Alte akademische Zeit - ein reiches Bild akademischen Lebens und Treibens früherer Jahrhunderte

Aus: Unterhaltungen am häuslichen Herd. Neue Folge. Band 4
Autor: Redaktion: Rezension, Erscheinungsjahr: 1859

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Universitäten, Geschichte, Sittenbild, Professoren, Studenten, Studierende, Anekdoten
Unter den mancherlei Jubelschriften, welche das dreihundertjährige Jubiläum der Universität Jena hervorgerufen hat, befindet sich eine, die in kleinem Räume ein reiches Bild akademischen Lebens und Treibens früherer Jahrhunderte enthält: „Die hohe Schule, Ein Traum. Von H. F. Maßmann“ (Berlin, Schneider, 1858).

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In Form eines Traums lässt der bekannte Verfasser, der so viele Jahre hindurch die Zielscheibe der schlechtesten Witze war, die Heinrich Heine nur gemacht hat, die Sitten und Bräuche deutscher Hochschulen, denen es an charakteristischer Eigentümlichkeit nicht fehlt, an unserm Blick vorübergehen und man fühlt sich mitunter sehr ergötzt. Es ist ein stereoskopisches Bild vieler Jahrhunderte, heiter, doch mit tief-ernstem Hintergründe.

Ist nun auch vieles, was der Verfasser, von Sitten sowohl der Dozenten als Studenten, an uns vorüberführt, gegenwärtig von den Hochschulen Deutschlands schon verschwunden und zu Grabe getragen, so ließe sich vielleicht doch aus der Gegenwart noch eine eigene ähnliche Sammlung von Kuriositäten veranstalten, wenngleich die Universitäten der Gegenwart andere Wunderlichkeiten aufzuweisen hätten als die vor 300 Jahren. So ist uns z. B. ein Hegelianischer Professor bekannt, der von den Studenten als der „Hanswurst der Universität“ bezeichnet wird. Und vielleicht haben auch noch andere Universitäten der Gegenwart solche Hanswurste, deren Vorlesungen des „Jocus“ wegen besucht werden.

Wir teilen im Folgenden einiges aus Maßmanns „Traum“ mit.

Als der Dr. Georg Fiscellus vom Kaiser Sigismund ein adelig Wappen erhalten und sich auf der Synode zu Basel kraft Rechtens auf die Ritterbank gesetzt hatte, sagte der Kaiser zu ihm traulich: „Ihr tut unweislich, dass Ihr die Ritterschaft der Gelahrtheit vorziehet. Wisset Ihr nicht, dass ich an Einem Tage Tausende adeln und zu Rittern machen kann, aber so mächtig noch nicht bin, dass ich in tausend Jahren einen Gelehrten machen könnte?“. . . Man denkt unwillkürlich dabei an einige neuere Gelehrte, die sich lange adelige Titel erwarben: Sartorius von Waltershausen, Zacharias von Lingenthal u. s. w.

Anders dachte der Großfürst, der (nach Adam Olearius’ „Persianischer Reisebeschreibung“) einen Hochdeutschen zum Doktor medicenae machen wollte, und als dieser ihn um die Erlaubnis gebeten hatte, auf eine deutsche Universität ziehen zu dürfen, um den Gradum Doctoris zu nehmen, fragte ihn der Großfürst, was das wäre, Doktor werden, wodurch es geschehe. Und als er vernommen, dass er sich an seiner Kunst müsse examinieren lassen, und würde er tüchtig befunden, so erklärte man ihn zum Doktor und gebe man ihm dessen ein Zeugnis unter der medizinischen Fakultät Hand- und Insiegel; sagte darauf der Großfürst: „Den Weg und die Unkosten kannst du sparen; ich habe deine Kunst erfahren (denn er hatte ihm kurz zuvor von den podagrischen Schmerzen Linderung geschafft), ich will dich zum Doktor machen und einen so großen Brief geben, als du draußen nicht bekommen kannst.“

Die Professorenhonorare betreffend, lesen wir in Maßmanns „Traum“ manche Anekdote. Die Theologie kam in dieser Beziehung früher am kärglichsten davon; wenigstens pflegte der alte, würdige Professor Knapp in Halle, der nach Burkhard stets im Schlafrocke las, zu sagen: „Dingen Sie doch nicht so gewaltig, meine Herren (um Honorar nämlich), die Theologie ist ohnedies wohlfeil genug!“ während der selige Niemeyer (Vater) mit unerschütterlicher Kanzlerwürde stets gesagt haben soll: „Nun, die Hälfte werden Sie doch geben können?“

Als Beispiel eines von seinen Schülern schändlich getäuschten Lehrers wird uns der ehrwürdige Professor Behringer von Würzburg vorgeführt, welcher 1726 einen teuren Folianten mit lauter vorsündflutlichen Versteinerungen, von Spinnweben, sechsflügeligen Schmetterlingen, sich begattenden Urfröschen u. s. w. herausgab, um nachträglich zu erfahren, dass die Studenten ihn getäuscht, indem sie (wie es heißt auf Anstiften des Pater Rodrik) alle jene vermeinten Versteinerungen in Kalkstein geritzt, gekritzelt, vergraben und dann, vereint mit ihrem grob getäuschten Lehrer, wiedergefunden und entdeckt hatten. Der ehrliche, viel darum leidende Mann gab nun aber das unglückliche Werk mit einem aufdeckenden Anhange zur Steuer der Wahrheit dennoch heraus.

Nächst manchen Pedanten, die sich unsägliche Mühe mit gelehrten Klaubereien gaben und unendliche Zeit damit verbrachten, ohne je fertig zu werden — so z. B. Aegidius Guthmann, der über die ersten fünf Verse des ersten Buchs Mosis eine Einleitung von 24 Büchern, auf jedes Wort ein besonderes Buch, gründete und darüber las, und andere derartige Mühselige —, führt uns der Verfasser noch manche andere Gruppen von Dozierenden vor, Professor Walch von Göttingen ward allemal in den Ferien unpässlich, weil er nun nicht lesen konnte. Andere wieder wurden krank, wann sie lesen sollten, Friedrich August Wolf pflegte in Berlin öfter an seinen Hörsaal zu schlagen : „Ich werde auf acht Tage krank sein.“ Petrus Pontanus pflegte an sein Auditorium, wenn er gebechert hatte, nur ein neunfaches P. zu schreiben, des den Studenten bereits bekannten Inhalts: „Petrus Pontanus Poeseos Professor Publicus Propter Pocula Prohibetur Praelegere.“

Wer dergleichen Anekdoten aus dem akademischen Leben alter Zeit noch mehrere begehrt, dem können wir Maßmanns „Traum“ zur Unterhaltung bestens empfehlen.

Rostock, Universität

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