Der Sennerin Heimkehr, von A. Grün

Es blinken die Alpenzinnen
In Eis schon silbern ganz,
Der Herbst entlaubt im Tale
Der Baume grünen Kranz.

Um's Dörflein dort am Hange
Grünt noch die Wiese fort,
Doch auf der Wiese die Blumen
Sind alle schon verdorrt.


Horch, was erklingt vom Berge
Wie voller Glockenklang?
Was tönt zum Tale nieder
Wie süßer Brautgesang?

Das ist mit ihrer Heerde
Die junge Sennerin,
Die von den Alpen nieder
Zur Heimat wallt dahin.

Die schönste ihrer Kühe
Mit hellem Glockenlaut,
Geschmückt mit frischem Kranze
Wallt vorn, wie eine Braut.

Rings um sie hüpft so fröhlich
Die ganze Heerde drein,
Wie treue Jugendgenossen,
Die sich des Festtags freu'n.

Der schwarze Stier den Brautzug
Wohl als Prälate führt,
Er schreitet hin bedachtsam,
Wie's solchem Herrn gebührt.

Und vor dem ersten Hause
Jauchzt dreimal hell die Maid,
Dass laut es gellt durch's Dörflein,
Durch Tal und Alpen weit!

Die Mütterlein und Dirnen
Sind flink herbeigerannt,
Die Sennerin drückt allen
So warm und treu die Hand:

„Viel Grüße, schöne, frische,
Von grünen Alpenhöh'n!
Wie lange, ach wie lange,
Dass wir uns nicht geseh'n!

„Den ganzen langen Sommer,
Dass ich so ganz allein
Mit Heerden und mit Blümlein,
Mit Sonn' und Mondenschein!“

Sie grüßt die Bursche alle
Mit heitrem Angesicht,
Nur einen, und den schönsten,
Den grüßt sie eben nicht.

Nicht scheint es ihn zu grämen,
Und lächelnd läßt er's gescheh'n!
Er hat wohl auch die Schöne
So lange nicht geseh'n?

Er trägt ein grünes Hütlein
Und Alpenrosen d’rauf. –
Ei, solche Alpenröslein
Blüh’n sonst im Tal nicht auf.

A. Grün.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2