Vorbericht

Diese Sammlung möge für sich selber reden. Sie möge ein Zeugnis dafür ablegen, dass auch eine andere Auffassung der Landwirtschaft möglich ist, als diejenige, die sich gerade in der realistischen Periode unserer Zeit so breit geltend macht. Zeigen möge sie, was und wie die großen Geister unserer Nation über den Stand und die Beschäftigung des Landmannes gedacht und gesprochen haben, Stolz und Liebe zu demselben erwecken, das Selbstgefühl aller derer heben, die sich ihm gewidmet haben. Kein anderes Fach der menschlichen Tätigkeit unter allen Nationen kann sich bis heute einer derartigen Sammlung rühmen.

Sie hat aber noch einen anderen, näheren Zweck. Sie soll dem Landwirt, dem jungen, wie dem erfahrenen, in trüben Stunden, wie jeder Beruf sie bringt, zum Trost und zur Erhebung dienen; er wird wenige Seiten darin aufschlagen, welche nicht diese Aufgabe oder die leichtere der Erheiterung vollbringen werden.


Aus dem Munde der Dichtkunst fließt die gute Lehre weit geschmeidiger, hört sich viel angenehmer, wie von dem strengen Katheder herab. Die goldenen Samenkörner, welche so zahlreich in diesen Poesieen ausgestreut liegen, werden nicht verfehlen, Keim und Wurzel zu schlagen in den Gemütern von Alt und Jung, Mann und Weib, von Jedermann, dessen Inneres noch empfänglich ist für das Edle und Schöne. Daher darf wohl die Hoffnung ausgesprochen werden, daß dies Buch in Schulen und Vereinen, im Familienkreise, wie auf dem Tisch des Einzelnen — eine freundliche Stätte finden werde, wie seine Lehren in den Herzen.

Man würde irren, wollte man annehmen, diese Sammlung sei eine leichte Sache gewesen. Es hat zwölf Jahre bedurft, um sie zusammen zu bringen; fast alle Dichter des deutschen Volkes sind zu ihrem Behufe durchgegangen worden, und es war oft schon ein Glück, wenn von zehn derselben eine einzige schmale Ausbeute gewonnen wurde; aber auch diese mußte häufig nach besserem Bedenken wieder verworfen werden. Dagegen gaben einzelne Poeten eine um so reichlichere Auswahl, der ehrwürdige Brockes, der sinnige Rückert, der mannhafte Voß in erster Reihe. Vielleicht werden Manche um die Auslese mit mir rechten, etwa den Brockes für veraltet, zopfig, frömmelnd erklären. Dem aber möchte ich widersprechen. Mit Absicht und Willen habe ich eine größere Zahl seiner Dichtungen in diese Sammlung aufgenommen; ich hätte noch dreimal mehr Gutes und Passendes aus der Bändezahl dieses fruchtbarsten aller Poeten schöpfen gekonnt, wenn ich nicht hätte fürchten müssen, den Leser zu ermüden, und deshalb doppelt sorgsame Sichtung übte. Und wenn auch zum Teil veraltet, so werden die poetischen Werke von Blockes doch ewig ihren Wert behalten; es waltet in ihnen eine so sinnige und wunderbar genaue Naturbetrachtung, er erblickt und entwickelt so schön aus dem Kleinsten das Große, seine Liebe zu allen Wesen ist so warm und treu, sein Gottvertrauen, die religiöse Weihe, die er über jeden Gegenstands den er behandelt, auszugießen weiß, so erhebend — daß ein jedes empfängliche Gemüt sich rasch mit ihm befreunden und ihn lieb gewinnen wird. Ich habe mich daher auch nur selten entschließen können, an den von ihm mitgeteilten Gesängen zu kürzen, Auswüchse zu beschneiden, und hoffe dabei um so mehr auf Billigung, als dieser ächte deutsche Bukoliker leider schon fast verschollen, und gewöhnlich nur den Literarhistorikern von Fach bekannt ist. — Über die andern Dichter, deren Namen dies Buch schmücken, brauche ich nichts hinzuzufügen; die Mehrzahl von ihnen ist jedem Deutschen bekannt und Wert; dem Landwirt muss dies aber vor Allen der geniale Rückert sein, der, zugleich ein trefflicher Fachgenosse, das geheime Weben und Walten der Natur belauscht hat, wie kein Anderer, und es versteht, den Bezug desselben auf das Menschenleben in sinnigster Weise zu knüpfen. Manche gute Gabe deutscher Poesie hat leider zurückgelegt werden müssen, um das Buch nicht allzusehr zu verteuern; vielleicht vergönnt eine freundliche Teilnahme an demselben auch diese später einzureihen.

Meine Sammlung habe ich der Jugend der deutschen Landwirtschaft gewidmet. Möge sie von dieser aufgenommen werden als eine der edelsten und besten Gaben, die ihr noch jemals dargebracht worden sind — als Blütenstrauß des deutschen Geistes, Blüten vom Felde der Kultur, welche Früchte verheißen, auch wenn sie gepflückt und zusammen gebunden worden sind. Möge ihr Duft und ihre Schönheit recht oft das Herz der deutschen Landwirte erfreuen, ihren Geist erheben, kräftigen, und sie anspornen, würdig zu wirken des edlen Standes, den die Besten der Nation so hoch gefeiert haben!

Leipzig, im Mai 1862.
Dr. Wilhelm Hamm
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1
Heinrich von Kleist (1777-1811), deutscher Dramatiker und Publizist

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Ähren von Gerstenhalmen

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Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)

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Haferähren

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