Die Weinlese, von Uz

Willkommen, Weinles', uns're Freude,
Sei ewig unser großes Fest!
Wie jauchzen wir nach langem Leide,
Dass Bacchus uns nicht gar verlässt!
Du schenkest uns das Mark der Reben,
Den Greis und Jüngling zu erfreu'n.
Ja, ja! nun mag ich wieder leben!
Was ist ein Leben ohne Wein?

Der Erdkreis drohte zu vergehen:
Denn, ach! die Rebe stund betrübt.
Nun fließt ihr Nektar auf den Höhen,
Der allem neues Leben gibt.
Erfrorne Dichter, singt nun wieder!
Will keine Muse günstig sein?
Lyäus lehret bess're Lieder!
Nichts ist so sinnreich, als der Wein.


Verschmachtend lag mit schlaffem Bogen
Der Gott der Liebe hingestreckt.
Wie mutig ist er aufgeflogen,
Nachdem er jungen Wein geschmeckt;
Ein Alter zecht, wird los' und herzet,
Und schläft nun spät und küssend ein.
Dass der mit halber Jugend scherzet,
O Wunder! tut es nicht der Wein?

Der Wein kann alles möglich machen,
Dir, Wein, sei dieser Tag geweiht!
Es herrsche Lust, Gesang und Lachen;
Man zech' aus frommer Dankbarkeit!
Was fehlt? Ihr Freunde, nur noch eines!
Den frohen Amor ladet ein:
Denn Amor ist ein Freund des Weines,
Und ohne Küsse schmeckt kein Wein.

v. Uz.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2