Guter Brauch, von Rückert

Es ist ein heil'ger Brauch, im reinen Gartenraum
Bei deines Sohn's Geburt zu pflanzen einen Baum.

So ähnlich ist der Trieb des Menschen und der Pflanze
Und so verschieden auch, wie Blatt und Blatt am Kranze.


Das zarte Reiß kann nur durch Jahresgunst gedeih'n,
Und nur durch Himmelsgunst gedeiht ein Kind allein.

Der Baum, gepflanzt, erwächst dir ohne weit're Müh'n:
Nicht sonder Sorge wirst du seh'n den Sohn erblüh'n.

Wenn du ihn biegen willst, so biege fein den jungen;
Das ist vom Baum sowohl, wie von dem Sohn gesungen.

Der Baum zu seiner Zeit trägt seine Frucht für dich;
Dein Sohn trägt seine Frucht, wenn er sie trägt, für sich.

Doch seine Frucht zu seh'n, macht Freuden dich ersatten,
Und einst zufrieden schläfst du ein in seinem Schatten.

Rückert.




Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2