Sehnsucht nach dem Landleben, von v. Vincke

Beatus ille, qui procul negottiis,
Paterna rura bubus suls exercet!


Horat.


„Wohl dem, der fern von der Geschäfte Drang,
Wie unfre Väter einst — die Zeit ist lang! —
Mit eig'nen Stieren pflügt die eig'nen Felder,
Und nicht auf Wucher ausleiht seine Gelder.
Zum Kriege ruft ihn nicht das schrille Horn,
Und nimmer ängstet ihn des Meeres Zorn,
Fern bleibt er von der Mächt'gen stolzer Schwelle,
Was kümmern ihn des Rechts verdrehte Fälle!
Er weilt vielmehr im abgelegnen Tal
Und schaut die Rinderheerden sonder Zahl,
Die brüllend an dem Bergesabhang weiden;
Unnütze Zweige eilt er abzuschneiden
Mit krummem Messer, Reiser pfropft er drauf
Und flicht die Reben an der Ulm' hinauf,
Den klaren Honig sammelt er in Krügen,
Die Lämmer scheeren — das ist sein Vergnügen.
Wenn auf der Flur der Herbst erhebt das Haupt,
Von Kränzen reifen Obstes schon umlaubt,
Dann kann er selbstgepflanzte Birnen pflücken
Und Trauben, die mit Purpurglanz sich schmücken,
Den Göttern dankend, die den Lohn beschert
Und seinen Grenzen gnädig Schutz gewährt.
Bald ruht er aus in alter Eichen Schatten
Und bald auf wohlgepflegten Rasenmatten,
Im tiefen Ufer strömt die Flut entlang,
Vom Wald her klagt dazu der Vögel Sang,
Der Quelle Rieseln rauscht dem Ohr entgegen,
Zu leichtem Schlafe weiß das anzuregen.
Doch wenn der Sturm des Winters donnernd brüllt,
Und Regenguß und Schnee die Luft erfüllt,
Dann treibt er in das Netz als gute Beute
Den Eber hier und dort mit großer Meute;
Und spannt das Garn, das auf der Gabel hängt,
Darin sich naschhaft bald die Drossel fängt;
Den Kranich, wenn er angelangt vom Wandern,
Den Hafen strickt er, einen wie den andern,
Und nimmer hat er unterdeß gedacht
Der schlimmen Sorgen, so die Liebe macht.
Wenn nun ein sittsam Weib im Hause schaltet,
Die süßen Kinder pflegt, der Wirtschaft waltet,
Und raschen Laufes, braun vom Sonnenbrand,
Das Holz zum Herde trägt mit rüst'ger Hand,
Und alles selbst beschafft zum Abendschmause
Dem müden Mann, sobald er kommt nach Hause;
Wenn eig'nen Wein sie aus der Kanne gießt,
Die Kühe melket und den Stall verschließt:
Das tausch' ich nicht mit einem Austern schmause,
Mit keinem Steinbutt, den das Sturmgebrause
An unsern Strand verschlug vom Osten her,
Und keinen Auerhahn schätzt' ich so sehr,
Kein Haselhuhn, als der Olive Früchte
Auf fettem Zweige, die ich selber züchte,
Als Sauerampfer, den die Wiese trägt,
Und als den Lauch, der lind zu lösen pflegt.
Dazu ein Lamm — der Festtagsleckerbissen,
Ein Ziegenböcklein auch, dem Wolf entrissen!
Und welche Freude dann bei solchem Mahl,
Zu schau'n die feisten Schafe sonder Zahl,
Wie sie zum Stall in muntern Sprüngen schweifen.
Die müden Stiere, die am Halse schleifen
Des Pfluges Eisen, sorgsam umgekehrt,
Der Sklaven reichen Schwarm am hellen Herd!“ —
So sprach der Wuchrer Alsius mit Entzücken,
Als wollt' er heut noch seine Schoten pflücken,
Und trieb verborgte Gelder schleunig ein —
Um sie auf Zinsen wieder auszuleih'n.

Gisbert Freiherr Vincke.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1