Alte Vulkane in erneuter Tätigkeit. Mit zehn Abbildungen

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: Markus Stabius, Erscheinungsjahr: 1922

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Enthaltene Themen: Vulkane, Ausbruch, Vesuv, Pompeji, Stabiä, Pompeji, Herkulaneum, Taurania, Oplontis, Teglana , Somma, Ottajano, San Giuseppe , Asche, Lava, Naturkatastrophen, Naturereignisse, Erdbeben, Ascheregen, Lavaströme,
Der Vesuv, der sich am Golf von Neapel um zwölfhundertdreiundzwanzig Meter über das Meer erhebt, ist wohl unter allen Vulkanen der Erde der bekannteste. An der kampanischen Küste zeugen Kraterseen, Schwefelquellen und eine ganze Reihe typischer Erscheinungen davon, dass man sich in vulkanischem Gebiet befindet. Die Völker der Alten Welt erkannten diese Zusammenhänge, die sie sich auf ihre Art zu erklären suchten. Sie glaubten, der Vesuv sei erloschen, und siedelten sich unbesorgt um Habe und Leben dort an. Der Berg war damals bis oben hin mit Buschwerk und Bäumen bestanden, der Ringwall umschloss eine Ebene, in der Schafe friedlich weideten, weiter hinab gedieh die Rebe üppig, und im Herbst kelterte man den überall gern getrunkenen Vesuvio. Größere Städte und kleinere Gemeinwesen blühten rasch empor, und die Römer suchten in der schönen Jahreszeit Herkulaneum, Pompeji, Stabiä und andere Orte gerne auf. Reiche Leute aus der „Ewigen Stadt“ besaßen dort Sommersitze. Am 5. Februar des Jahres 63 nach Christus kündigte sich das Wiedererwachen der unterirdischen Gewalten durch ein Erdbeben an, das die ganze kampanische Küste erschütterte. Besonders in Pompeji, das von etwa dreißigtausend Menschen bevölkert war, erlitten Tempel, Säulenhallen, Theater und Wohnhäuser schwere Schäden; in Herkulaneum mussten die Stadtmauern, das Gerichtsgebäude und die Basilika wiederhergestellt werden. Noch war die Zerstörung nicht überall beseitigt, als der zweite, weit schrecklichere Tag anbrach. Am 24. August des Jahres 79 erfolgte der gewaltige Ausbruch des Vesuvs. Zuerst fiel ein dichter Aschenregen, der alles mehr als fußhoch bedeckte, dann fielen glühende Bimssteinbrocken herab, die sich in Schichten von zwei bis dreieinhalb Meter anhäuften, giftige Gase strömten aus, Holzteile der Häuser und Bäume verbrannten. Menschen und Tiere kamen um, und Stabiä, Pompeji, Herkulaneum, Taurania, Oplontis, Teglana und andere Gemeinwesen versanken in Schutt, Asche und Schlamm.

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Plinius der Jüngere berichtet über seine am Tage im Wagen unternommene Flucht aus dieser Katastrophe: „... Wir wichen von der Straße auf die Felder aus, um nicht im Gewühle erdrückt zu werden. Aber kaum hatten wir das getan, so umgab uns eine Finsternis, die nicht mit einer mondlosen Nacht im Freien, sondern der in einem verdunkelten Zimmer ohne Licht verglichen werden kann. Nichts hörte man als das Geschrei von Kindern, das Jammern der Weiber und das Rufen von Männern. Die meisten glaubten, das Ende der Welt sei gekommen. Lange Zeit darauf erschien ein glimmendes Licht, das aber nur der Vorbote eines neuen Flammenausbruches war. Nicht lange darauf bedeckte uns ein schwerer Schauer von Aschenregen, den wir von Zeit zu Zeit abschütteln mussten, um nicht von ihm erdrückt und begraben zu werden. Endlich erschien die Sonne wieder, aber ihr Licht war blass wie bei einer Sonnenfinsternis. Alles umher war mit Asche wie mit tiefem Schnee bedeckt.“

Regengüsse, die gewöhnlich großen Eruptionen folgen, schwemmten die Asche als breiige Masse abwärts. In späteren Zeiten, am stärksten 1631, wurden einzelne dieser Stätten auch noch von Lavaströmen überdeckt. Zufällig stieß man in Herkulaneum im Jahre 1709 bei der Grabung eines Brunnens in einer Tiefe von nahezu dreißig Meter auf die Szene des verschütteten Theaters. Allmählich war über der Zerstörung eine Humusschicht entstanden; Acker, Wiesen und Obstbäume bedeckten die Stätten einstigen bunten Lebens.

