg zu ihrem Wohnorte. Die meisten waren wohlhabend, und belohnten die gastfreundliche Aufnahme durch Einführung mancher, hier bisher unbekannter Industriezweige. Sie siedelten sich in einer bisher unbebauten Gegend der Stadt an, welche nach ihnen der holländische Brock und die holländische Reihe benannt wurde. Mit ihnen kam die holländische Art zu bauen auf, wodurch die bisherige gothische allmählich verdrängt wurde. Es entstanden stattlichere Gebäude. Neben den freilich allgemeineren spitzen und hohen Giebeldächern, sah man doch auch manche ansehnliche, mit Säulen und Laubwerk gezierte Fassaden. Das Innere war dem heutigen Maßstabe der Gemächlichkeit zwar nicht völlig angemessen, aber doch bei weitem bequemer, als in den vormaligen Brauhäusern. Der kaufmännische Vorteil blieb noch immer das Hauptaugenmerk. Daher noch weitläufige Hausfluren und geräumige Böden zur Niederlage für Waren, und insbesondere eine durch alle Stockwerke gehende Radwinde, so das die Prunkzimmer noch immer ins Mittelhaus verlegt werden mussten. Mit dem zunehmenden Wohlstande Hamburgs, besonders durch die Einwanderung der nach Aufhebung des Edikts von Nantes vertriebenen Franzosen, deren Nachkommen noch jetzt zu den geachtetsten Bürgern gehören, wurden in den verschiedensten Gegenden der Stadt, besonders der Altstadt, Gebäude errichtet, welche sich durch Regelmäßigkeit, zweckmäßige Einrichtung und Schönheit der äußeren Form auszeichnen und bei aller Veränderung des Geschmacks die Zierde eines jeden Orts sein würden. Dieses gilt, um nur einige zu bezeichnen, von den Häusern des Herrn Bürgermeisters Koch, der Fr. Witwe Paulsen, und dem Stadthause auf dem Neuenwall, von dem gräflich Schimmelmanschen Hause in der Mühlenstraße und so manchen soliden und geschmackvollen Gebäuden in den beiden Wandrahmen. Manche derselben stehen jedoch zu beengt, um vorteilhaft in das Auge zu fallen.

Da der An- und Fortbau der Neustadt in jene Zeit der Einwanderung der Niederländer und Franzosen fällt, so kann auch hier von gotischer Bauart nicht mehr die Rede sein. Hier waren die Bauherrn nicht, wie in der Altstadt, durch den Lauf der Kanäle beschränkt, nicht genötigt in die Höhe und Tiefe zu bauen, sie bedurften keines so ausgedehnten Raumes, teils weil sie wegen der Entfernung vom Wasser nicht Großhändler waren, teils weil sie keine Brauereien anlegen durften. Die Altstadt hatte sich dieses Privilegium vorbehalten. Man konnte daher das Verhältnis der Höhe, Breite und Tiefe zu einander besser beobachten. Aber man fing auch schon an, viel leichter und weniger dauerhaft zu bauen. Nur wenige Häuser aus jener Periode sind ganz von Brandmauern aufgeführt, sondern bestehen überwiegend aus Fachwerk mit Ziegeln ausgefüllt. Merkwürdig ist es, dass die Altvordern welche die Altstadt anbauten, des Lichtes, wie es scheint, so wenig achteten oder bedurften. Ihre Häuser waren meistens finster; sparsame Fenster mit kleinen Glasscheiben erschwerten das Eindringen der Sonnenstrahlen, denen es endlich gelungen war, sich über die gegenüberstehenden hohen Dächer zu schwingen. In der Neustadt dagegen glaubte man der Fenster nicht genug haben zu können. Diese nehmen gewöhnlich den größten Raum der Vorderseite ein, und geben nur so viel ab, als eben nötig ist für die Haustüre, das Fachwerk und die Ständer. Da ist keine Spiegelwand zwischen zwei Fensterfächern. In einem und demselben Ständer haften die Haspen der beiden benachbarten Fenster. Gegen Süden gelegen ist in solchen Wohnungen im Sommer die Hitze unerträglich, von welcher man, so es möglich wäre, gerne ein Teil für den Winter hegen möchte, um der, durch diese Lichtgeber überall eindringende Kälte, dem Winde und der Zugluft zu wehren. Einen anschaulichen Anblick von dieser Bauart gibt der neue Steinweg und besonders die Mühlenstraße an der Norderseite.

