Die auflaufende Saat im Herbst, von Brockes

Nachdem ich von dem Gang im Garten durch's Kornfeld einen Weg gezogen,
Im Herbst, wie eben erst das Feld
Gepflüget war, geeggt, besäet und bestellt,
Und ich, nach wenig Tagen nur, durch einen schonen Tag bewogen,
Auf selbigem spazieren ging, erblickt' ich, mit gerührter Brust,
Zur unverhofften Augenlust,
Wie aus des Ackers ebnen Flächen,
Von dem schon aufgelauf'nen Korn, sich Millionen Spitzen stechen.
Die teils ein gelbliches, und teils ein rötlich Grün,
In recht lebend'gen Farben schmückte, und reichen Segen schon versprechen.

Der Sonnen lieblich's Licht, so durch die Blätter schien,
Erhoben durch das graue Land, und durch der Furchen braunen Grund,
In welchen, als in Linien, das junge Korn recht zierlich stund,
Verschönerte noch mehr, was an sich selbst schon schön,
Durch ihren farbenreichen Glanz.
Was nahe stund, war einzeln noch zu seh'n,
Wenn das, so weiter lag, bereits ein grünlich Ganz
Dem Blick bemüht schien vorzustellen. Hierüber war ein bunt gefärbtes Glas,
Um dieses Malwerk der Natur noch desto schöner auszuschmücken,
In einem glänzenden Gewebe von bunten Fäden zu erblicken,
Wovon noch ungewiss, ob Spinnen es gesponnen,
Wie oder ob es sonst entsteht. Es sind im hellen Strahl der Sonnen
Des schönen Regenbogens Farben, in einem noch vermehrtem Schein,
Wie lauter Prismata, zu seh'n. Mit noch vergrößertem Vergnügen
Sieht man, vor andern, noch die Stellen, die unterm Strahl der Sonnen liegen,
So hell, so wunderwürdig schimmern, nicht anders, als wenn auf der Flut
Der Sonnen Bild, im flachen Strahl, als eine Feuersäule ruht.
Durch ihr beständiges Bewegen
Schien jede Farbe wandelbar, sich stets im neuen Glanz zu regen.


Brockes.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1