Gedanken über das Pflügen und Säen, von Brockes

Im Herbst, an einem schönen Tage, sah ich, mit innigem Vergnügen,
Den Bauknecht mit vier starken Pferden geschäftig meinen Acker pflügen,
Ich sah ihn lange Furchen zieh'n, und sah den Pflug, wie sanft er glitt,
Den Boden von einander teilt, den fest- und fetten Grund durchschnitt,
Beschäftigt Alles umzustürzen, und kleine Wellen zu erhöh'n,
Die in geraden Strichen all', ohn einige Bewegung, steh'n,
Und überall das Feld erfüllen. Ich sah dadurch das Grau der Erden
Im Kurzen in ein schönes Braun verkehrt und lieblich dunkel werden.
Ich setzte mich an einen Hügel, der Arbeit, die so nütz als schön,
Mit einigen Betrachtungen, zu Gottes Ehren zuzuseh'n.
Ich dachte: Welche Weisheit liegt in diesem so geringen Werke,
Welch ein erstaunlich großer Nutz! Je mehr ich mit Bedacht bemerke,
Je mehr erblick' ich in demselben, bei göttlicher Gewogenheit,
Abseiten unser abermal unleidlich Unerkenntlichkeit.
Wer würdigt doch wohl einen Pflug des Anblicks! wer betrachtet ihn?
Man hält ihn für ein plumpes Werkzeug, man zieht von ihm sogleich den Blick
(Als wär es schimpflich ihn zu seh'n, man mag ihn stehen oder zieh'n,
Zu Haus, und auf dem Felde seh'n) verächtlich mehrentheils zurück,
Da er doch nicht allein so nützlich und nötig; da er in der Tat
Weit mehr, als wie man glauben sollte, viel Künstliches noch an sich hat.
Ich ließ mir alle Stücke nennen, und alle seine Teile weisen,
Und fand die Zunge, das Gestell, das Bettels, Pflug-Baum, Vorder - Eisen,
Den Nagel, Gradsuhl, Grad, den Sterz, die Unter-Sahl, die Seiten-Sahl,
Das Rüster-Brett, das Seiten-Eisen, die Pflug-Butt, Pflug-Schar-Welle-Stecher,
Den der, so pflügt, in Händen führt, mit welchem er auch öftermal
Die Pflug-Schar reinigt, und zugleich den Pflug zurecht setzt, welchen man
Durch Löcher in dem Baum erhöh'n und ihn, wenn's not ist, senken kann.
Wie lange kannte wohl die Welt ein solches nützlich's Werkzeug nicht?
Wer war es, welcher es zuerst so ausgedacht und zugericht?
So viel man Nachricht davon weiß, ist der Erfinder in den Orden
Der Götter, aus Erkenntlichkeit, sogar dafür versetzet worden.
So weit sah man die Dankbarkeit für dies so nützlich's Werkzeug geh'n,
Das wir jetzt, durch Gewohnheit blind, kaum würdigen recht anzuseh'n.
Nachdem ich dieses überdacht', erhub ich mich, das Säen und Eggen
Mit ebenmäßiger Betrachtung zu sehen und zu überlegen.
Da ich denn mit vergnügten Blicken des Sämanns abgemessnen Tritt
In stets gerader Linie, und wie die Hand den festen Schritt,
Ohn' allen Fehl, begleitete, das aus dem Sack gegriffne Korn
In richt'gem Ebenmaße streute, daß nicht zu wenig, nicht zu viel,
Dass nicht zu dicht, und nicht zu weit, der scharf geworfne Same fiel.
Oft füllet er von seinem Rücken das weiße Sätuch, das ihm vorn,
Zum schnellen Griff eröffnet, hing. Mir schien das Säen leicht zu sein
Und nicht so schwer, als wie das Pflügen und anders Ackerwerk, allein
Wie ich darüber mich befragte, ward mir ein anders bald belehret,
Daß auch zu dieser Arbeit Kraft und viele Wissenschaft gehöret.
Dem Sämann sah ich emsig zu; und weil der helle Sonnenschein
Auf den geworfnen Samen fiel, den auch der dunkle Grund erhöhte;
So schien es wahrlich anders nicht, als ob er güldne Körner säte.
Doch nein, es ließ noch ähnlicher, und recht als wenn ein strenger Regen
Von großen Tropfen überall, und in beständigem Bewegen,
Vom Winde stark getrieben, fiel. Die Erd', als wär sie heiß und trucken,
Schien die empfangnen Tropfen schnell, als wie im Sommer, einzuschlucken.
Indem ich dieses mit Bedacht noch ferner sehe, fällt mir bei,
Daß ein fast nicht gespürtes Wunder im Samen noch verborgen sei,
Da, ob er gleich nicht nach der Ordnung, und wirklich recht von ungefähr,
Bald auf! bald unterwärts, bald platt, gerade bald, bald in die Quer,
So wie er fällt, zu liegen kommt, es doch bewundernswert sich zeiget,
Daß unterwärts die kleine Wurzel, das Hälmchen in die Höhe steiget.
Wenn nun die eine von sich selbst sich abwärts, jene in die Höh',
Durch einen uns verborgnen Trieb, nicht, fast vernünftig, wendete;
Würd' es für uns unmöglich sein, mit aller unsrer Kunst, zu sä'n;
Denn welcher Mensch könnt' jedes Korn nach seiner rechten Lage dreh'n?
Erkennet denn, geliebte Menschen! auch hieraus eine neue Spur
Von einer mächtig-weisen Lieb' in der uns nährenden Natur.
Sobald der edle Same nun dem Schoß der Erden anvertraut,
Wird ein nicht minder nützlich's Werkzeug im emsigen Gebrauch, geschaut.
Die zackigten, geeckten Eggen, die teils voll Holz, theils Eisen stecken,
Sind mit gespannten Pferden fertig, den künft'gen Segen zuzudecken.
Sie bringen den gestreuten Samen nun völlig erst zu seiner Ruh,
Und ziehen vor dem großen Schauplatz, so wie es scheint, die Decke zu.

Brockes.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1