ASCHAFFENBURG. UFranken BAmtsstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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ASCHAFFENBURG. UFranken BAmtsstadt.

Stifts-K. S. Peter und Alexander. Ältere Baudaten fehlen. Rom. 12. und 13. Jh. mit vielen späteren Zusätzen; rest. 1713 [pg 19] und 1880. — Inneres. Hier hat der rom. Stilcharakter noch die Vorherrschaft. Lhs. flachgedeckte Pfeilerbasilika (jetzt Lattengewölbe aus 18. Jh.); weite Querschnittsproportion; 9 Arkaden auf schlanken quadr. Pfll. mit reich profilierten Deckplatten; diese, sowie die einfache Tür am nördl. Ssch. der einzige Anhalt zur Altersbestimmung; nicht vor 3. V. 12 Jh. — Eine zweite Bauperiode setzt um 1220 mit dem WBau ein, nahe verwandt der Peters-K. in Gelnhausen. Empore zwischen den (damals unausgeführt gebliebenen) Fronttürmen; sie wird getragen von einer 3sch., 2 Joch tiefen Halle; rippenlose Kreuzgwbb. zwischen rck. Gurten; die Blätterkapitelle der stämmigen Säulen in ihrer Art ersten Ranges. In der WWand prachtvoll umrahmtes Portal, im Tympanon Christus zwischen den Kirchenpatronen. Um 1250 der OBau. Der Einfluß von Gelnhausen dauert fort, jetzt mehr vonseiten der dortigen Marien-K. Das Schiff hat 3 quadr., der Chor 2 quadr. Gwbb., am platten Schluß im 18. Jh. die Fenster vermauert; die Fenster des Qsch. spgot. erweitert. Alle Gewölblinien unterspitz. Die rck. Gurten auf Auskragungen; die Kreuzrippen, geschärfte Wulstform, auf Diensten mit Schaftringen; rom. Blätterkpatt. — Die Sschiffe des Lhs. durch flache Kapellen erweitert. Am nördl. Ssch. die große, über den äußeren Wandelgang vorgebaute, daher von innen mittels einer Treppe zugängliche Maria-Schnee-Kap., erb. 1516 vom Kardinal Albrecht v. Brandenburg; Netzgwb. mit gewundenen Reihungen, entartetes Maßwerk; die äußere Giebeldekoration erinnert mit ihrem schreinermäßigen Reichtum an die sächsischen Bauten des Kardinals. — Äußeres. Chor und Langseiten verbaut. Sichtbar nur die NWEcke. Sie vereinigt Bauteile aus vier Stilperioden zu einer überaus malerischen Gruppe. Eine in der Seitenachse liegende hohe Freitreppe, barock, führt zu einem Paradies; ehemals mit schräger Sparrendecke, jetzt flach gewölbt. Der NTurm nicht ausgebaut; dominierendes Motiv nach dieser Seite ist der hohe Giebel der Maria-Schnee-Kap. Die WFront zeigt, der Empore entsprechend, 3 sprom. Fenster. Der STurm wurde im 14. Jh. in kolossalem Maßstab begonnen; über dem zweiten Geschoß brechen die Motive ab und es folgt ein spätestgot. Oktogon mit 8 geschweiften Giebelchen und hohem hölzernen Helm. Das Lhs. hat ein gebrochenes Walmdach aus 18. Jh. — An der NOSeite schöner sprom. Kreuzgang. Von ihm aus führt ein spgot. umgearbeiteter Verbindungsgang zum Paradies, das gleich dem Kreuzgang zeitlich mit dem OBau zusammengeht. — Ausstattung. Großer Hochaltar in Ciborienform aus dem 18. Jh. Die ehemals [pg 20] zahlreichen ma. Nebenaltäre bis auf einen zerstört. Die Beweinung von Math. Grünewald bildete die Predella eines Altarbildes 1525 in der Moritz-K. in Halle a. S., das Hauptbild jetzt in der Pinakothek zu München. In der Maria-Schnee-Kap. ein mit 1519 bezeichneter Rahmen, der einst eine Maria von Grünewald einschloß; wahrscheinlich identisch mit dem jetzt in der Dorf-K. zu Stuppach (s. Bd. III) befindlichen Bilde; übrigens ist auch der Rahmen an sich interessant als Dokument der Veränderung der Altarform im Übergang von der Gotik zur Renss., eine Parallele zum Rahmen von Dürers Allerheiligenbild. In einer südl. Seitenkp. Schnitzaltar der 14 Nothelfer von merkwürdigem staffelförmigem Aufbau A. 16. Jh. — Chorstühle von 1659 jetzt im Qsch. — In der nördl. Turmhalle Taufstein von 1487. — Im nördl. Ssch. (früher im Chor) ein eherner Baldachin aus der Vischerschen Hütte bez. 1536; vier mit graviertem Laubornament geschmückte Pfosten tragen einen an der unteren Fläche in der gleichen Technik behandelten Himmel; die Zeichnung erinnert an das (zerstörte) Gitterwerk des Nürnberger Rathauses. Der Baldachin scheint für das von Kardinal Albrecht in Halle projektierte Grabmal bestimmt gewesen zu sein (vgl. P. Redlich: Kardinal Albrecht von Brandenburg und das Neue Stift in Halle, 1900); jetzt trägt er einen Sarkophag mit den Reliquien der h. Margarete. — Kanzel aus Sandstein und Alabaster, sehr reich, um 1590. — An der WWand kolossales Holzkruzifix aus A. 13. Jh. — Außen über der Freitreppe steinerne Kreuzigungsgruppe 1699.

