Des Sommers Gaben, von Brockes

Der flammende Monarch der Zeiten
Bestrahlte, sonder Duft und Wolken, Luft und Land;
Sein lebensreicher Wunderbrand
Ergoss sich wie ein Meer von Glanz und Heiterkeiten;
Und kurz, es war ein angenehmer Tag,
Als Thyrsis, wie er öfters pflag,
Im kühlen Schatten einer Linden,
Auf weichem Gras' halb saß, halb lag,
Und bald den Himmel, bald die Welt,
Bald der Natur vollkommne Pracht,
Zum Vorwurf seiner Lieder macht'.
Indem ward er ein reifes Feld,
Worauf der Bauern muntre Schaar
Mit Mähen teils, und teils mit Binden
Beschäftigt war, gewahr,
Die Schnitter ernteten, die Scheunen anzufüllen,
Der Äcker gelben Schmuck mit sauren Freuden ein;
Man sah so manchen Bach von lauem Schweiße quillen;
Die Sensen blitzeten, es rauschte jeder Hieb,
Wenn die beschwitzte Faust ihn durch die Halmen trieb.
Hier band, dort lud man auf; kaum konnten große Wagen
Das raschelnde Gewicht gebund'ner Garben tragen.
Die Achse seufzt und knarrt, der Fuhrmann klatscht und schwingt
Die schlanke Geißel um; indem er fröhlich singt,
Verdoppelt er die Kraft der weißbeschäumten Pferde;
Sie zieh'n, der Boden beb't, es zittert selbst die Erde,
Gedrückt von eigner Frucht. Ein emsiges Gewühl,
Das denen selbst, die es mit Müh' erregt, gefiel,
Gefiel auch ihm; er fühlt' in der gereizten Brust
Ein' Andacht - Glut, ein Freudenfeuer, glimmen
Und fing gleich an, vor Gott geweihter Luft,
Dies Sommerlied dem Schöpfer anzustimmen:

Schau an, o Mensch, mit ehrfurchtvoller Freude,
Das dich ernährende Getreide!
Sein wunderbar Gewächs, auch eh' es reift,
Blatt, Wurzel, Halm, woran die Knoten sitzen,
Wodurch sein schlanker Fuß gesteift,
Der, ohne diesen Gegenhalt,
Beim Sturm und Regen alsobald,
Ja gar allein durch eigne Bürde,
Zerbrechen und zerknicken würde,
Und dessen Schwäche doch so nötig ist,
Weil sonst das Korn ein gier'ger Vogel friss't,
Als welcher sich hieran
So leicht nicht halten kann.
Das Körnchen selbst, die Behren, ihre Spitzen
(Womit, dass es der Vögel Her
Im Fluge nicht verzehr',
Sie ihre süße Frucht beschützen)
Sind von des Schöpfers weiser Macht
So viele Zeugen.
Drum muss ein Mensch, der dies betracht't,
Von seinem Ruhm nicht schweigen.


Hier wallt zu unserm Nutz, zu Gottes Ehr,
Von reifem Korn ein gelbes Ährenmeer,
Das, wenn der laue West auf seiner Fläche schwebet,
Bald, Wellen gleich, sich senket, bald sich hebet.
Nicht glaublich ist, wie sich das Aug' erfrischt,
Wenn sich das Gelb und Weiß der Halm'und Ähren mischt;
So wie sich Weiß und Gelb auf blondem Haar vereint,
Wodurch ihr sanfter Glanz wie Gold und Silber scheint:
So spielt durch Weiß und Gelb das wallende Getreide,
Und lässt in regem Licht bald Gold, bald Silber seh'n.
Ein weißlich Grau bedeckt das dürre Land,
Ein helles Weiß den gelben Sand.
Es mehrt der Kräuter Grün, die zwischen ihnen steh'n,
Sammt mancher blauen Blum', oft uns'rer Augen Freude.

Indem ich dieses schöne Blau
Der Kornblum' im Getreide schau',
Das, wie der Himmel, wenn er schön
Und aufgeheitert, anzuseh'n;
So deucht mich, dass der Farben Zier
So Aug' als Geist gen Himmel führ'.
Vielleicht hat Gott dem Blümchen hier
In diesem holden Ährenmeer
Des Himmels Farbe wollen schenken,
Damit wir Menschen möchten denken:
Vom Himmel kommt der Segen her.