Seit dem letzten Menschenalter ist in Hamburg sehr viel gebaut worden. Es sind einzelne vorher nicht vorhandene Straßen entstanden. Im Anfange jener Periode baute man noch verständig, nach altbürgerlichen Grundsätzen, dauerhaft, bequem, dem Zweck angemessen und ohne Prunksucht. Davon zeugt die Admiralitätsstraße mit ihren anspruchslosen, mit wenigen Ausnahmen zierratlosen und doch gefälligen Gebäuden. Einige angesehene und wohlhabende, durch Reisen gebildete und an den Anblick des Schönen gewöhnte Bürger, ließen sich, entweder durch das Bedürfnis gezwungen, oder durch die, beim Bewusstsein pekuniärer Kraft, so leicht erwachende Baulust gereizt, von geschickten Baumeistern neue Wohnhäuser in einem edleren und gefälligeren Style aufführen, welche sich sowohl durch äußeres Ansehen, als durch Solidität, durch kunstreiche innere Einrichtung und Überwindung der Schwierigkeiten eines oft sehr eingeschränkten Raums empfehlen. Sie werden dem Namen ihrer Erbauer noch lange Ehre machen, wenn so manche ephemere Produkte der Nachahmung längst zusammengefallen, oder, dem Einsturz zuvorzukommen, abgebrochen sind *).

Jener Nachahmungssucht haben wir, glaube ich, neben andern Ursachen, die vielen Missgeburten der Baukunst oder eigentlich Bauunkunst der neuesten Zeit in Hamburg zu danken. Wenn ein gelungenes, im rechten Verhältnis zum Zweck und Raum ausgeführtes Haus dasteht, so glaubt dann ein jeder ehrliche Handwerksmann: ei, das könntest du auch wohl leisten. Ein Riss ist dann bald gemacht. Flache Dächer, wenige, aber hohe Fenster, ein Balkon, ein Paar Säulen, und das Ding ist fertig. Was wir selbst nicht wissen und nicht in uns haben, das finden wir wohl in den schönen Bilderbüchern von Stieglitz u. a. Der gute Bauherr, entzückt von dem Aufriss des Hauses, verlangt höchstens noch einige Zierraten und Schnörkel, der Baukontrakt wird unterzeichnet und der Bau hebt an. Ob dabei dann die Verhältnisse des Raums, der örtlichen Lage und des Zwecks beobachtet sind, das zeigt sich, wenn der Bau vollendet ist. An die Forderungen des Himmelsstrichs wird gewöhnlich gar nicht gedacht. Balkons, bis zum Fußboden herabgehende Fenster und andere Südlichkeiten passen zum dreiundfünfzigsten Grade nördlicher Breite nicht und stehen mit den schneebedeckten flachen Dächern und monatelang beeisten Gassen in gar starkem Widerspruch. Säulen, welche noch obendrein nichts zu tragen haben, schicken sich wohl für Paläste, nicht für Bürgerhäuser. Besondern Beifall scheint der weiße Kalkanwurf, womit die Vorderseite der Häuser überzogen wird, gefunden zu haben, und eilst allerdings ein sehr empfehlungswürdiges Mittel, das schlechte Gemäuer zu bedecken. Aber sehr selten pflegt er den Kampf gegen die Feuchtigkeit unsers Himmelsstrichs und gegen die Schlagregen des Herbstes lange zu bestehen und es ist nichts Seltenes, schon einige Monate nach geendigtem Bau, große Lappen dieser, gewöhnlich schlecht bereiteten, Tünche herabfallen zu sehen. Ganz unbedingt, wie es mir scheint, sollte dieser blendende Anwurf eigentlich nicht erlaubt sein. In engen Gassen ist er dem Gegenwohner, wegen der rückprallenden Sonnenstrahlen, oft eine große Plage und nötigt diesen, einen großen Teil des Tages seine Vorhänge herabzulassen, Gut und linienrecht ausgefugtes Gemäuer von Backsteinen oder ein Anstrich von nicht zu heller Ölfarbe, fallen eben so gut ins Auge und haben den großen Vorzug der Dauer.

