Doberan - l ½ Meile von Rostock, ½ Meile von der Ostseeküste und Heiligendamm

Doberan, ein Marktflecken mit 3.300 Einwohnern im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, am Fuße waldiger Hügel, l ½ Meile westlich von Rostock, ½ Meile von der Ostseeküste und dem Heiligen-Damm — einem hohen Wall aus abgeschliffenem Kieselgeröll, welches das Meer in einer Nacht ausgeworfen haben soll — ist das älteste aller deutschen Seebäder: denn es wurde auf Anraten des Leibarztes Dr. von Vogel bereits 1794 nach dem Muster der in England bestehenden Anstalten und nach Lichtenbergs Vorarbeit (1793) gegründet durch Aufführung von Badehäusern und Gebäuden auf Heiligen-Damm, aus denen durch fortgesetzte Bemühungen und Beschreibungen (1794 bis 1819) des verdienten Arztes, wie durch unmittelbare Aufmerksamkeit des Großherzogs Paul Friedrich, das äußerst besuchte und elegant eingerichtete Seebad erstand — mit Vorrichtung zu Wannenbädern, mit Apparaten zu Douchen und Dampfdouchen, mit einer Molken- und Brunnenanstalt. — Bescheidenen Ansprüchen empfiehlt sich das Seebad Fulgen [heute Ostseebad Kühlungsborn], 1 Meile von Doberan, unmittelbar an der Ostsee.

Die Seebäder, hauptsächlich antiskrofulos und antinervos, werden am kurgemäßesten in den Monaten Juli und August (allermeist in Badewagen) genommen, denn im Juni ist das Meer noch nicht „reif“. Die Dauer der Kurzeit sollte nicht zu beschränkt angesetzt werden, um so weniger wo ungünstige Witterungsverhältnisse zeitweilig ein Aussetzen des Bades notwendig machen, wie an der Nordsee stärkere Stürme, an der Ostsee plötzliche Temperaturwechsel. Man richte sich daher auf einen mindestens sechswöchentlichen Aufenthalt ein (zu 20 bis 40 Bädern), und erwarte in jedem Falle erst von einer länger fortgesetzten Badekur diejenige Verbesserung des Allgemeinbefindens, welche dem Seebade als einem kalten und bewegten Bade zukommt, und die (nach Dr. Vetter) besonders auf kräftigere Innervationen der motorisch-organischen Nerven zu beruhen scheint: eine Wirkung, welche sich zumal in Steigerung der Energie des Assimilationsprozesses ausspricht, woran auch die Seeluft ihren wesentlichen Anteil hat.


Außer den Seebädern kommen in Doberan noch drei, unweit Heiligen-Damm am Strande entspringende Mineralquellen (5° R.) zur Verwendung, welche 1819 entdeckt wurden: die Schwefelquelle, die muriatische Bittersalzquelle und die Eisenquelle.

Hiernächst sind längs der mecklenburgischen Küste folgende Seebäder aufzuführen, die aber sämmtlich hinter Doberan weit zurückstehen.

1) Warnemünde (seit 1821) am Ausflusse der Warnow in die Ostsee, der Hafen von Rostock, zwei Meilen östlich von Doberan. Die Wohnungen sind bequem und billig, wie die Einrichtungen der Seebadeanstalt (im Durchschnitt 3.000 Badegäste) einfach und zweckmässig. Die öden Sandflächen und mageren Wiesen der nächsten Umgebungen werden auf der Westseite des Hafens durch eine vortreffliche, in die See hinausführende Promenade unterbrochen.

2) Wismar an einem Busen der Ostsee westlich von Doberan, mit 10.000 Einwohnern und dem besten Hafen, an der Eisenbahn.

3) Boltenhagen bei Klütz, ein Dorf zwischen Wismar und Travemünde, in neuerer Zeit viel besucht: zunächst dem Strande offene See.

4) Gegenüber der mecklenburgischen Küste schließt sich Travemünde an (seit 1800) am Ausflusse der Trave in die Ostsee, der Hafen des zwei Meilen entfernten Lübeck, wohin aber nach Austiefung des Flusses jetzt auch die größten Seeschiffe gelangen können. Die Gebäude, worunter ein Badehaus mit Wannenbädern, stehen unfern des Ufers. Der Gesundheitszustand ist sehr günstig. Die Umgegend stellt einen schattigen, reichgeschmückten englischen Garten dar, mit den reizendsten Aussichten auf die See und die Ufer, wo ankommende und abgehende Schiffe, wie das Treiben des belebten Hafens dauernd interessieren. Die Bäder werden, am zahlreichsten im Juli und vor allem im August (gegen 2.000 Gäste), in geräumigen zweirädrigen Badekutschen genommen. Der Boden hat den schönsten feinsandigen Grund, der in unmerklich sanftem Abhange ins Meer gleitet. Am besten badet man am Morgen oder auch gegen Abend etwa vier Stunden nach dem Essen, aber niemals nüchtern oder bei vollem Magen, noch nach körperlichen oder geistigen Anstrengungen. Zweimal am Tage zu baden ist wiederholter Erfahrung zufolge nicht dienlich. Im Bade selbst darf man nur einige Minuten bleiben; man tut aber gut, rasch hineinzuspringen, mehrmals unterzutauchen und sich möglichst zu bewegen. Im Wannenbade kann man bis zu einer halben Stunde verweilen, wobei man den Kopf öfters benetzen, aber nicht untertauchen mag.

Die eigentümliche Natur der Seeluft, die chemische Mischung des Seewassers (in zehntausend Granen 98 Gran Chlornatrium, 45 Gran Chlormagnesium, 10 Gran schwefelsaure Kalkerde, 5 Gran Kohlensäure und 2/10 Gran Brommagnesium), die reiche Schwängerung desselben mit animalischen Stoffen, seine stete Bewegung und der Wellenschlag, endlich der psychische Eindruck, den das Baden in offener See macht, bilden ebenso kräftige als heilsame Einwirkungen auf den kranken Organismus: den Lebensturgor herzustellen und den Körper abzuhärten bei allgemeiner Schwäche und Erschlaffung, bei Lähmungen, bei skrofulosen Drüsenkrankheiten, bei Neuralgien, Krämpfen, bei Hypochondrie und Hysterie, endlich bei gichtischen und rheumatischen Leiden. Schon der bloße Aufenthalt in der Seeluft ist vortheilhaft, erregend und belebend, zumal auf hypochondrische, hysterische und nervenschwache Naturen. Der Blutumlauf wird beschleunigt, das Athmen leichter und freier, Esslust und Verdauung wird befördert und das Gemüth wunderbar aufgeheitert. Dies, wie die Nähe von Lübeck (mit täglich achtmaliger Postverbindung zum Anschluss an die Eisenbahnzüge) ist Ursache, dass zahlreiche Familien, auch ohne zu baden, hier ihren Sommerwohnsitz nehmen, andere sich zu zerstreuen Land- und Wasserpartien machen. Durch sie, vorzüglich aber durch die vielen auf den Dampfschiffen hier ankommenden und abgehenden Fremden wird Travemünde vollends belebt. — Endlich ist im Busen von Lübeck, 2 ½ Meile von der Stadt, zwischen Travemünde und Neustadt im Dorfe Scharbenz das Augustus - Ostseebad zu erwähnen.


Bad Doberan - Der Kamp

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Ostseebad Heiligendamm - Bade- und Logierhaus

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Brunshaupten (Kühlungsborn), Kurhaus

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