Hier sieht man bunten Buch- bei rechtem Weizen blüh'n;
Des Habers Seladon, der Wiesen saftig Grün.
Der Büsche dunkles Laub, vergnügt mit holder Pracht
Durch's Auge, Blut und Geist. So Geist als Blut wird rege,
Und spürt in sanfter Lust des Schöpfers Liebe, Macht,
Und weiser Majestät verborg'ne Wunderwege,
Mich deucht, ich hör',
Um zu des Schöpfers Ruhm mich anzufrischen,
Der Ähren lispelndes Geräusch:
Schau', Mensch! hier wächst dein Fleisch!
Mir gleichsam in die Ohren zischen.

Itzt gleicht die schwüle Luft durchsichtigem Krystall;
In Glanz und Wärme schwimmt der Erdkreis überall.
Der Sonne himmlisch Licht befleußt die schöne Welt;
Dort glimmt in grünem Feu'r das dick begraste Feld,
Das Vieh in roter Glut. Ein schimmernd Silber schmückt,
Zusammt dem schwanken Schilf, der Weiden glatte Blätter,
Indem die Sonn' ihr Bild, bei aufgeklärtem Wetter,
In ihr so festes Laub, als wie in Spiegel drückt.
Vermutlich, dass, gerührt durch so viel heit're Lichter,
Die unempfindlichen Gesichter
Doch möchten auf ihr Urbild sehen.

Es sehen die entfernten Höhen
Von dicken Büschen rau und kraus,
Wie Purpur am Gesichtskreis' aus,
Und kann man gar, im hohlen Zwischenstrande,
Die durch der Sonne Glut erhitzte Luft,
Wie einen zarten Duft,
Auf dem so hell bestrahlten Lande
In warmer Klarheit ruhen sehen.
Es glüht und kocht die Luft, es blinket Holz und Stein,
Das rege Wasser glänzt im hellen Wiederschein.
Man konnte hie und da auf den sonst eb'nen Flächen
Viel schnell erhabene, den Wellen gleiche Höh'n
In reichen Garben-Hügeln seh'n,
Die, wenn sie güld'ne Sonnenstrahlen
Früh ost- und Abends westwärts malen,
Viel dunkle Linien auf hellem Grunde
Früh west- und Abends ostwärts zieh'n;
Daher das helle Feld durch zierlich dunkle Striche
Der schönsten Perspektive gliche.
Mit seiner Stoppeln Gold prangt noch das leere Feld,
Vom nah gelegnen Busch umgeben und bekränzet.
Durch dessen helles Grün, das wie Smaragden glänzet,
Wann es von weitem sich vereint,
Sein Gold, wie durch dies Gelb sein Grün, weit schöner scheint.

Es kann mit einer neuen Freude
Ein aufmerksames Auge seh'n
Von selbst gewachs'nes Gras und Kraut
Noch zwischen kurzen Stoppeln steh'n,
So nicht gesäet, nicht gebaut,
Worin das Vieh von neuem seine Weide
Auch nach der Ernt', ohn' uns're Mühe findet.
Das uns zu Gottes Ruhm ja wohl mit Recht verbindet.

Den ganzen Erdenkreis beseelt und wärmt die Sonne,
Vor Freuden lacht das Feld, es wallt das Gras vor Wonne.
Man sieht oft wie das Laub, ob's keinen Wind gleich spürt,
Vor innerlicher Lust gekitzelt, selbst sich rührt.
Das durch so heitern Lebensbrand
Bestrahlte Land
Dampft aus, vor heißer Liebesbrunst,
Ein fruchtbar Öl in einem zarten Dunst,
Wodurch viel kleine bunte Fliegen,
Und gaukelndes Gewürm, ihr Leben kriegen,
Die in dem warmen Sonnenschein
Geflügelte Trompeter sein.
Die grund- und grenzenlofe Tiefe
Des Firmaments, der Ewigkeit ihr Bild,
Ist so mit Glanz und Licht erfüllt,
Dass auch die allerschärfsten Augen
Ihr blendend Blau kaum anzusehen taugen.

Brockes.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1