*) Ich nenne von diesen Häusern nur die der verstorbenen Herrn Senatoren Günther und Sonntag, und des gleichfalls verstorbenen Archivarius Schütze, und von den Baumeistern, um durch Auslassung keinen der lebenden zu beleidigen, den der Kunst zu früh entrissenen Baurat Arens, dessen Handzeichnungen sich auf der Bibliothek, der Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe befinden.

In mancher Hinsicht wohnt es sich allerdings angenehmer in diesen neuen Gebäuden, als in den finstern und schwerfälligen Brauhäusern der Vorzeit. In einander gehende Zimmer, mit Ausgängen auf den Vorplatz, hohe Fenster, helle Treppen, sind eine große Annehmlichkeit, besonders wenn sie nicht durch die Entbehrung wesentlicher Dinge erkauft sind. In einem Bürgerhause will und soll doch vorzüglich die Hausfrau walten. Ihr Regiment erstreckt sich weiter als auf die Wohnzimmer. Betrachtet und untersucht man nun sehr viele dieser neuen Gebäude von dieser Seite, so weiß man nicht, ob man sich mehr über die Unwissenheit und Unerfahrenheit, oder über die Gedankenlosigkeit der Bauenden wundern soll. Um recht viele Zimmer zu haben, sind die Vorplätze so enge, dass die Schränke für Kleider und Wäsche gewöhnlich in die Zimmer des obersten Stockwerks gebracht werden müssen und die Hausfrau beständig genötigt ist, die Treppen auf- und abzulaufen oder ihre Schlüssel dem Gesinde anzuvertrauen. Höchst selten ist bei der Anlage der Küche und des Herds auf die neueren Erfindungen zur Ersparung der Feuerung, auf Sammlung und Zusammenhalten der Wärme und die Gesundheit des Gesindes Rücksicht genommen. Da wo ein langer Winter die Anschaffung von Vorräten auf fünf Monate und länger nötig macht, in einem Orte, wo auch der minder Wohlhabende, selbst um zu ersparen, sich auf längere Zeit mit Wein zu versehen Gelegenheit hat, sollte man einen geräumigen möglichst trockenen Keller nicht vergeblich suchen. Und doch ist es nicht selten der Fall, dass die Bewohner der Häuser von neuester Art und Kunst, ganz wie der geringe Mann, dem Höcker in die Hände fallen oder sich nach einem Gelasse außerhalb ihres Hauses umsehen müssen. Bei den flachen Dächern und den überall angebrachten Zimmern und Zimmerchen, reicht der Bodenraum für die nötige Feuerung auf den Winter, geschweige denn auf ein ganzes Jahr, selten hin, zum großen Vorteil der Vorkäufer und Torfschiffer, welche ihren besten Preis gegen Ende Winters von solchen Kunden zu machen pflegen. Alle jene äußeren Zierraten und der veredelte Baugeschmack, wovon man doch nichts gewahr wird, wenn man im Hause wohnt, entschädigen in der Tat nicht für den Mangel so notwendiger und unentbehrlicher Dinge, und man kann nicht umhin dem Urteil des geistreichen und wahrheitsliebenden von Hess beizustimmen: „Ohne Zweifel sind wir an künstlichen Fassaden und säulenreichen Portalen, auch an bequemer innerer Einteilung und geschmackvolleren Dekorationen reicher geworden; aber einen bessern, für Hamburg geeigneten Baugeschmack, der mit der eigentümlichen Anlage der Stadt, mit dem Erhaltungsprinzip derselben, dem Handel, und mit dem festen anspruchslosen Charakter des freien Bürgertums im Einverständnis stehe, den haben wir durch die neueste säulenreiche Prunk-Bauart nicht erhalten."

