Afrikanische Reisen

Ein Besuch in San Salvador der Hauptstadt des Königreichs Congo
Autor: Dr. A. Bastian (1826-1905), Erscheinungsjahr: 1859

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Afrikanische Reisen, San Salvador, Guinea
Ein Beitrag zur Mythologie und Psychologie.

Vorwort

Ambassee die Hauptstadt des Königreichs Congo, von den Portugiesen San Salvador genannt, spielte eine grosse Rolle in der frühesten Zeit der afrikanischen Entdeckungen. Dort wurden schon im fünfzehnten Jahrhundert die ersten Kirchen südlich vom Äquator gebaut, und der Herrscher von Congo verwirklichte gewissermassen an der Westküste die Idee des im Osten vergeblich gesuchten Priester John. Die Missionare ermüden nie, seine Macht und Grösse mit den überschwänglichsten Farben auszumalen, sie wagen kaum seinem Reiche eine Grenze zu stecken oder die Scharen seiner Krieger zu zählen, aber dieses glänzende Phänomen verschwand ebenso rasch, als es unerwartet in der Geschichte aufgetreten war.

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    Inhaltsübersicht
Schon seit dem Ende des sechszehnten Jahrhunderts werden die Nachrichten spärlicher. Die grossen Umwälzungen, welche die verheerenden Züge der Jagas im Innern des Kontinentes versucht hatten, zerrütteten die Feudalverfassung des congesischen Wahlreiches, Kronprätendenten erhoben sich in den verschiedenen Provinzen, und San Salvador, die Beute, um welche sie stritten, wurde vielfach zerstört und mehrere Jahre selbst ganz wüste gelassen. Den Missionaren waren während dieser Kriege die Wege ins Innere verschlossen, sie wandten ihre Tätigkeit mehr den Küstenländern zu und beschränkten sie nach Ausdehnung der portugiesischen Eroberungen fast nur auf die Provinz Angola. So verlor sich mehr und mehr die Kunde von dem einst berühmten San Salvador. Es figurierte noch hier und da in geographischen Werken, aber sein Name wurde nur mit Scheu erwähnt, und gleichsam zweifelnd ob die stolzen Erinnerungen, die sich an denselben knüpften, nicht vielleicht ganz in das Bereich der Sage zu verweisen seien. Kein Reisender von den Wenigen, die diesen Teil Afrikas für das Feld ihrer Forschung wählten, hat es in den letzten Jahrhunderten besucht. Nur Lopez, dessen Reise Pigafetta (1591) veröffentlichte, spricht als Augenzeuge, die späteren Erzähler (bei Cavazzi u. a. O.) berichten meist nur nach Hörensagen. Dapper scheint indess gute Quellen (wahrscheinlich die der holländischen Gesandtschaft) in seiner Geographie benutzt zu haben. Von dem angeblichen Besuche eines Marquis d'Etourville ist mir nur eine kurze Notiz bei Bertuch (1821) bekannt.

Die ganze neue Literatur über die Westküste, besonders über die vom Äquator südliche, ist äusserst unbedeutend. Ausser einem kleinen Berichte von Dr. Tamms, der indes nur einen Aufenthalt in den Hafenplätzen begreift, habe ich von deutschen Reisenden Nichts auffinden können. Die französischen Missionsberichte des vorigen Jahrhunderts beschränkten sich fast ganz auf Loango und Kakongo, während für die Nachbarstaaten später Douville als einzige Autorität galt. Die englische Expedition unter Capt. Tuckey hörte durch die Erzählungen des Volks von dem Blindy N'Congo, bei ihrer Exploration des Innern, über welches Bowdich weitere Nachrichten von den Meeresanwohnern sammelte. Dr. Livingstone erwähnt nur bei läufig des Königs von Gongo, ohne ihn selbst zu besuchen, da seine Route in einer verschiedenen Richtung lag.

