Lob der Spindel, von J. Kerner

Die Faust des Mannes zieret
Ein blank geschliffen Schwert,
Das er in Treue führet,
Wo er das Recht begehrt.

Sank er auf blut'ger Heide,
Den Ring, den Edelstein,
Dies seiner Hand Geschmeide
Grub man mit ihm hinein.


Des Eisens Wucht zu heben,
Sind Frauen nicht gewandt,
Sie leben stilles Leben,
Die Spindel in der Hand.

Die zarte Hand der Schönen
Ziert die mit rechter Weis';
Sie tanzt mit süßem Tönen,
Und singt der Frauen Fleiß,

In alter Wälder Dunkel,
Auf moosigem Gestein
Sitzt an krystallner Kunkel
Nachtfrau im Mondenschein.

Mondhelle Fäden bringet
Ihr Finger zart hervor;
Seltsam die Spindel singet;
Es lauscht des Wand'rers Ohr.

In Schloß und Burgeshallen
Die Spindel emsig sang;
Den deutschen Frauen allen
War sie ein lieber Klang.

Gar spärlich Sammt und Seide
Umfing der Frauen Leib,
Im selbstgesponn'nen Kleide
Ging da manch' süßes Weib.

Kaum, dass in armer Kammer,
In Nächten lang und bang,
Bei Tränen und bei Jammer
Noch tönt der Spindel Sang.

Sing' nur, du singst den Sorgen
Der Armut endlich Tod.
Steig' auf, du lichter Morgen!
Bring' das ersung'ne Brod.

Jetzt im Gemach der Schönen
Hört man wohl Lautenklang,
Wohl welsche Triller tönen,
Gar leis der Spindel Sang.

Die Spindel hält verschoben
Jetzt manche Schöne stolz,
Und denkt, wie kann man loben
So ein gemeines Holz!

Nein! liebe deutsche Frauen!
Erkennt der Spindel Wert!
Woll't treulich auf sie bauen,
Treu, wie der Mann auf's Schwert!

Indess der sieghaft stehet
In Blut und Kampfes-Schweiß,
Sitzt fromm daheim und drehet
Die Spindel recht mit Fleiß!

So war's in alten Tagen
Sittsamer Frauen Art.
Bilder und schlichte Sagen
Die haben uns bewahrt:

Wie in der Frauen Kreise
Die Spindel nie geruht. —
Spinnt fort nach alter Weise
Zart — aber stark und gut.

Justinus Kerner.





Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 2