Die Einsamkeit auf dem Lande, von Ramler

Sei gegrüßt, du Sitz der Ruh',
Holde, liebenswerte Wüste,
Die, stieß mir ein Unmut zu,
Diesen Unmut mir versüßte!

Hat dein düsteres Gesträuch
Jene Schmerzen oft genähret,
Die man in der Schönheit Reich
Und im Reich der Lieb' erfähret:


O! so lässt die Dankbarkeit
Was du Gutes mir erwiesen
Auch nicht in Vergessenheit
Eingescharrt und ungepriesen.

Du besänftigest mein Herz,
Rufst die Jugendlust zurücke,
Wandelst den Verdruss in Scherz,
Machst mir den Verlust zum Glücke.

Sanft in deine Nacht verhüllt,
Fang' ich wieder an zu leben;
Hier soll selbst des Übels Bild
Mir nicht mehr vor Augen schweben.

Frei von Vorurteil und Wahn,
Die uns gern in Fesseln schmieden,
Seh' ich's Stand und Würden an,
Daß sie täuschen und ermüden.

Auch der Hof verblend't mich nicht;
Seines Zwanges überhoben,
Weiß ich hier von keiner Pflicht.
Wen ich hassen muss, zu loben.

Göttersöhne, welchen nur
Schmeicheleien wohlgefallen,
Wisst, man hört auf dieser Flur
Nur der Wahrheit Stimme schallen.

Bach, der du durch Blumen dich
Murmelnd aus den Felsenspalten
Zu mir drängest, freundschaftlich
Dich mit mir zu unterhalten —

Du verjagst aus meiner Brust
Alle Sucht nach Rang und Ehre,
Mehr als königliche Lust
Fühl' ich, wann ich nichts begehre.

Ich begehre keine Freuden,
Die nicht jeder fordern kann;
Meine Wünsche sind bescheiden,
Und der Weisheit untertan.

Glänzt mit Saaten überzogen,
Durch die Morgensonn' erhellt,
Hier von kleinen Regenbogen
Ein bethautes Ackerfeld;

Klimmt' ein weißer Trupp von Schafen
Langsam dort vom Berg' herab,
Seinen Mittagsschlaf zu schlafen
Um Palämous Hirtenstab;

Tönen Feldschalmein und Lieder
Von des Dorfes Margaris
In dem Buchenwäldchen wieder:
Lauter Götterlust ist dies!

Aber ach! die leichten Stunden
Übereilen ihren Schritt,
Nehmen Flügel, sind verschwunden:
Jede Lust verschwindet mit.

Meines Hauptes Lilien blühen
Hie und da: bald kömmt der Tod,
Jenen Ratschluss zu vollziehen,
Den ihm die Natur gebot.

O du Flur nach meinem Herzen,
Trift, die mir das Leben gab.
Lebe wohl! nicht ohne Schmerzen
Steig' ich zum Kocyt hinab.

Musen, mir so sehr ergeben,
Bald mich ich von hinnen geh'n.
Schöne Bäum', ihr saht mich leben,
Bald sollt ihr mich sterben seh'n.

Deckt indess mit milden Schatten
Liebreich euren guten Wirt,
Bis er dort auf Lethens Matten
In Cypressenhainen irrt.

Ramler. (Aus der Anthologie)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1