Leben Peters des Großen. Bd 3

Ältere Schicksale des russischen Handels auf dem Kaspischen Meere.

Die Ausbreitung und Sicherung des Russischen Handels, dieser große Gegenstand, der Petern seit Antritt seiner Regierung am Herzen lag, blieb ihm immer gegenwärtig. Während diese seine Absichten im Norden aus dem Baltischen Meere über Erwarten gelangen, hatte er sie im Süden aus dem schwarzen Meere verfehlt. Aber dieses Misslingen nahm ihm nicht den Mut, seine Augen auch auf das zweite Meer zu richten, das seine weiten Staaten südlich begrenzte. Schon der Zar Alexei Michailowitsch hatte die ernste Absicht gehegt, den Russischen Handel auf dem Kaspischen Meere gegen die unaufhörlichen Streifereien der Kosaken zu sichern. Zu dem Ende hatte er in den Jahren 1667 und 1668 durch holländische Werkverständige zu Dedenowa an dem Okka- Fluss ein Schiff, der Adler genannt, erbauen lassen, und solche, die Wolga hinab nach Astrakan ins Kaspische Meer gesandt. Er glaubte, dass die Erscheinung dieses großen Schiffes dort um so nützlicher sein würde, da eine große Empörung der Donischen Kosaken durch die Unterweisung ihres Anführers Stenka (Stephan) Rjazin gestillt zu sein schien. Aber es war nur eine geheuchelte Unterwerfung gewesen, die den Empörer von einem augenblicklichen Bedrängnis befreit hatte. Stenka hatte sich gleich im folgenden Jahre 1670 mit einem neuen Schwarme räuberischer Kosaken an der Wolga eingefunden, sind mit List die Stadt Zarizin [Wolgograd/Stalingrad], ja! durch Verrat eines großen Teils des Russischen Korps, das ihm entgegen gesandt war, selbst die Stadt Astrakan eingenommen. Das kaum angekommene Schiff ward verbrannt, und Alexeis gute Absicht, die Schiffahrt und Handlung auf dem Kaspischen Meere zu verbessern, auf lange Jahre vereitelt. Allmählich hatten sich jedoch die zu Dzulfa und Astrakan wohnenden Armenier des größten Teils der Persischen Handlung am Kaspischen Meere bemächtiget, wozu ihre Kunde der Persischen Sprache, und ihre Komtoire, die sie in beiden Ländern unterhielten, sie auch besonders geschickt machten. Sie führten die Persische Seide durch Russland, und von Archangel über die See nach Holland, wogegen sie Holländische Tücher und andere in Holland gangbare Waaren zurück brachten. Der Zoll, welcher der Zarischen Kasse dadurch zufloss, war nicht unbedeutend. Peter schloss daher schon vor 1711 unter Einwilligung des Schachs von Persien mit den Armeniern einen Verein, vermöge dessen alle Persische Seide nach Russland gehen, und nichts davon nach der Türkei geführt werden solle. Indem so die Armenier durch einen öffentlichen Freiheitsbrief allein berechtigt wurden, den Seidenhandel im Russischen Reiche zu treiben, ward allen Russischen Untertanen befohlen, dass sie an niemand anders, als an die Armenier ihre Seide verkaufen sollten. Die Russische Kaufmannschaft hatte hierüber gerechte Klagen geführt, und da zugleich kund ward, dass die Armenier, des Vereins ungeachtet, eine Menge Seide nach der Türkei brachten, und statt dass sie in Russland nur im Großen hätten handeln sollen, Krämerei im Kleinen trieben, und überall in den Städten Kaufbuden anlegten, so wurden ihnen im Jahre 1719 ihre Vorrechte genommen. Doch auf ihr Versprechen, der geschlossenen Vereinbarung genauer nachkommen zu wollen, erhielten sie bald (1720) die Bestätigung ihres Handlungs-Privilegiums.

Indessen hatte auch die sonstige Handlung, welche die Russischen Kaufleute, nach dem Maaße ihrer Geschicklichkeit und Erfahrung in den Provinzen Persiens trieben, ihren Fortgang gehabt, bis die innern Unruhen, die um diese Zeit das Königreich Persien zu zerrütten begannen, dem Russischen Handelsverkehr durchaus verderblich zu werden drohten.