Über den Geschmack soll man bekanntlich nicht streiten, obgleich, wer am Wege bauet, sich das Meistern gefallen lassen muss. Über die Art und Weise, wie Einer das Innere seines Hauses einrichtet, hat der Dritte eigentlich nicht zu richten. Aber die, wie von Hess sie mit Recht nennt, gewissenlose Leichtigkeit, womit die meisten dieser neuen Gebäude aufgeführt sind, verdient doch wohl eine Bemerkung. Schon die Schnelligkeit, mit welcher sie gleichsam aus der Erde hervorwachsen, macht Dauerhaftigkeit und innere Festigkeit unmöglich. Eilfertigkeit und Dauer sind selten vereinbar bei solchen Dingen, deren Teile aus sehr verschiedenen Materialien zusammengesetzt werden müssen. Es ist gar nicht ungewöhnlich, dass ein Haus innerhalb sechs bis acht Monaten angefangen, fertig und bewohnt ist. Des Nachteils für die Gesundheit nicht zu gedenken, ist es ja nicht möglich, dass sich alles gehörig lagern und die dem Kalk beigemischte Feuchtigkeit verdunsten könne. Daher fangen die Reparaturen an, sobald der letzte Handwerker den Bau verlassen hat. Zu jener unverständigen Schnelligkeit kommen dann die elenden Materialien: Frisches und wahnkantiges Holz, schlecht gebrannte Ziegel, leichter, unverhältnismäßig mit Sand vermischter Kalk, können keine festen Häuser geben. Aber man will wohlfeil bauen und verdingt die Arbeit. Die Scherwände sind meistenteils nichts weiter als ein aufrechtstehender Ziegelstein, welches im Inneren des Hauses allenfalls hinreichen möchte. Aber mehrere, durch eine sogenannte Attika in einem Verband stehende Wohnungen sind fast immer nur durch eine solche winzige Mauer getrennt, so dass die Nachbarn ganz bequem, ohne sich zu sehen, mit einander sprechen können, wenns Not tut oder ihnen Vergnügen macht. Doch ist dieses letzte wohl nicht immer der Fall. Dem Kaufmann auf seinem Comtoir, dem Geschäftsmann in seinem Arbeitszimmer, sind die musikalischen Übungen der Kinder seines Anwohners und der unmelodische Ammengesang zur Beschwichtigung des schreienden Säuglings gewiss keine erfreuliche Unterhaltung. Zwei meiner Bekannten mussten sich über die Lehr- und Übungsstunden ihrer Kinder auf dem Klavier vergleichen, um sich nicht gegenseitig zu stören. Ein anderer meiner Freunde bezog ein neues Haus dieser Art. Als er, um ein ziemlich großes Gemälde aufzuhängen, einen starken Nagel in die Wand schlug, fiel dem Nachbar der Ziegelstein in die Stube. Ähnliche Anekdoten gibt es genug, welche man vielleicht für Erfindungen halten möchte; aber es ist buchstäblich wahr, dass ein eben fertiges, ganz neues Haus von sehr elegantem Äußeren, als es bezogen wurde, die doch nicht übermäßige Last des Feuerungsvorrates auf dem Boden nicht tragen konnte.

