Der Tod und die letzten Worte der armen (Schaf-) Mutter Mailie, von R. Burns

            Eine sehr traurige Erzählung.

Als Mailie eines Tags im Dämmern
Am Stricke grast' mit ihren Lämmern,
Verwickelt' sie sich in den Strick
Und stürzt' und brach sich das Genick;
Und ächzend sterbend lag sie da,
Als Huchhoc kam und all' dies sah.
Mit stierem Aug', erhobner Hand,
Wie eine Statue Huchhoc stand;
Er sah', 's war aus mit ihrem Leben,
Und Hilfe könnt' er ihr nicht geben;
Mit offnem Munde sprach er nicht, —
Bis Mailie dann das Schweigen bricht:


„O du, dess klägliches Gesicht
Für meine Leiden Mitleid spricht,
Hör' aufmerksam mein letztes Wort
Und bring' es meinem Herrn sofort,
Sag' ihm, wenn wieder Geld er zielt
Und er auf's Neue Schafe hielt',
So möcht er sie doch mit den Stricken
Aus Hanf und Haar nicht mehr so drücken,
Und sie im Busch und auf den Höh'n
Nach ihrem Willen lassen geh'n:
Dann wächst die Herde dutzendweis
Und Ballen Wolle sind sein Preis.

Sag', dass ein guter Herr er mir
Und all' den Meinen für und für,
Und dass ich sterbend noch ihn flehe,
Dass er nach meinen Lämmern sehe.
Vor Metzger, Fuchs und Hundescharen
Soll er ihr harmlos Leben wahren,
Und Kuhmilch ihnen auch gewähren,
Bis sie so weit, sich selbst zu nähren;
Und früh und spät sie treulich hegen
Und sie mit Korn und Heu verpflegen.

Sie mögen nie sich so geberden,
Wie schlechte Schaf' in andern Herden,
Die durch die Hecken schlüpfen wohl
Und Erbsen mausen oder Kohl!
Wie ihre Ahnen seh'n die Frommen
Manch Jahr dann noch den Scheermann kommen;
Die Frauen geben ihnen Brod,
Und Kinder weinen, wenn sie tot.

Mein Böckchen, meinen Sohn und Erben —
Er zieh' ihn auf, denn ich muss sterben;
Und wenn er ausgewachsen dann
Leit' er zu guter Sitt' ihn an
Und warn' ihn, dass er sich begnüge
Und seine Schafe nur vergnüge,
Und nicht die Klauen ab sich laufe,
Wie wohl der große, schlechte Haufe.

Und du mein Lämmchen, armes Ding —
Bewahr' dich Gott vor Lein' und Schling'!
Nie lasse dich, so hübsch und sein,
Mit einem Moorlandswidder ein,
Und Schafen nur gesell' dich zu,
Die guten Rufes sind wie du.

Und, Kinder, nun lebt wohl! Mein Segen
Begleit' euch Beid' auf euren Wegen;
Und wenn ihr eurer Mutter denkt,
Mit Lieb' auch an einander hängt!
Nun, guter Huchhoc, magst du geh'n!
Sag' meinem Herrn, was hier gescheh'n,
Und er verbrenn' den bösen Strang,
Und mein Geschwätz lohn' deinen Gang!“
Drauf wandte Mailie sich herum
Und schloss ihr Auge tot und stumm.

Robert Burns.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2