Grabmonumente und Gedenktafeln in großer Zahl. Davon die wichtigsten:

Im Chor: SSeite, Kenotaph des Stifters Otto v. Sachsen † 982, gesetzt 1524; korrespondierend auf der Nseite das seiner Frau und Tochter, Liudgard und Hildegard. — Ehernes Epitaph des Kardinals Albrecht von Brandenburg † 1545, gegossen 1525 in der Vischerschen Hütte, großartiges Reliefbildnis mit ornamentaler Borte, durch eine Inschrifttafel aus 18. Jh. entstellt; in gleichem Format, wohl als Gegenstück gedacht, Madonnenrelief von Hans Vischer 1530: beide aus Halle hierher übergeführt. — Epitaph für Kurfürst Schenk v. Erbach † 1459, ausgeführt im 16. Jh. — Desgl. für Kurfürst Anselm Franz v. Ingelheim † 1659, bmkw. durch lebendige Porträtauffassung.

Im Mittelschiff kurfürstliche Beamte. a) Südliche Reihe: Caspar v. d. Schulenburg 1517, primitives Renss.-Ornament. — Wolf Beheim 1539. — Dr. Sachs 1570. — Stephan [pg 21] v. Fechenbach 1577. — b) Nördliche Reihe: Melchior von Graenroth, Erzguß von großer technischer Präzision, 1584 von Hieronymus Heck. — Georg v. Liebenstein 1533 mit Anklängen an die Schule Backofens; feste Rittergestalt, das Knien an dem (ganz an die Seite geschobenen) Kruzifix vorzüglich gegeben. — Brendel von Homburg 1573. — Ch. Math. v. Albersweiler 1567. — Dr. Eisenberger 1575.

Im Kreuzgang. a) WFlügel. Gertrud Echter 1421, kniend in Dreiviertelansicht, über ihr Maria in den Wolken, schöne manierfreie Arbeit. — b) NFlügel. Joh. v. Cronberg 1439, adoriert den h. Christoph. — c) OFlügel. Schenk v. Weibstedt 1437, adoriert die Madonna auf der Mondsichel. — d) SFlügel. Scholastikus Küchenmeister mit seiner Mutter 1493. — Wandgemälde, der Gekreuzigte u. Heilige, E. 14. Jh.

In der Sakristei 2 vorzügliche Reliquienbüsten 1473 von Hans Dirnstein von Frankfurt. Degl. Monstranz. Rom. Schachbrett.

Agathen-K. Flachgedeckte frgot. Basilika, spgot. überarbeitet, unbedeutend. Der vortretende WTurm mit 4 Giebeln und Holzhelm sehr einfach rom. Außen Ölbergsgruppe aus 16. Jh., beschädigt, in Renss.Gehäuse.

U.L.F. Pfarr-K. 1768-1775. Einschiffiger Saal von angenehmen Verhältnissen. An der nördl. Langseite rom. Glockenturm, das Obergeschoß rom. zu got. ca. 1220-30. Es hat übereinander, durch kein Gesims getrennt, 2 gekuppelte Schallöffnungen, kleeblattförmig, umschlossen von spitzbg. Blendbg., ein Vierpaß im Felde. Über den 4 Giebeln ein steinerner got. Helm, 8seitig, mit Kantblumen geziert.

Im Erdgeschoß eingemauert sprom. Tympanon, thronende Maria zwischen Heiligen.

