Lob des Feldlebens, von Opitz

O wohl, und mehr als wohl, dem, welcher weit vom Kriegen,
Von Sorgen, Müh' und Angst, sein Vatergut kann pflügen,
Lebt sicher und in Ruh, noch wie die alte Welt
Zu Zeiten des Saturns, und pflügt sein kleines Feld;
Spannt Ross und Ochsen für, darf seinen Sinn nicht kränken
Um armer Leute Schweiß, weiß nichts von Wechselbänken:
Von Wucher und Finanz, ist alles Kummers frei,
Dass nicht sein Hab und Gut im Meer ertrunken sei:
Darf auf der wüsten See nicht immer furchtsam schweben,
Von Winden umgeführt, da zwischen Tod und Leben
Ein daumendickes Brett: Gibt nicht auf's Bergwerk acht,
Da Stoll und Schacht sich oft verlieren über Nacht:
Erwacht nicht durch den Schall der starken Heer-Posaunen,
Erschrickt nicht von dem Blitz und Donner der Kartaunen,
Wie zwar der Landsknecht lebt, der Tag und Nacht das Land,
Das doch dem Meyer bleibt, schützt mit gewehrter Hand.
Er denkt nicht, wie er komm' hoch an das Brett für allen,
Und könne Königen und Herren wohlgefallen:
Tritt schlüpfrig nicht auf Eis, gibt seine Freiheit nicht
Um eine Handvoll Gunst, die eh als Glas zerbricht.
Er lässt sich auch nicht ein in fremder Leute Sachen,
Verurteilt Niemand falsch, hilft krumm nicht grade machen,
Steht nicht in Furcht und Angst, hält für der Reichen Tür
Sein Hütlein in der Hand, und kommt doch selten für.
Das Alles darf er nicht, er hat was er begehret,
Sein Gut wird ihm von Gott, auch wenn er schläft bescheret.
Hat mehr, als der sein Herz auf bloßen Reichtum stellt,
Besitzt nicht, was er hat, ist arm, und hat viel Geld.
Er gehet fröhlich hin, führt jetzt die süßen Reben
An Ulmenbäumen auf, dass sie beisammen kleben,
Als ehelich vermählt: jetzt, weil die Schösse klein,
Bricht er, was wild ist ab, impft gute Sprößlein ein.
Nimmt bald die Schaufel her, macht Furchen frei, zu fließen
Dem Wasser über Feld, die Wiesen zu begießen,
So dürr und durstig steh'n, spaziert bald in das Gras,
Das durch den Silbertau des Morgens noch ist nass;
Bald stützt er einen Baum, der von der Frucht gebeuget,
Vor Last zerbrechen will, und sich zu Erden neiget:
Und etwan sieht er geh'n dort um das grüne Tal
Die Schafe, Kälber, Küh' und Ochsen überall:
Schaut er dann über sich, so sieht er seine Geisen
Das Laub von dem Gestand' an einer Klippen reißen;
Darbei ihr Mann, der Bock, für Lust und Freuden springt,
Hört, wie der Hirte wohl von seiner Phyllis singt,
Die hinter einen Baum sich hatte nächst verkrochen,
Als er ihr schönes Obst und Blumen abgebrochen:
Hört, wie die braune Kuh im nächsten Tale brüllt,
Daß ihre raue Stimm' hoch über Feld erschüllt.
Bisweilen leert er aus den Honigmacherinnen
Ihr wächsern Königreich, das sie mit klugen Sinnen
Sehr artlich aufgebaut, nimmt auch zu rechter Zeit
Den feisten Schafen ab ihr dickes Wollenkleid.
Kommt dann, nachdem er hat den Sommer-Nutz empfangen,
Der Obst - und Trauben - Mann, der reiche Herbst gegangen,
Wie freut er sich so sehr, wenn er die Birnen ropft
Vom Baume, den er selbst vor dieser Zeit gepfropft,
Und lieset Äpfel auf, die selber abgefallen,
Nimmt ihm hernachmals für die schönsten unter allen,
Beißt ungeschälet an: geht dann, besieht den Wein,
Bricht reife Trauben ab, die Purpur ähnlich sein.
Ist er vom Gehen laß, so kann er sich sein strecken
Bald in den Schatten hin, wo ihn die Bäume decken,
Bald in das grüne Gras, an dem fürüber fleust
Das Wasser und durchhin mit stillem Rauschen scheust:
Bei dessen Rande dann die Feldheuschrecken springen,
Und mit dem langen Lied ihr Winterleid versingen:
Der Vögel leichtes Volk macht seinen Lobgesang,
Schreit überlaut und wünscht den Sommer noch so lang.
Die schöne Nachtigal lässt sonderlich sich hören,
Schwingt ihre Stimme hoch dem Meyer wie zu Ehren.
Die Frösche machen auch sich lustig an der Bach,
Und ihr Coax Coax gibt keinem Vogel nach.
Nicht weit von dannen kommt aus einem kühlen Brunnen
Ein Bächlein durch das Gras, gleichwie Crystall, gerunnen,
Draus schöpft er mit der Hand, eh er sich schlafen legt,
Wozu der Bach Geräusch' und Murmeln ihn bewegt.
Wenn aber mit dem Eis und rauhen scharfen Winden
Der graue Winter kömmt, so kann er doch was finden,
Auch mitten in den, Schnee, das nützet und ergeht,
Indem er jetzt ein Schwein mit seinen Hunden hetzt,
