Der Tag der Heuernte, von Seume

        „Hört, es hallen Herdenglocken
Auf der Trift am hohen Rocken,
Und der Tag wird heiß;
Draußen könnt ihr weiter sprechen,
Rasch, ergreift den langen Rechen;
Arbeit gilt es heut und Fleiß!“

        Keine Wolke steht am Himmel:
Summend ziehet das Getümmel
Nach der großen Au,
Ernst und heiter, still und tosend,
Singend hier, dort leiser kosend,
Durch den letzten Morgentau.


        Voll und hoch bis an die Waden
Gehen dieses Jahr die Schwaden;
Auseinander fliegt
Schnell das Gras von zwanzig Händen,
Dass geflockt an allen Enden
Alles in der Sonne liegt.

        Heißer brennt es von dem Himmel,
Ruhiger wird das Getümmel,
Bildet sich zum Zug,
Schwinget rasch den langen Rechen,
Wendel flink die vollen Zechen,
Und es rauscht der Halm im Flug.

        Immer wieder, immer wieder
Wechseln rüstig Reih'n und Glieder
Emsig ab und auf.
Unter Lachen, unter Plaudern,
Rechts und links und ohne Zaudern,
Künstlich ihren Ringellauf.

        Neckend geh'n sie manche Stunde
Wiederholt die heiße Runde;
Und die junge Welt
Weiß es listig so zu spielen,
Dass sich jedes von den Vielen
An das liebste Plätzchen stellt.

        Glühend wird die Mittagshitze!
Alles eilt dem Schattensitze
An dem Walde zu;
Oder lagert mit dem Kober
Hungrig sich am größten Schober,
Erst zum Mahl und dann zur Ruh'.

        Besser schmeckt aus großen Töpfen
Frische Milch als Herrenschnepfen,
Wenn man sich gerührt;
Wasser besser als die Weine,
Die der Fuhrmann von dem Rheine
Nur für Gold herüber führt.

        Leise schlummern nun die Alten,
Und die jungen Wichter halten
Ihre gute Zeit;
Spielen, spotten, necken, kosen.
Werfen sich mit wilden Rosen,
Bis zu wilder Fröhlichkeit.

        „Hollah, endet euer Flüstern,
Höret, wie die Halme knistern!“
Ruft der Altpapa;
„Jungen, Mädchen, zugegriffen!
Morgen wird zum Tanz gepfiffen;
Jetzo ist noch Arbeit da.“

        Alles kommt herangestürmet,
Schober werden aufgetürmet,
Vor dem Abendtau:
Michel schwingt die große Gabel,
Hebet schwitzend, wie zu Babel,
Mächtig seinen Riesenbau.

        Alles jauchzet ausgelassen
Durch des Heues lange Gassen;
Und der Alte singt
Einsam schmunzelnd und zufrieden,
Dass er seine Pyramiden
Glücklich noch zusammen bringt.

        Schwer geladen werden Wagen,
Hohe Berge heimzutragen
Für das lange Jahr.
Mögen nicht mit wildem Trosse
Stolz verzehren fremde Rosse,
Was des Friedens Gabe war!

        Wie aus einem Paradiese
Duftet Balsam von der Wiese,
Und die Krankheit weicht;
Städter wallen rasch nach Hause,
Die in ihrer engen Klause,
Bange gestern noch gekeucht.

        Grillen zirpen, Wachteln schlagen,
Späte Nachtigallen klagen
Ihren Abschied sich;
Und der Sperling in dem Rohre
Zanket mit dem ganzen Chore
Unermüdet ritterlich.

        Fliegen summen, Käser schwirren;
Neugeschärfte Sensen klirren
In dem Grase schon!
Fernher in der Abendröte
Hallt des Waldhorns und der Flöte
Sanft gemischter Zauberton.

        Neben dem Forellenbache
Zieht mit Singsang und Gelache
Alles freundlich heim,
Findet Abends bei der Mutter
Milch und Brod und frische Butter
Köstlich süß, wie Honigseim.

        Morgen ist ein Fest für Knaben,
Die Johanniskronen haben:
Fort noch, in das Feld!
Wer die schönste Krone windet
Und die schönsten Bänder bindet,
Ist beim Tanz des Tages Held.

        Hört, es hallen Herdenglocken
Von der Trift am hohen Rocken
Dort dem Dorfe zu;
Dirnen, eilet und versehet
Stall und Keller schnell, und gehet
Dann zum Mahl und dann zur Ruh'.

Seume.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1