Der Pflug, von Ph. Emrich

Durch weiter Steppen sonnverbrannt Gefild,
Wo spärlich des Nomaden Herde zieht,
Wo vor des Menschen ungewohntem Bild
Das scheue Ross, wie vor dem Wolfe, flieht,
Und selten nur ein halbverdorrter Baum
Einmal begrenzt des Horizontes Raum —
Reitet ein Wand'rer auf verlassenen Wegen
Dem fernen Ziel des Heimathland's entgegen,

Es lieget hinter ihm manch' schlimmes Jahr,
Verbracht bei Völkern ohne Zucht und Recht,
Wo jeder Tag neu zeugt Not und Gefahr,
Und Leben ist ein ewiges Gefecht.
Es lieget hinter ihm die Einsamkeit
Der Wüsten, und noch dehnt sich vor ihm weit,
Unübersehbar, flach und öd', die Steppe,
Gehüllt in ihre braune Trauerschleppe.


In trübem Sinnen reitet er dahin:
Wird mir am Abend eine Lagerstatt?
Der Wechselrede freundlicher Gewinn?
Wird Mensch und Tier sich einmal pflegen satt?
Schon wochenlang dehnt sich der Reifezug,
Und der Entbehrung wird es bald genug —
Gebenedeit sei mir das erste Zeichen,
Daß ich der Wildnis Grenzen werd' erreichen!

Da hebt sein müder Gaul die Nüstern auf,
Und wiehert freudig in den Abendstrahl,
Dann streckt die Schenkel er zu rascherem Lauf —
Und sieh' — was hebt sich dort, gleich einem Mal,
Wenn niedrig auch, aus braunem Grund empor?
Ha, wenn sein Aug' die Sehkraft nicht verlor,
Darf dort das Werkzeug als Gewähr ihm gelten,
Er stehe an der Marke zweier Welten.

Es ist ein Pflug! Ein ungefüges Ding,
Aus rsuhem Holz armselig zugeschnitzt,
Doch gegen seinen Anblick däucht gering
Dem Wand'rer, was an Wert er noch besitzt.
Er schwingt vom Pferd herab sich auf das Land,
Und wie zum Gruß legt er darauf die Hand;
D'rauf ziehet er die Waffen aus der Scheide,
Und schleudert sie verächtlich in die Weite.

Denn wo der Pflug — so spricht er — friedlich geht,
Bedarf es nicht des blutigen Säbels mehr;
Da ist Gesittung, Ordnung, Recht, — es steht
Nicht Nachbar gegen Nachbar in der Wehr.
Aus seinen Furchen sprosst nicht bloß die Saat
Der goldenen Körner — nein, es ist der Staat
Der Bildung und der Menschlichkeit gebunden
An diese segensreichen Erdenwunden!

Gegrüßt sei mir, geliebtes Heimatland!
Nicht irr' ich fürder mehr — ich bin am Ziel,
Deß' bürgt der Pflug, der an der Wüste Rand
Als erstes Zeichen mir in's Auge fiel.
Dort wirbelt Rauch empor zum Himmelszelt,
Dort wohnen Menschen einer neuen Welt —
Denn der nur darf sich mit dem Namen zieren,
Der lernt den Pflug zu achten und zu führen!

Philipp Emrich.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust, Lob und Trost der edlen Landwirtschaft. Teil 1