Und jetzt ein schnelles Reh in dem Gehege fället,
Bald mit dem Garne dann den leichten Hafen stellet:
Kommt auch, nachdem er hat von Jagen umgekehrt,
Lockt das Geflügel an auf seinen Vogelherd,
Fängt etwan einen Kranich, der in den Lüften irret,
Durch altes Zauberspiel in seiner Flucht verwirret:
Das teure Haselhuhn geht ihm nicht selten ein,
Rebhühner auch, so sonst die Zier der Tische sein.
Verfüget er sich heim, da hat er viel zu bauen,
Macht Blauken in den Zaun, schnitzt Flegel, stielt die Hauen,
Ergänzt den Pferdezeug, verwahrt das Taubenhaus,
Strickt Netz' und Jägergarn, putzt alles sauber aus;
Schaut dann den Pfauen zu, steht, wie die stolzen Hahnen
Die Hühner übergehn, lockt zu sich die Fasanen:
Die Tauben haben sich gelagert um das Dach,
Die Rantze lauft der Magd mit ihren Ferklein nach.
Wie wollt' er dann nun wohl dies freie Leben hassen,
Und nicht der Städte Luft für seinen Wäldern lassen,
Vornehmlich auch, wann ihm sein Weib entgegenkömmt,
Und ihren lieben Mann frisch in die Arme nimmt!
Hat keine Larven für, ist schwarzbraun von der Sonnen,
Ihr Antlitz ist geschminkt mit Wasser aus den Bronnen,
Ihr Hut ist Haberstroh, ihr Kittel ist parat
Von Seiden, die sie selbst zuvor gesponnen hat.
Sie macht ein Feuer auf, ist mühsam und geschwinde,
Lauft hin und melkt die Küh', sobald als das Gesinde,
Ergreift den weiten Krug, bringt einen blanken Wein,
Der nicht muss allererst mit Zucker süße sein;
Dann decket sie den Tisch, und setzet auf die Speisen,
Darnach man nicht erst darf sehr viel Meilweges reisen,
Und die das wilde Meer hier an das Land gebracht,
Kauft keinen Stör, den nur die Würze teuer macht.
Kennt nicht, was Austern sein, weiß gar nicht von Lampreten,
Die erst der weise Koch in Malvasier muß tödten.
Artschocken findet man in seinem Garten nicht,
Melonen sind ihm auch nie kommen zu Gesicht.
Er hält bei sich vielmehr auf einen guten Schinken,
Und eingesalztes Fleisch, das Lust ihm macht zu trinken,
Sein bestes Essen ist Milch, Eier, Honig, Schmalz,
Für Spargen isst er Kraut, anstatt der Würze, Salz.
Er lobt ein Lamm, das er dem Wolf erst abgejaget,
Ein frischer Kalbskopf ihm für Straußenhirn behaget,
Sticht selbst ein Ferklein ab, würgt einen feisten Hahn,
Der unwert ist gemacht und nicht mehr buhlen kann.
Die Äpfel schmecken ihm viel besser, als Zitronen,
Rapuntze, Kresse, Lauch, Kohl, Rüben, Erbsen, Bohnen,
Sauerampfer, Petersilie, Salat im frischen Oel,
Ist mehr ihm angenehm, als Safran und Kanöll.
Bei dieser seiner Kost er viel gesünder bleibet,
Als der zu essen pflegt, eh ihn der Hunger treibet;
Was mancher teuer kauft, wird ihm umsonst gewährt:
Sein Vorrat ist das Feld, sein Holz kömmt auf den Herd.
Indem er also isst, hört er der Schafe Schellen,
Die von der Weide nun sich wieder heim gesellen,
Schaut wie die stolze Geis will für den Widder gehn,
Wie seine seigen Küh' in vollen Eutern steh'n,
Bald siehet er darauf die starken Rosse bringen
Den umgestürzten Pflug, und noch für Geilheit springen,
Mit denen und zuvor sein mühsames Gesind'
Eins nach dem andern sich gemach zu Hause sind't.
Auf dies sie an den Tisch heißhungrig niedersitzen,
Und essen, daß sie mehr als vor zu Felde, schwitzen.
Wann nachmals jedermann gesättigt ist vollauf,
Schmeckt aus der großen Kann ein guter Trunk darauf.
Legt sich hernach zur Ruh, schläft frei von Angst und Sorgen,
Bis ihn und sein ganz Haus der Hahn weckt, wann zu Morgen
Aurora sehen lässt ihr rosenrotes Haar,
Und mit dem klaren Schein umhüllt der Sternen Schaar.
Es stehe wer da will hoch an des Glückes Spitzen,
Ich schätze den für hoch, der kann hier unten sitzen,
Da keine Hoffart ist, kein äußerlicher Schein,
So nur die Augen füllt, und kann sein selber sein,
Bleibt von des Neides Gift' und Eifer ganz verschonet,
Weiß von der Sünde nicht, die in den Städten wohnet
Und in den Winkel steckt; stellt da sein Leben an,
Da seiner Unschuld selbst der Himmel zeugen kann,
Vertrauet Gott allein sein Wesen und Vermögen,
Sieht alles unter sich, lauft seinem Tod' entgegen,
Und scheut sein Stündlein nicht. Der ist gar sehr verblend't,
Der sonst zwar alles weiß, doch sich nicht selber kennt.

Opitz. (Imitatio Horatiana.)



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1