Des Dorfes Friedhof, von Gray durch Seume

(Aus dem Englischen des Gray.)

Die Abendglocke tönt den Tag zur Ruh,
Die Herden schleichen blökend vom Revier;
Der Pflüger rudert schwer der Hütte zu.
Und lässt die Welt der Dunkelheit und mir.


Der Glanz der Gegend schmilzt nun Zug für Zug,
Und tiefe Feierstille hält die Luft;
Der Käfer dröhnt nur dort noch seinen Flug,
Wo Schlummerklang zum fernen Pferche ruft.

Nur dort tönt's noch durch alte Rudera,
Wo es der Eule Murrsinn Lunen klagt,
Dass noch ein Wandrer, ihrer Grotte nah,
Ihr ödes Heiligtum zu stören wagt.

An dieser Ulme, diesem Eschenbaum,
Wo sich der Grund in Moderhügeln hebt,
Ruh'n stille Ahnen in dem engen Raum,
Die in dem kleinen Dörfchen einst gelebt.

Des Morgens Balsamduft am Lindengang.
Vom Binsendach der Schwalbe Wirbellauf,
Des Hahnes Kräh'n, des Hornes Wiederklang
Weckt sie nicht mehr vom kleinen Lager auf.

Für dich brennt nun der gute Herd nicht mehr;
Kein Hausweib sorgt für deinen Abendgruß;
Kein Knabe lauscht des Vaters Wiederkehr.
Und klimmt mit Neid am Knie um einen Kuss.

Oft sank das Korn in ihrer Eisenhand,
Oft ritz das Brachfeld unter ihrem Pflug!
Wie fröhlich trieb ihr Fuhrwerk über Land!
Wie fiel der Wald, wenn ihre Sehne schlug!

Verspotte nie der Ehrgeiz ihre Müh,
Ihr unbekanntes Glück, ihr kleines Fest;
Hohnlächle nie die Größe über sie,
Wenn sie das Buch der Armut lesen lässt.

Der Wappen Prahlerei, der Pomp der Macht,
Was je der Reichtum und was Schönheit gab,
Sinkt unerlöschlich hin in Eine Nacht-
Der Pfad der Ehre führet nur in's Grab.

Ihr Stolzen, rechnet nicht es ihnen an,
Wenn auf ihr Grab der Ruf nicht Marmor hebt,
Wo durch das Chorgewölbe himmelan
Des Lobes Note schwellend wieder bebt!

Ruft je der Urne, ruft der Büste Laub
Mit Künstlergeist den flieh'nden Hauch empor?
Belebt des Ruhmes Stimme je den Staub?
Rührt Schmeichelei des Todes kaltes Ohr?

Vielleicht in diesem dunkeln Winkel ruht
Ein Herz, auch einst von Götterfeuer warm;
Und Hände für der Laute Freudenglut,
Und für des Scepters Schwung ein Heldenarm.

Doch Wissenschaft entrollt ihr großes Buch,
Reich von der Zeiten Raub, nicht ihrem Blick:
Der starre Mangel hemmt den Kraftversuch,
Und drängt der Seele Schöpferstrom zurück.

Des Meeres fadenloser Boden hält
So manche Perle, deren Farbe glüht;
Und manches Lenzes schönste Blume fällt,
Die ungenossen in der Wildnis blüht.

Hier schläft vielleicht ein Hampden, dessen Mut
Dem kleinen Dorftyrannen widerstand;
Ein stummer Milton unbekannter Glut,
Ein Cromwell, schuldlos an dem Vaterland!

Ihr Loos war nicht des Beifalls Jubelton,
Nicht in dem Schmerz die stolze Apathie;
Sie sah'n sich nicht im Blicke der Nation,
Der ihrer Weisheit Überfluss verlieh.

Ihr Tugendflug, ihr Lasterlauf begrenzt,
Verbot ihr Loos den Weg zu einem Thron,
Der von dem Blute der Erschlagnen glänzt,
Oft allem wahren Menschensinne Hohn.

Gewissensangst war ihnen Strahlenlicht,
Erstickt war nie die Röte holder Scham;
Sie opferten dem Stolz der Schwelger nicht
Mit Weihrauch, den man frech der Muse nahm.

Fern von des Thorenhausens niederm Zank,
Verirrte nie sich ihre Nüchternheit;
Geräuschlos wandelten sie ihren Gang
Durch's kühle stille Tal der Lebenszeit.

Ein kleines Denkmal, das als Ehrenschild
Nur ihren Staub vor Schmähsucht decken soll,
Ein harter Reim, ein schlecht geformtes Bild
Verlangen eines Seufzers leichten Zoll.

Ihr Nam', ihr Jahr von ungelehrter Hand,
Ist ihnen mehr als Ruhm der Dichtung wert;
Und ländlich zieht die Muse rund am Rand
Den Spruch der Bibel, welcher sterben lehrt.

Am Freunde hing der Geist noch, als er schied,
Die Zähre tat noch dunkeln Augen gut;
Auch aus dem Grabe ruft Natur ihr Lied,
Und in der Asche lebt die alte Glut.

Seume.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1