Ruf an Deutschlands Landwirte, von W. Schmelzkopf

Das Jahr ist hin — mit stillem Sinnen
Blickst du zurück auf seine Last —
Doch mutig willst du neu beginnen
Die Saat, die du verloren hast.

Du sammelst um dich her die Deinen,
Und sprichst, ergreifend ihre Hand:
„Blickt freudig auf, es wird erscheinen
Im neuen Jahr ein neues Land.


Wohl bluten noch viel off'ne Wunden,
Manch' sich're Hoffnung ward geraubt,
Doch guten Rat hat stets gefunden
Wer an den Geist der Zukunft glaubt.

Es tönet eine alte Kunde
Schon seit dem ersten Schöpfungstag,
Die euch, aus Gottes heil'gem Munde,
Beseligen und trösten mag:

So lang die Erde steht und grünet
So lang bleibt Saat und Ernte dein!
War karg ein Jahr, — das and're sühnet
Mit vollen Garben, gold'nem Wein.

Noch ruht in uns’rem lieben Boden
Manch' golden Körnlein unentdeckt,
Noch überwacht ihn Gottes Odem,
Der aus dem Staub das Leben weckt!“ —

Es liegt ein wunderreicher Segen,
In jeder Not, die uns bewegt;
Die beste Wahl aus vielen Wegen
Ist's dann, die fester Sinn erwägt.

Was uns an Fülle ward verweigert
Hat häufig kluger Sinn ergänzt,
Und doppelt den Ertrag gesteigert
Hat oft die Ordnung, streng begränzt.

Zwar leicht, bequem und ohne Sorgen
Verfließt ein reich gesegnet Jahr,
Doch auch im Missjahr bleibt geborgen
Der ächte Landwirt vor Gefahr.

Vor uns hat manche bange Stunde
Die Väter gleichfalls hart gedrückt,
Und seufzend klang's aus ihrem Munde:
„Wie Schweres hat uns Gott geschickt!“ —

Doch mutig haben sie gerungen
In Nacht und Sturm, mit Mannessinn,
Der eitlen Wünsche Gier bezwungen,
Und fanden so des Sieg's Gewinn.

Kannst du das nicht? O dann entweiche
Belehnt mit der Entartung Bann
Aus un'srer Arbeit freud'gem Reiche,
Denn was er will — das kann ein Mann!

Als dir der Himmel war gewogen
Und Segen träufte weit und breit,
Da spanntest du des Stolzes Bogen
Fast bis zur letzten Möglichkeit.

Wann aber wieder abwärts ziehet
Das Glück auf seinem Wechselflug,
Und dir das schöne Bild entfliehet,
Das hoffnungsfroh dein Busen trug —

So lass darum den Stolz nicht sinken.
Doch Stolz sei's auf die eig'ne Kraft —
Und bald wird dir von Neuem winken
Der Hort, den das Geschick entrafft.

Bedenke, du hast Nichts verloren,
Was deinem Leben angehört,
Und bist im Geiste neu geboren,
Nicht mehr vom alten Wahn betört.

Verlieren heißt für dich Gewinnen,
Gewinnen reich, und ganz, und viel.
Wenn solch' ein Jahr — in ernstes Sinnen
Verwandelt gier'ger Wünsche Spiel.

Nimm auch die harte Hand von Oben
Als väterliches Segenspfand,
Sie hat dich höher doch gehoben,
Als Überfluss und Mammonstand.

So tritt mit feierlichem Sinne,
An deine Arbeit, deinen Pflug!
Halt' fest die „himmlischen Gewinne,“
Die dir das Jahr des Mangels trug.

W. Schmelzkopf.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1