Wenn in Pompeji auch schon zur antiken Zeit Ausgrabungen und Plünderungen versucht worden sind, so blieb es doch bis 1748 gänzlich verschollen. Damals begann das geschichtliche Interesse an der begrabenen Stadt, doch erst seit 1808 erfolgte die planmäßige Aufdeckung. Wertvolle Funde wanderten in Museen und gelangten auch in Privatbesitz. Staunen erfüllte die Welt über die Zeugen einer Kultur, über die spätere Zeiten hinweg gegangen waren. Goethe schrieb in seiner Italienischen Reise: „Viel Unheil ist in der Welt geschehen, aber wenig, dass den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte.“ Seitdem sind große Teile wieder bloßgelegt worden. Man hat neue Grabungsmethoden angewendet, die es ermöglichen, ganze Häuser, mit allem, was darinnen war, als die Katastrophe kam, zu erhalten. In einem der Häuser ist alles so wohl imstande, dass man glauben könnte, die Bewohner seien nur für kurze Zeit abwesend. In einer Walkerei liegt noch das Essen da, das die Leute stehen liehen, als sie bei dem Vulkanausbruch vor fast zweitausend Jahren sich zu retten suchten.

Und nun bangt man in Italien abermals vor dem Hereinbrechen gewaltiger Naturereignisse. Mitte März 1922 teilte Professor Maladra, der Direktor des Vesuvlaboratoriums, den Behörden mit, dass dreizehn der am Vesuv gelegenen Ortschaften im Umkreis von sechzehn Kilometer geräumt werden müssten. Der Krater war anhaltend mit dicken, schwarzen Rauchwolken umgeben. Bestürzt verließen ängstliche Fremde Neapel, nachdem zwei leichte Erderschütterungen zu spüren waren, denen das Ausstoßen eines Rauchkegels von über siebzig Meter Höhe folgte. Asche, glühende Lavaströme und Steine ergossen sich über ein Gelände von mehr als dreißigtausend Quadratmeter im Kraterumkreis. Unter solchen Umständen erinnert man sich der Vesuvkatastrophen des vorigen Jahrhunderts. Seit 1871 war man durch kleinere Eruptionen auf weitere Gefahren vorbereitet, da kam es in der Nacht vom 25. auf den 26. April 1872 zu einem großen Ausbruch, wobei einige Personen, die sich zu nahe an den Kraterrand vorgewagt hatten, in den Lavafluten das Leben verloren. Bis zum Jahre 1903 bot der Vesuv den sonst gewohnten Anblick, dann folgten abermals kleinere Ausbrüche, wobei dunkle Rauchmassen verschiedentlich über hundert Meter hoch aufstiegen. Zwei Jahre danach war der aus Asche gebildete Kegel an verschiedenen Stellen hundert bis Zweihundert Meter unter dem Kraterrand von der flüssigen Lava durchbrochen, die sich nun feurig über die Abhänge ergoss. Doch ging auch diese Zeit ohne allzu schwere Schäden vorüber, und es währte bis zur Nacht des 7. und 8. April 1906, als die große Endkatastrophe hereinbrach. Damals befand sich Dr. M. Wilhelm Meyer, der als Leiter der Berliner „Urania“ weitbekannte Gelehrte, in Italien; er bestieg mit anderen Personen, die das Naturschauspiel beobachten wollten, in Capri einen Dampfer, der ihn zur Nachtzeit vor den Vesuv bringen sollte. Nach seiner überaus anschaulich gehaltenen Darstellung war er am Palmsonntag gegen neun Uhr des Abends von Capri abgefahren, dem wütenden Riesen entgegen. „Durch die gewaltige, mehrere Kilometer hohe Rauchwolke, deren schwarze Ballen in beständiger Bewegung waren, wurden glühende Bomben (Steinbrocken) bis zu achthundert Meter emporgeschleudert. Zurückstürzend, sah man sie den Aschenkegel hinabkollern, der in seinem oberen Teile ganz von ihnen bedeckt war, so dass er völlig rotglühend zu sein schien. Blitze durchzuckten beständig die wirbelnden Rauchmassen, sie blau und fahlgelb beleuchtend, während die Glutausbrüche sie tiefrot färbten.. . . Auf seiner rechten Flanke schien der rasende Berg sich gespalten zu haben; ein breiter Lavastrom, der sich weiter unten in mehrere Arme teilte, hatte sich gegen Bosco Trecase und Pompeji hin ergossen. . . . Da öffnete sich der entsetzliche Berg in der beträchtlichen Tiefe von mindestens sechshundert Meter unter dem Kraterrande, und fast weißglühend schoss ein ungeheurer Strom flüssigen Gesteins daraus hervor. Die neue „Bocca“ warf viele Meter große Steine und Lavafetzen nach allen Seiten mit fürchterlicher Gewalt sprühend empor, und der Lavastrom stürzte so schnell wie ein feuriger Wasserfall den Abhang hinab. Glühende Blöcke überschlugen sich, in mächtigen Sätzen hinabkollernd; es war ein Anblick voll imposanter Schönheit und voll Grausens. Weiter unten verlangsamte sich der Feuerstrom. Dann sah man, wie es von Zeit zu Zeit vor der dunkelglühenden Spitze der Lava hell aufflackerte: der Strom hatte ein Haus oder einen Weingarten erfasst und verschlungen. Wir sahen, wie er über Bosco Trecase hinwegflutete, und vor unserer Seele standen der Jammer und die Verzweiflung der Menschen, die in wilder Flucht vor dem Feuerelemente all ihr armseliges Hab und Gut der Vernichtung preisgeben mussten, ja, vielleicht in diesem Augenblick mit einem furchtbaren Tode rangen.. . . Am anderen Tage konnten wir feststellen, dass der Lavastrom oben nahezu vier Kilometer breit war, während er sich weiter unten in vier kleinere Zungen teilte. ... In der Nacht zwischen ein und zwei Uhr sah man von Capri aus eine Explosion, wobei die glühenden Massen des Vulkans augenfällig viel höher hinaufgeschleudert wurden als alle vorangehenden. Nach dieser aber trat eine relative Ruhe ein. Nur die Rauchwolke wirbelte zu ungeheuren Höhen empor. Am folgenden Morgen (Sonntag) maß ich ihre Höhe zu dreizehn Kilometer.“