Studien(Jesuiten)-K. 1619-21. In WDeutschland der erste dem römischen Barockschema folgende Jesuitenbau (vgl. dagegen Molsheim u. Köln Bd. IV, V), Schiff mit Tonnengwb. u. tiefen Nischen, feines Flachornament in Stuck, Beschlägemuster.

Schloß. Das alte Schloß zerst. 1552. Notbau 1556-1606. Neues (jetziges) Schloß 1605-1614 von Georg Ridinger aus Straßburg (von ihm selbst in einem umfänglichen Kupferstichwerk, Mainz 1616, publiziert). Waren die wichtigeren Schloßbauten der Renss. des 16. Jh. immer Um- oder Anbauten mittelalterlicher Anlagen gewesen, so wird hier mit Nachdruck zum erstenmal eine streng einheitliche, symmetrische Anlage gegeben (etwas älterer Versuch in Schmalkalden): 4 Flügel um einen quadratischen Hof von ca. 79 m äußerer, 51 m innerer Seitenlänge, an den Ecken mäßig vorspringende quadr. [pg 22] Türme; die Symmetrie nur leicht durchbrochen von dem aus dem alten Schloß herübergenommenen Bergfried, jetzt mit dem NFlügel hofseits verwachsen. Die Flügel haben wenig Tiefe (kaum 10 m im Lichten) und in der inneren Teilung folgt Raum auf Raum ohne Korridorverbindung. Aufgänge durch Wendeltreppen in den 4 Winkeln des Hofes. — Die allgemeine Idee, aus dem Wasserschloß entwickelt, hier wohl sicher durch französ. Vorbilder bedingt, wie auch das Detail (in Übereinstimmung mit dem Kaufhaus in Straßburg, dem Friedrichsbau in Heidelberg, dem Schloß Gottesau und dem etwas jüngeren Schloß in Mainz) mit der ostfranzösisch-lothringischen Weise zusammenhängt; vgl. besonders die Fensterverdachungen. Gliederung der 3 fast gleichwertig behandelten Geschosse durch sehr kräftige Gesimse, während vertikale Teilungslinien fehlen. Der Fassadenlänge von 85 m (mit Einschluß der Türme) entspricht eine H. von 23 m (bis Oberkante Dachgesims) und Teilung in 15 Fensterachsen; dazu das mächtige Dach, 12 m H. In der Mitte wird es durch einen reicher als alle übrigen Teile (ursp. jedoch einfacher beabsichtigten) Zwerchgiebel akzentuiert. Einziger Zugang durch das mäßig große Rustikaportal der SSeite. Eine Zugbrücke führte hier über den Burggraben, einst vorn durch eine porta triumphalis geschmückt. (Der Balkon 18. Jh.) Die Geschoßhöhe der Türme nimmt nach oben etwas ab, sie werden gekrönt durch eine Galerie und ein niedriges Oktogon mit welscher Haube. Die östl. und nördl. Fassade etwas sparsamer detailliert. Wie die Lucarnen ursp. gedacht waren, zeigt ein Exemplar der WSeite. — In der Nähe erscheinen die Verhältnisse zu schwer, wie bei den meisten Bauten dieser Zeit; aus gehöriger Entfernung betrachtet zeigen sich Massen und Umrisse meisterhaft aufgebaut. Die erhöhte Lage über dem Main führte zur Anlage einer 20 m hohen Terrassenmauer, daran das mächtige Wappen des Bauherrn Erzbischof Joh. Schweickart von Mainz. Erwähnenswert, daß Ridinger vorher hauptsächlich an Festungsbauten beschäftigt war. — Die Hoffassaden wiederholen das äußere System mit der Abweichung, daß das Erdgeschoß sich in Arkaden öffnete (unglücklicherweise später zugemauert). — Die innere Ausstattung, deren geschnitzte Türen, Mosaikböden, Stuckdecken, Wandgemälde (im Kaisersaal Historien von Georg Keller, einem Schüler Jost Ammanns), ein Besucher des J. 1614 überschwänglich bewunderte, wurde durch Umbauten seit 1770 zerstört. Einigermaßen verschont nur die Kapelle; 1sch. Raum mit Netzgwb., Kolossalaltar und Kanzel aus Marmor von Hans Junker; Bürger von Aschaffenburg, um 1615; unendlich überlastet [pg 23] mit (an sich reizvollem) Detail, figürlichem und ornamentalem. Wand-, Decken- und Fenstermalerei zerstört. Prunkvolles Portal. — Im Schloß bmkw. Gemäldegalerie.