Das Landleben, von v. Kleist
O rus, quando ego te aspiciam? quandoquw licebit,
Nune veterum libris, nunc somno et inertibus horis
Ducere sollicitae jucunda oblivia vitae?
Horat.
O Freund! wie selig ist der Mann zu preisen,
Dem kein Getümmel, kein Geschwirr von Eisen,
Kein Schiff, das Beute, Mast und Bahn verlieret,
Den Schlaf entführet!
Der nicht die Ruhe darf in Berge senken;
Der, fern vom Purpur, fern von Wechselbänken,
In eignen Schatten, durch den West gekühlet,
Sein Leben fühlet.
Er lacht der Schlösser, vom Geschütz bewachet,
Verhöhnt den Kummer, der an Höfen lachet,
Verhöhnt des Geizes in verschlossnen Mauren
Schlafloses Trauren,
Sobald Aurora, wenn der Hinimel grauet,
Dem Meer entsteigend, lieblich niederschauet,
Flieht er sein Lager, das nur Weyen schmücken,
Mit heitern Blicken.
Er lobt den Schöpfer, hört ihm Lerchen singen,
Die durch die Lüfte sich dem Aug' entschwingen;
Hört ihm vom Zephyr lispelnd auf den Höhen
Ein Loblied wehen.
Er sieht auf Rasen Tau wie Demant blitzen;
Schaut über Wolken, von der Berge Spitzen,
Wie schön die Ebne, die sich blau verlieret,
Der Lenz gezieret.
Bald zeigt sich fliehend auf des Meeres Rücken
Ein Schiff von weitem den nachfliehnden Blicken,
Das itzt versinket, itzt sich wiederfindet.
Und itzt verschwindet.
Bald sieht er abwärts, voller Glanz und Prangen,
Noch Einen Himmel in den Fluten hangen,
Noch Eine Sonne Amphitritens Grenzen
Grundaus durchglänzen.
Er geht in Wälder, wo an Schilf und Sträuchen
In krummen Ufern Silberbäche schleichen,
Wo Blüthen duften, wo der Nachtigallen
Lustlieder schallen.
Nun pfropft er Bäume, leitet Wassergräben,
Schaut Bienen schwärmen, führt an Wände Reben,
Nun tränkt er Pflanzen, zieht von Rosenstöcken
Und Nussstrauch Hecken.
Eilt dann zur Hütte, wo kein Laster thronet,
Wo bei der Unschuld Fried' und Wollust wohnet:
Weil seine Doris, die nur Liebreiz schminket,
Ihm freundlich winket.
Kein Knecht der Krankheit mischt für ihn Gerichte:
Denn Freud' und Arbeit würzt ihm Milch und Früchte,
Kein bang Gewissen zeigt ihm Schuld und Strafe
Im süßen Schlafe.
Freund! lass uns Golddurst, Stolz und Schlösser hassen,
Und Kleinigkeiten Fürsten überlassen.
Das Land, es ruft uns! komm, zum Sitz der Freuden,
Auf seine Weiden.
Ewald Chr. von Kleist.
Nune veterum libris, nunc somno et inertibus horis
Ducere sollicitae jucunda oblivia vitae?
Horat.
O Freund! wie selig ist der Mann zu preisen,
Dem kein Getümmel, kein Geschwirr von Eisen,
Kein Schiff, das Beute, Mast und Bahn verlieret,
Den Schlaf entführet!
Der nicht die Ruhe darf in Berge senken;
Der, fern vom Purpur, fern von Wechselbänken,
In eignen Schatten, durch den West gekühlet,
Sein Leben fühlet.
Er lacht der Schlösser, vom Geschütz bewachet,
Verhöhnt den Kummer, der an Höfen lachet,
Verhöhnt des Geizes in verschlossnen Mauren
Schlafloses Trauren,
Sobald Aurora, wenn der Hinimel grauet,
Dem Meer entsteigend, lieblich niederschauet,
Flieht er sein Lager, das nur Weyen schmücken,
Mit heitern Blicken.
Er lobt den Schöpfer, hört ihm Lerchen singen,
Die durch die Lüfte sich dem Aug' entschwingen;
Hört ihm vom Zephyr lispelnd auf den Höhen
Ein Loblied wehen.
Er sieht auf Rasen Tau wie Demant blitzen;
Schaut über Wolken, von der Berge Spitzen,
Wie schön die Ebne, die sich blau verlieret,
Der Lenz gezieret.
Bald zeigt sich fliehend auf des Meeres Rücken
Ein Schiff von weitem den nachfliehnden Blicken,
Das itzt versinket, itzt sich wiederfindet.
Und itzt verschwindet.
Bald sieht er abwärts, voller Glanz und Prangen,
Noch Einen Himmel in den Fluten hangen,
Noch Eine Sonne Amphitritens Grenzen
Grundaus durchglänzen.
Er geht in Wälder, wo an Schilf und Sträuchen
In krummen Ufern Silberbäche schleichen,
Wo Blüthen duften, wo der Nachtigallen
Lustlieder schallen.
Nun pfropft er Bäume, leitet Wassergräben,
Schaut Bienen schwärmen, führt an Wände Reben,
Nun tränkt er Pflanzen, zieht von Rosenstöcken
Und Nussstrauch Hecken.
Eilt dann zur Hütte, wo kein Laster thronet,
Wo bei der Unschuld Fried' und Wollust wohnet:
Weil seine Doris, die nur Liebreiz schminket,
Ihm freundlich winket.
Kein Knecht der Krankheit mischt für ihn Gerichte:
Denn Freud' und Arbeit würzt ihm Milch und Früchte,
Kein bang Gewissen zeigt ihm Schuld und Strafe
Im süßen Schlafe.
Freund! lass uns Golddurst, Stolz und Schlösser hassen,
Und Kleinigkeiten Fürsten überlassen.
Das Land, es ruft uns! komm, zum Sitz der Freuden,
Auf seine Weiden.
Ewald Chr. von Kleist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1
Ackerbau und Viehzucht
Heinrich von Kleist (1777-1811), deutscher Dramatiker und Publizist
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