So wünschenswert deshalb dem Geographen eine Bereicherung dieser spärlichen Literatur sein würde, so bedauere ich doch, dass er in dem vorliegenden Werke (aus Gründen, die in demselben mehrfach besprochen sind), diejenigen Ansprüche nur wenig befriedigt finden wird, die er der Natur des Gegenstandes nach mit Recht an dasselbe stellen könnte. Die gesammelten Notizen überhaupt zu veröffentlichen, entschloss ich mich nur, um einen kurzen Bericht über einen wenig gekannten Teil Afrikas zu liefern, der bis zur Ausarbeitung eines umfassenden Reisewerkes an Neuheit verloren haben würde, sah aber unter meinen Händen das Buch zu einem Umfange anschwellen, der ursprünglich durchaus nicht in seinem Plane lag. Eine siebenjährige Abwesenheit ausserhalb des europäischen Bildungskreises hat mich nicht nur den neueren Forschungen in den verschiedenen Gebieten der Wissenschaft entfremdet, sondern wird auch vielleicht zur Entschuldigung eines Gedankenganges dienen, der unter einem zwar viel bewegten, aber geistig stets isolierten Leben ausgebildet, diejenige Flüssigkeit entbehren muss, die sich nur durch einen täglichen Austausch der Ideen erwerben lässt. In den beiläufig gebotenen Abschweifungen hat etwas Neues weder gesagt werden sollen, noch können, und hat es mir nicht in den Sinn kommen dürfen, mir irgend ein Urteil anzumassen über Fragen, deren Entscheidung den damit betrauten Fachmännern überlassen bleiben muss. Der Zweck würde erreicht sein, wenn die Besprechung oder Widerlegung der angeregten Punkte zu Diskussionen führen sollte, die schliesslich nur dem Ganzen nützen können.

Was speziell Afrika betrifft, so hat man über den isolierten Charakter, den dieser gegen seine glänzenden Brüder verschwindende Kontinent so vorherrschend zeigt, zu häufig die Berührungspunkte übersehen, die ihn immer auf die eine oder andere Weise mit seiner Umgebung verknüpfen müssen.

Reisebeschreibungen wird vielfach der Vorwurf gemacht, statt ein Bild des besuchten Landes, die subjektive Auffassung des Verfassers zu geben, und sie werden um so leichter in diesen Fehler fallen, wenn der Erzähler, über die einseitige Hervorhebung seiner eigenen Erfahrungen, vergleichende Seitenblicke auf die von seinen Vorgängern gemachten vergisst, oder wenn er sich versucht fühlt, dem Leser Alles als Neu und Wunderbar vorzuführen, was ihm vielleicht im ersten Augenblicke so erscheinen mochte, ohne auf die Analogien aufmerksam zu machen, die die mitgeteilten Facta zu bekannten Gebräuchen in andern Teilen der Welt haben werden. Der Horizont des Reisenden kann immer nur ein relativ beschränkter bleiben und seine persönlichen Erlebnisse müssen so sehr den Stempel des Zufälligen und durch äussere Verhältnisse Bedingten tragen, dass er sich erst eine breitere Basis der Beobachtung in dem Studium der Geschichte zu schaffen hat, wenn nicht die von ihm entworfene Zeichnung gerade in ihren charakteristischten Zügen verzerrt und mangelhaft ausfallen soll. Manche der Erörterungen, besonders über die staatlichen und religiösen Verhältnisse der Neger, zu denen ich dadurch geführt bin, konnten nur angedeutet werden und haben ihren Abschluss erst im zweiten Bande zu finden, der Reisen an der Küste Guineas und auf dem Gambiaflusse begreifen wird. An das, was hinsichtlich des Fetischdienstes schon über Süd-Afrika zu erwähnen war, knüpfen sich in diesem ersten Bande Bemerkungen über den afrikanischen Sklaven- und den Küstenhandel, die englische Überwachung der Häfen und Mittheilungen über die Boobies Fernando Po's.



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