Der Landmann und der Winzer, von Hagedorn


                  Der Landmann.

Was gleicht den Stämmen, die hier stehen,
Und jener Hügel Trefflichkeit?
Der Eichen und der Birken Höhen
Verdienen aller Bäume Neid.



                  Der Winzer.

Kein Baum kann edler, als die Reben,
Nichts schöner, als ein Weinberg sein.
Was ist doch aller Menschen Lebm!
Und ach! Was wär' es ohne Wein?


                  Der Landmann.

Das Alter dieser breiten Eichen
Verjünget sich durch Fruchtbarkeit;
Durch ganz besondre Vorzugszeichen
Verdienen sie der Bäume Neid.


                  Der Winzer.

Ich wollte dir ihr Lob erlauben,
Ich selber stimmte mit dir ein,
Doch statt der Eicheln, lob' ich Trauben,
Und, statt des Schattens, lob' ich Wein.


                  Der Landmann.

Die Birken sammeln edle Kräfte,
So oft der Lenz die Welt erfreut,
Und ihre so gesunden Säfte
Verdienen and'rer Säfte Neid.


                  Der Winzer.

Erhebe, wie du willst, die Birken;
Ich kann mit dir nicht einig sein.
Doch meinen Beifall auszuwirken,
So zapfe mir aus Birken Wein.


                  Der Landmann.

Hier fließt aus reinen Wasserfällen
Der feisten Anger Lieblichkeit.
Das frische Nass der süßen Quellen
Verdienet aller Meere Neid.


                  Der Winzer.

Ihr Bäche dieser fetten Wiesen,
Ja, ja, ihr fließet ziemlich rein.
Ihr werdet auch von mir gepriesen;
Nur gebt uns, statt des Wassers, Wein.


                  Der Landmann.

Wie singet hier in froher Stille
Der Vögel Schaar zur Frühlingszeit!
So freier Töne Scherz und Fülle
Verdienet mancher Sänger Neid.


                  Der Winzer.

Der muntern Vögel Scherz und Singen
Kann freilich Ohr und Herz erfreu'n,
Doch vieles würde schöner klingen,
Besäng' ein Vogel auch den Wein.

Hagedorn.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2