Zinsvögel von A. Grün

Am vollen Erntewagen
Froh wallt der Bauer einher,
Die Erntekränze sie lagen
Auf garbenbeladenen Wagen,
Die Rösslein zogen gar schwer.

Ein Adler flog an den Wagen:
„Mein Bäuerlein, halt, ich bin's!
Dass Füchse dein Huhn nicht nagen,
Verbarg ich's in meinem Magen;
Lad' ab mir den Schutzherrnzins!“


Ein Falke flog in den Räumen:
„Mein Bäuerlein, halt, ich bin's!
Ich lasse dein Saatfeld keimen,
Wie Sonn' und Hagel es reimen;
Lad' ab mir den Bodenzins !“

Gehüpft kam auch ein Rabe:
„Mein Bäuerlein, halt, ich bin's!
Dass ich, der einst dich begrabe,
Zu überleben dich habe,
Lad' ab mir den Sterbezins!“

Zur Scheuer rollte der Wagen,
Die Rösslein zogen nicht schwer;
Die Erntekränze nur lagen
Und soviel Garben am Wagen,
Dass Einer d'rauf schlafe, nicht mehr!

Der Bauer betet gen oben:
„Es soll, hilf Herr des All's,
Der Adler mein Blei noch erproben,
Der Falk' in den Schlingen mir toben,
Um dreh' ich dem Raben den Hals!“

Hui sank er auf's Stroh, ein Müder,
Und an ein Schnarchen ging's;
Da schwebten vom Himmel hernieder
Zwei Täublein im Silbergefieder,
Eins rechts zu ihm, eins links.

Sie fächeln ihm mit den Schwingen
Den Schweiß vom Stirnenrund,
Die goldenen Schnäblein klingen,
Was sie in's Ohr ihm wohl singen?
Süß lächelt und lispelt sein Mund.

Das mocht' ihn gar tröstlich umschmiegen,
Das mochte gar Friedliches sein,
Er lässt ja den Adler noch fliegen,
Den Falken in Lüften sich wiegen,
Den Raben hüpfen und schrei'n.

Dies Liedlein, in blühenden Hagen
Sang's Einer vom Falkengeschlecht,
Hat oft von den Erntewagen
Sein Futter sich heimgetragen,
Weiß Gott, es schmeckt ihm nicht recht.

Anastasius Grün.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1