Die Pflanze und das Leben der Natur, von Rückert

Sieh' an die Pflanze, die empor aus dunklem Grunde
Zum Lichte treibt, von dem sie auch hat dunkle Kunde,

Mit ihrem Stengel steht sie erst in Einigkeit,
Und im Gezweige dann ist sie mit sich entzweit.


Nicht in der Einung noch Entzweiung ist gefunden
Das Licht, bis höhere Vereinung sie verbunden.

Die Knospe rundet sich, aus der die Blüt' erwacht,
In deren Farbenduft das Licht ist angefacht.

Durch soviel Stufen hat das Licht die Pflanz' erzogen,
Um auf der obersten zu ruh'n als Irisbogen.

Das Leben der Natur ist eine solche Pflanze,
Die aus sich selber ringt empor zu Gottes Glanze

Die Wurzel ist Gestein, Gewächsreich ist der Stiel,
Blätterverzweigungen Tierlebens reges Spiel.

Doch neues Leben ist von oben angezündet,
Wo der Naturtrieb sich im Menschenantlitz ründet;
Da ist des Himmels Strahl im Irdischen verkündet.

Rückert.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1