Die Ortschaften Somma, Ottajano und San Giuseppe wurden in jener Nacht von halb zehn Uhr ab mit heißer Asche und später mit glühenden Steinen überschüttet, die unter beständigem Donnern und Blitzen niederprasselten mit Fetzen von Lava untermischt; am dichtesten fiel der glühende Hagel gegen zwei Uhr hinab. In Ottajano, das fünfzehntausend Einwohner zählte, wurden die meisten massiv gewölbten und mit flachem Dach gedeckten Häuser von der schwer lastenden Asche eingedrückt. In San Giuseppe stürzte das Dach der Kirche über mehr als hundert Menschen zusammen, die darunter begraben wurden. Asche und Lava lagen durchschnittlich fünfundsiebzig Zentimeter hoch. Im weiten Umkreis war alles Kulturland auf Jahre hinaus verwüstet. Ottajano war vom Schicksal Pompejis erfasst worden. Ob die jetzigen Vorboten der am Vesuv und seit Mitte Februar auch am Ätna beobachteten Erscheinungen Zeichen einer wiederholten Katastrophe sind, kann sich in der nächsten Zeit erweisen. Der Vesuvausbruch von 1906 verursachte auch in Neapel großen Schaden, denn die Aschenschicht bedeckte handhoch die ganze Stadt.