Man könnte das bloß lächerlich finden; aber die Sache hat doch auch ihre sehr ernsthafte Seite. Schon ein so überhandnehmender Leichtsinn, und diese in die Augen fallende Unrechtlichkeit, ist ein widerlicher Gedanke. Gerät nun einmal ein solches Gebäude in Brand, so greift die Flamme ohne Widerstand rechts und links um sich und im Nu muss die windige Masse in Trümmern und Asche liegen. Darüber könnte man sich trösten, denn die Habe ist versichert und der weiteren Verbreitung werden die Löschanstalten schon wehren. Aber die Menschen, vielleicht im ersten Schlafe, im oberen Stocke! Wohin dann, da die schnell einbrechenden Flammen die hart an den Wänden liegenden Treppen zuerst ergreifen? Wohin mit den Greisen, Kranken, Wöchnerinnen und Kindern? Hier dann noch manche schwer zu lösende Aufgabe für unsere Retter *). Doch ein Trost und eine Hilfe liegt vielleicht in dem Übel selbst. Ein tüchtiger Knabe kann, dem Feuer abwärts, die nächste Mauertafel eintreten und den Gefährdeten vielleicht einen Weg zur Flucht öffnen.

Dass es Ausnahmen von dieser nicht löblichen Regel gebe, bedarf keiner Versicherung. Der verständige Grundeigentümer, welcher für sich, zum eigenen Gebrauch und auch noch wohl für seine Nachkommen baut, muss schon um seines eigenen Vorteils willen dergleichen luftiges Flickwerk verschmähen und Dauerhaftigkeit mit gefälliger Form zu verbinden suchen, und edle Einfachheit jenen abgeschmackten Schnörkeln und Firlefanzen vorziehen. So ist das Wortmannische Haus am Gänsemarkt ein Muster einfach-edler Bauart und geschmackvoller innerer Einrichtung.

*) Von diesem, so viel ich weiß, bis jetzt nur noch in Hamburg errichteten höchst zweckmäßigen Corps unten ein Mehreres.

Das Landleben der Hamburger und unsere Wanderungen in dem Gebiet und den Umgebungen der Stadt, werden uns noch einmal auf die Architektur zurückführen. Jetzt richten wir unser Augenmerk auf die öffentlichen Gebäude.

Hamburg 001 Blick auf die Binnen- und Außen-Alster

Hamburg 001 Blick auf die Binnen- und Außen-Alster

Hamburg 002 Südwestlicher Stadtteil mit dem Blick auf die Unterelbe

Hamburg 002 Südwestlicher Stadtteil mit dem Blick auf die Unterelbe

Hamburg 003 Rathaus und Alsterarkaden

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Hamburg 004 Kontorhäuser in der Mönckebergstraße

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Hamburg 005 Nikolai-Flet mit Gemüseevern

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Hamburg 006 Flet in der Altstadt

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Hamburg 007 Johannisbollwerk am Niederhafen mit Hochbahn

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Hamburg 008 Elbhöhe mit Bismarck-Denkmal

Hamburg 008 Elbhöhe mit Bismarck-Denkmal

Hamburg 010 Elbe im Hafen

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Hamburg 011 Segelschiffhafen

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Hamburg 012 Werft von Blom & Voß. Im Hintergrund Kohlenschiffhafen und Köhlbrandmündung

Hamburg 012 Werft von Blom & Voß. Im Hintergrund Kohlenschiffhafen und Köhlbrandmündung

Hamburg 013 St. Pauli-Landungsbrücken

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Hamburg 014 Freihafen-Lagerhäuser

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Hamburg 015 Innenansicht eines Kaischuppens

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Hamburg 016 Australiakai am Indiahafen mit Doppelkränen

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Hamburg 017 Kohlenkipper am Kirchenpauer-Kai

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Hamburg 018 Getreideheber im Kuhwärderhafen

Hamburg 018 Getreideheber im Kuhwärderhafen

Hamburg 020 Eisenbahn-Elbbrücke

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Hamburg 021 Börse

Hamburg 021 Börse

Hamburg 022 Universitätsgebäude

Hamburg 022 Universitätsgebäude

Hamburg 023 Museum für Völkerkunde

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Hamburg 024 Gelehrtenschule des Johanneums

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