Gemähtes Getreide, von Brockes

Gott Lob! es ist die Erntezeit,
Die wir so lang' gewünschet haben!
Die reife Saat ist abgemeyt,
Betrachtet denn des Himmels Gaben!

Man sieht von Gersten, Weizen, Rocken
Die hohen, groß- und schweren Hocken,
Gleich kleinen Bergen, aufgetürmt.
Du hast, Herr! unsern Wunsch gewähret,
Du hast den Segen uns bescheret,
Du hast ihn auch bisher beschirmt.


Jetzt sehen wir ihn mit Vergnügen,
Zur Scheuren sertig, vor uns liegen,
Das Feld voll Segenshügel steh'n,
Wir sehen jetzt, so weit wir seh'n,
So weit sich unser Blick erstreckt,
Wie sich das Feld, in gelben Höh'n,
Mit lauter güld'nen Bergen deckt.

Es mehrt sich noch ihr gelber Schein
Dadurch, dass sie so reich beladen,
Zumal, da sie von Tresp' und Raden,
Von Blumen und von Unkraut rein.

Man kann auf den gebund'nen Spitzen
Nichts als gefüllte Ähren sitzen,
Vor Ähren keine Halmen seh'n.
Auf dieser kleinen Berge Gipfeln
Sieht man, in den gebog'nen Wipfeln,
Nicht Blätter, lauter Früchte, steh'n.

Derselben Gipfel scheinen Kronen,
Des Landmanns Mühe zu belohnen,
Ein jeder scheint ein Segenskranz;
Ein jedes Körnchen, das man flehet,
Da es im Strahl der Sonnen glühet,
Empfängst einen güld'nen Glanz.

Macht dies gemähete Getreide,
Geliebter Mensch, dir keine Freude,
Und siehst du es gleichgültig an;
So weiß ich nicht, was dich erfreuen,
Was Lob und Dank bei dir erneuen,
Und dich zum Schöpfer führen kann.

Wenn wir, als Menschen, überlegen,
Wie viel von Kälte, Sturm und Regen
Die schwache Frucht erduldet hat,
Seit so viel Tagen, wie viel Stunden,
So viel Minuten und Sekunden,
Bei Tag und Nacht, so früh als spät;
So können wir es nicht begreifen,
Wie sich das Korn erhalten kann,
Und sehen's als ein Wunder an,
Wodurch vom Wachsen und vom Reifen,
Die Wunderwerke sich noch häufen.
Wir singen denn für alle Güte,
Mit recht erkenntlichem Gemüte:
Herr! Schöpfer und Erhalter! Dir
Sei einzig Lob und Dank dafür!

Brockes.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1