In Zentralamerika liegen eine Reihe der gewaltigsten Vulkane, die teilweise immer noch in voller Tätigkeit sind. Wenige Tage nach der Katastrophe des berüchtigten Mont Pelé auf Martinique erfolgte am 13. Mai 1902 von dem 3886 Meter hohen Colima eine gewaltige Eruption, der am 24. Oktober der Ausbruch des Vulkans de Santa Maria folgte. Nun regte sich seit August 1920 aus vielhundertjähriger Ruhe der berühmte Popocatepetl, ein 5420 Meter hoher Vulkan, dessen eliptisch geformter Krater sich über fünf Kilometer erstreckt. Die Kraterwände fallen fast senkrecht dreihundert Meter tief zum Boden ab, den ein See mit milchig-grünem Wasser füllt. Ein gewaltiger Lava- und Aschenausbruch, der am 21. Oktober 1920 gemeldet wurde, veranlasste die umwohnende Bevölkerung zu panischer Flucht. Die Asche wurde weithin in die Gegend getragen. Zusammen mit dem Erdbeben bei Veracruz am 15. und in Santa Lucia vom 18. Oktober 1920 und dem Ausbruch des japanischen Meripi hatte W. Krebs die begründete Warnung vor solchen Katastrophen in Mittelamerika ausgesprochen. Hoffentlich ereignet sich weiterhin kein Unheil wie bei der furchtbaren Gasexplosion des Mont Pelé auf der Insel Martinique, der durch den ungeheuren Luftdruck am 8. Mai 1902 in wenigen Sekunden die ganze Stadt Saint-Pierre mit 28.000 Menschen zum Opfer fiel. Nur ein Gefangener, der in einem Kellergewölbe eingesperrt war, blieb am Leben.

Dank wissenschaftlicher Forschung kennt man auf der ganzen Erde die vulkanischen und Erdbebengebiete, aber das Beharrungsvermögen der Menschen und die Liebe zum Boden, auf dem sie sich angesiedelt haben, treibt sie doch auch nach dem größten Unglück wieder an, dort ihre Hütten und Häuser zu errichten, wo ihnen oder ihren Nachkommen Unheil droht.

Ein im Jahre 1906 entstandener neuer Seitenkrater des jetzt wieder tätigen Vesuvs.
Lavaablagerungen eines Vulkans. Aufnahme aus dem Gebiet des Kilauea.
Der Popocatepetl, 5420 Meter hoch, mit einem Krater von fünf Kilometer Umfang.
Ausbruch des Vesuvs am 7. April 1906. Nach der Natur dargestellt von Gustav Bauer.
Der 3886 Meter hohe, schneebedeckte „Volcan de Colima“ in Mexiko.
Ruinen der vorn Ausbruch des Mont Pelé zerstörten Stadt Saint-Pierre.
Ausbruch des Mont Pelé auf der Insel Martinique am 8. Mai 1902.
Der Krater des Asosanvulkans.

Vulkane, Ausbruch des Mont Pelé auf der Insel Martinique am 8. Mai 1902

Vulkane, Ausbruch des Mont Pelé auf der Insel Martinique am 8. Mai 1902

Vulkane, Ausbruch des Vesuvs am 7. April 1906

Vulkane, Ausbruch des Vesuvs am 7. April 1906

Vulkane, Der 3886 Meter hohe, schneebedeckte Volcan de Colima in Mexiko

Vulkane, Der 3886 Meter hohe, schneebedeckte Volcan de Colima in Mexiko

Vulkane, Der Krater des Asosanvulkans

Vulkane, Der Krater des Asosanvulkans

Vulkane, Der Popocatetepetl, 5420 Meter hoch, mit einem Krater von fünf Kilometer Umfang

Vulkane, Der Popocatetepetl, 5420 Meter hoch, mit einem Krater von fünf Kilometer Umfang

Vulkane, Der Untergang Pompejis

Vulkane, Der Untergang Pompejis

Vulkane, Die Bucht von Neapel mit dem Vesuv

Vulkane, Die Bucht von Neapel mit dem Vesuv

Vulkane, Ein im Jahre 1906 entstandener neuer Seitenkrater des jetzt wieder tätigen Vesuvs

Vulkane, Ein im Jahre 1906 entstandener neuer Seitenkrater des jetzt wieder tätigen Vesuvs

Vulkane, Lavaablagerung eines Vulkans, Aufnahme aus dem Gebiet des Kilauea

Vulkane, Lavaablagerung eines Vulkans, Aufnahme aus dem Gebiet des Kilauea

Vulkane, Ruinen der vom Ausbruch des Mont Pelé zerstörten Stadt Saint-Pierre

Vulkane, Ruinen der vom Ausbruch des Mont Pelé zerstörten Stadt Saint-Pierre