Der Lerchenbaum, von de la Motte Fouqué

Du, so schlank emporgeschossen,
Du, im grünen Lichtgewand,
Mit den roten Blütensprossen,
Sag', wie hat man dich genannt?

„Lerche heiß' ich, lieber Waller!
Wundert mich, dass du noch fragst,
Nicht mir, nach den Sitten Aller,
Gleich vertraute Grüße sagst.“


Lerche? Wie mag Lerche heißen,
Wer, an Wurzeln festgebannt,
Nie sich kann der Erd' entreißen,
Zu durchzieh'n das blaue Land?

„Glaubst du, dass ich Lüfte scheue?
Mir bekannt ist wohl ihr Lauf.
Sieh', umspielt von klarer Bläue,
Schießt mein hoher Wipfel auf.“

Willst du Lerchen dich vergleichen,
Wohl, so gib nach Lerchenbrauch
Kunde von des Schnee's Entweichen
Und vom ersten Frühlingshauch !

„Wenn die Lerchen droben singen,
Lass' ich and're Lerche hier
Zart mein junges Grün entspringen,
Und man kennt des Maien Zier,“

Wohl an Farben, wohl an Schatten,
Aber nicht am süßen Klang,
Den die Vögel ohn' Ermatten
Wirbeln ihre Bahn entlang.

„Farben hier und dorten Klänge,
Beide hell aus freud'gem Trieb,
Grüne Sprossen, Lustgesänge,
Hoffnungsvollen Herzen lieb!“

Farb'ge Schwester jener süßen,
Heitern Himmelsmelodie,
Ja, man soll dich Lerche grüßen,
Hoch, früh auf und hell wie sie.

de la Motte Fouqué.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2